(Di 07.09.1999) Vorurteile

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Mit einer energischen Bewegung warf ich meine Unterlagen auf den Schreibtisch. Während ich mich auf meinen Bürostuhl setzte, rieb ich mir erschöpft die Augen. Ich fühlte mich müde und ausgelaugt. Am liebsten würde ich einfach meine Sachen packen und nach Hause gehen...zu Remus. Den ganzen Tag musste ich schon an ihn denken. Ich hatte ihn geküsst und es hatte sich so wunderschön angefühlt. Immer wieder rief ich mir diesen Moment zurück ins Gedächtnis.Die Leute dachten bestimmt schon ich sei verrückt geworden, weil ich die ganze Zeit vor mich her lächelte. Doch ich musste jetzt an meine Arbeit denken, die ich heute noch fertig bekommen musste.

Kingsley war endlich dazu gekommen meine neuen Gesetzesentwürfe zu bearbeiten. Allerdings hatte er noch ein paar "Verbesserungsvorschläge", wie er es nannte. Also musste ich jetzt nochmal alles überarbeiten und am besten vorm Feierabend fertig werden. Seufzend schlug ich meine Unterlagen auf und ließ meinen Blick frustriert darüber wandern.

Drei Stunden später war ich endlich fertig und machte mich auf, zu Kingsleys Büro. Ich wollte gerade in den übervollen Fahrstuhl steigen, als mir eine schwarze Gestallt ins Auge viel. Mit wehendem Umhang schritt doch tatsächlich Severus Snape den Gang entlang. Ich wandte mich von dem Fahrstuhl ab und eilte meinem ehemaligen Professor hinterher. Doch ich musste feststellten, dass der Professor es wohl sehr eilig hatte. Ich viel immer weiter zurück.

>>Professor Snape! <<, rief ich ihm hinterher, damit er endlich stehen blieb. Ein paar Leute drehten sich zu mir um und schauten mich skeptisch an.

>>Diese jungen Leute heutzutage denken, sie wären alleine hier. Keinen Respekt mehr, vor der älteren Generation<<, hörte ich jemanden schimpfen, als ich zum zweiten Mal nach Snape rief. Zum Glück schien er mich diesmal gehört zu haben, denn er blieb abrupt stehen und drehte sich reichlich missgelaunt zu mir um. Leicht aus der Puste schloss ich zu ihm auf, bis ich direkt vor ihm stand. Seine schwarzen Augen musterten mich genervt.

>> Falls es Ihnen entgangen sein sollte, ich habe es ziemlich eilig. Also was wollen Sie, Miss Granger? << Eingeschüchtert blickte er auf mich herab und ich begann mich unwohl zu fühlen.

>>Ich wollte sie auch nicht lange aufhalten, Professor. Ich habe nur eine kurze Frage. Haben sie schon eine Lösung gefunden, um Remus Gedächtnis wiederherzustellen? << Hoffnungsvoll schaute ich zu ihm auf.

>>In der Tat, das habe ich. Aber die Herstellung des Trankes bedarf mehrere Wochen und momentan bin ich noch dabei die Zutaten, die im Übrigen nicht gerade kostengünstig sind, zu beschaffen. Also üben sie sich in Geduld! Ich hätte sie noch früh genug darüber in Kenntnis gesetzt. Und nun lassen Sie mich endlich in Frieden! << Snape verschwand so schnell in der Menge, dass ich nicht mal die Möglichkeit hatte, etwas zu erwidern. Freude breitete sich augenblicklich in mir aus. Er hatte also eine Lösung gefunden. Das musste ich unbedingt Remus mitteilen.

Ungeduldig rannte ich wieder zu den Fahrstühlen, quetschte mich in den erstbesten hinein und fuhr in den ersten Stock. Im Schnellschritt ging ich den Flur entlang, vorbei an den Büros des Juniorassistenten, der ersten Untersekretärin und dem Ratgebers des Zaubereiministers, bis ich endlich vor Kingsleys Tür stand. Ich klopfte an das alte Holz, an dem mit dicken Messingbuchstaben „Büro des Zaubereiministers" geschrieben stand. Es dauerte nicht lange und ich wurde hineingebeten. Ich überreichte Kingsley meine Unterlagen, er bedankte sich und dann verließ ich auch schon wieder sein Büro. Erleichtert atmete ich auf. Jetzt stand meinem Feierabend nichts mehr im Wege.

Zügig Schritt ich wieder zurück in meine Abteilung. Ich war die Letzte heute, da ich so lange an den neuen Gesetzten gearbeitete hatte. Ich sammelte meine Sachen zügig zusammen und stopfte sie in meine Aktentasche. Freudig verließ ich den stickigen Raum und war überrascht, Remus an der gegenüberliegenden Wand stehen zu sehen. Breit grinste er mich an. Mein Herz klopfte mir augenblicklich bis zum Halse und die Schmetterlinge in meinem Bauch fingen an zu tanzen.

>>Remus, was machst du denn hier? <<, fragte ich verwundert und ging lächelnd auf ihn zu. Ich hatte ihn den ganzen Tag über vermisst.

>>Ach, ich hatte Langeweile zu Hause und ich dachte, es spricht ja nichts dagegen, wenn ich dich einfach mal abhole. << Er schenkte mir ein schiefes Lächeln, was einfach nur umwerfend aussah. Sofort bekam ich weiche Knie.

>>Das ist lieb von dir<<, strahlte ich. Doch Remus schaute mich plötzlich reichlich verunsichert an.

>>Alles in Ordnung? <<, fragte ich besorgt.

>>Naja, ich war mir nicht sicher wie du es auffassen wirst, wenn ich so einfach vor deinem Büro stehe. Schließlich wissen fast alle, die im Ministerium arbeiten, dass ich ein Werwolf bin. Von daher werde ich hier nicht gerade gerne gesehen, wenn du verstehst, was ich meine. << Verbittert schaute Remus den Gang entlang und wirklich... Die meisten Leute die an uns vorbei liefen, warfen uns missbilligende Blicke zu. Wut schäumte in mir hoch. Wie konnten die Leute nur so engstirnig sein?

>>Was denn, noch nie einen Werwolf gesehen? <<, fauchte ich den nächstbesten Mann an, der an uns vorbei lief. Erschrocken fuhr dieser zusammen und eilte schnell davon.

>>Hermine, das bringt doch nichts<<, ermahnte mich Remus. Alle Freude war aus seinem Gesicht gewichen. Jetzt wirkte es eher versteinert.

>>Aber...<< Remus ließ mich nicht zu Wort kommen, sondern packte mich einfach am Handgelenk und zog mich den Flur entlang.

>>Lass uns einfach von hier verschwinden, okay?! <<, meinte er verstimmt und bugsierte mich in einen Fahrstuhl.

Die Hälfte der Leute, die sich in ebendiesen befanden, verschwanden schnell zur Tür hinaus, als sie meinen Mitbewohner erblickten. Die Übriggebliebenen warfen ihm verachtende oder gar angeekelte Blicke zu und nahmen so viel Abstand von uns, wie es in diesem kleinen Raum nur möglich war. Zornesröte stieg mir ins Gesicht. Was waren das nur für intolerante Menschen? Sie kannten Remus nicht einmal und verurteilten ihn für etwas, wofür er keine Schuld trug.

Als der Fahrstuhl, nach einer gefühlten Ewigkeit, im achten Stockwerk hielt, atmete ich erleichtert auf. Remus ging mit großen Schritten voraus und ich folgte ihm durch die Eingangshalle.

>>Nun warte doch! << Ich griff nach seiner Hand, um ihn zum Stehenbleiben zu bewegen.

>>Auf was soll ich denn warten, Hermine? Darauf, dass die Leute mich noch länger anstarren können, als wäre ich ein Schandfleck auf ihrem frisch gebohnerten Fußboden? Nein, danke! << Er versuchte mir seine Hand zu entziehen, doch ich hielt sie eisern fest.

>>Ach, vergiss doch die Anderen! Für mich bist du der beste Mensch auf der ganzen Welt und denk an deine Freunde. Auch wenn du dich zurzeit nicht an sie erinnern kannst, sie alle lieben dich, so wie du bist. Und das ist doch, was zählt. Nicht, was andere über dich denken. Ich freu mich darüber, dass du mich abholst <<, sagte ich aufmunternd. Seine goldenen Augen blickten mich plötzlich so liebevoll an, dass es mich beinahe aus den Socken gehauen hätte.

Ein angenehmes, warmes Gefühl breitete sich in meinen ganzen Körper aus und ich versank einfach in seinem Blick. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht und er drückte kurz meine Hand. Unweigerlich wanderte mein Blick zu seinen verführerischen Lippen. Wie gern würde ich ihn jetzt küssen.

>>Denk nicht einmal daran, Hermine, mich noch einmal zu küssen! Wir haben eine Abmachung. << Schmollend schaute ich wieder in seine Augen. Schade...

>>Kannst du etwa Gedanken lesen? <<, murmelte ich betrübt.

>>Dafür brauch ich deine Gedanken nicht zu lesen, um das zu erkennen. Und nun schau nicht so traurig! Pass auf..., als Entschädigung koche ich uns jetzt was Feines. << Unverhofft hob er seine Hand und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Wieder versank ich in seinen Blick und für einen Moment dachte ich, die Welt würde stehen bleiben. Allerdings unterbrach Remus den Blickkontakt und zog mich stadtessen weiter durch die Eingangshalle.

AmnesieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt