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|ᴊɪʜᴏᴏɴ
|⸙⸙⸙

,,Blind?", frage ich leise und lege meinen Kopf leicht schief. ,,Mh-hm.", macht er schnell, ,,Dir ist es doch sicher aufgefallen." ,,Nein.", sage ich schnell und schüttel ehrlich verwundert meinen Kopf. Ich hatte noch nie etwas mit einer blinden Person zu tun, wie hätte ich dann wissen sollen, dass er eine eben solche Person ist. Vor allem verhält er sich nicht wirklich so, oder? ,,Ich dachte eher, du bist einfach ein bisschen... eigenartig. Tollpatschig oder so.", murmel ich dann und betrachte ihn einen Augenblick ausgiebig. Müsste er nicht als Blinder einen Stock oder ähnliches haben? So kann er sich doch gar nicht wirklich zurecht finden, oder?

,,Starr mich bitte nicht so an...", haucht er und ertappt senke ich meinen Blick. Jetzt bin ich ganz froh, dass er meine roten Wangen nicht sehen kann. Wobei er mich natürlich auch verarschen und sich über mich lustig könnte... Er kann doch nicht wirklich blind sein! Ich kann es mir nicht vorstellen.

Seufzend sprühe ich etwas Desinfektionsmittel auf ein Wattepad und tupfe die Wunde ganz vorsichtig ab. ,,Bist du denn ganz blind?",,Ich sehe nur Licht. Also Licht und Schatten.", sagt er leise, ,,I-Ich mag es nicht, meine Augen zu zeigen. Dann sieht man es sofort." ,,Verstehe.", nicke ich und knie mich vor ihn auf den beigen, weichen Teppich. ,,Achtung.", murmel ich leise und tupfe leicht über sein Knie. Er spannt sich sofort an und krallt seine Händen in den grauen Stoff seiner kurzen Jogginghose. Sein Mund verlässt aber kein Wort. Stattdessen presst er seine pinken Lippen fest aufeinander und atmet erst erleichtert auf, als ich das große, viereckige, weiße Pflaster auf das Knie klebe. ,,Tut dir sonst noch irgendwas weh?", will ich wissen, doch er schüttelt schnell verneinend seinen Kopf. Nickend setze ich mich neben ihn und erwische mich dabei, wie ich ihn wieder, diesmal von der Seite, anstarre.

,,Bist du wirklich blind?", kommt es über meine Lippen.

,,Oh Gott, nein sorry. Das war blöd.", sage ich schnell und richte meine weit aufgerissenen Augen wieder nach vorne. Wie peinlich... ,,Alles gut.", flüstert er und lächelt kurz. ,,Es ist nur so du- du siehst nicht so aus. Du hast ja nicht mal so einen Blindenstock.", murmel ich und schnappe schnell nach Luft. ,,Ich fühle mich unwohl dabei, mit so einem Ding rumzulaufen. Wenn ich mich auskenne, ist es eigentlich kein Problem mit der Orientierung.", murmelt er unsicher und dreht seinen Kopf zu mir. ,,Könntest du mich wieder rausbringen? Mein Bruder wollte mich um halb elf vom Park abholen.", sagt er leise und nickend greife ich nach seiner kleinen, weichen Hand, die im Gegensatz zu meiner wirklich blass aussieht. ,,Ich könnte dich auch nach Hause bringen.", schlage ich vor. Zurück in den Park zu den anderen beiden will ich nicht mehr, aber jetzt schon duschen und ins Bett gehen erscheint mir zu langweilig.

,,Du brauchst dich nicht um mich kümmern. Ich komme ganz gut alleine zurecht", sagt er leise und schlüpft, als würde er seine Aussage untermalen wollen, in die weißen Sneaker. ,,Ich habe auch nicht das Gegenteil behauptet.", murmel ich schnell und betrachte nachdenklich die türkisen Haarsträhnen. Ob er wohl weiß, welche Farbe seine Haare haben? Oder seine Kleidung und die Blumen und Bäume draußen... Es muss schrecklich sein, nur Schwärze zu sehen. Ach was, ich weiß ja nicht mal, ob es schwarz ist. Es ist wahrscheinlich einfach Nichts. Und wie Nichts aussieht, kann ich nicht beurteilen. Ich sehe ja immerhin immer was, selbst wenn ich schlafe sehe ich meine Träume. Ich sehe also eigentlich nie nichts. Nicht mal wenn ich meine Augen schließe. Dann ist es zwar schwarz, aber das ist ja auch etwas...

,,Ich will dir trotzdem keine Umstände bereiten. Außerdem könnten ein paar Leute dem Institut schlecht denken, wenn sie dich mit mir sehen. Ich werde doch allgemein als komisch angesehen. Oder seltsam.", erwidert er leise und schnürt die Schnürsenkel schnell und ohne Probleme zu kleinen Schleifen. ,,Ich interessiere mich nicht für die Meinung von Menschen, wenn ich die Person nicht kenne und sie mir nichts bedeutet.", zucke ich mit den Schultern, ,,Außerdem bestehe ich darauf, dich nach Hause zu bringen. Wo wohnst du?" ,,Jihoon, es ist schon in Ordnung.", sagt er lächelnd und tastet vorsichtig nach meiner Hand, die er leicht drückt, bevor er mit der anderen die Türklinke der Haustür umschließt und in die noch angenehme Wärme der Abendluft hinaustritt. Langsam verlässt er das Grundstück meiner Familie und lässt mich nachdenklich zurück. Ich verschränke meine Arme seufzend und kaue kurz auf meiner Unterlippe herum. ,,Er ist so hübsch und weiß es wahrscheinlich noch nicht einmal.", verlässt es meinen Mund noch während ich ihm nachsehe.
Doch selbst, als er aus meinem Blickfeld verschwunden ist, kreisen meine Gedanken um ihn - diesen zauberhaften Jungen.

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the light in my eyes ❁ུ۪۪Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt