(Do 19.08. 1999) Peinlichkeit und Panik

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Das erste was ich wahr nahm, als ich langsam erwachte, war der Duft nach Shampoo, feuchtem Gras und etwas, was ich nicht genau zuordnen konnte. Ich atmete ein paar Mal tief ein und ließ den Geruch auf mich wirken. Ich fühlte mich erstaunlicherweise erholt und konnte mich auch an keine Alpträume in dieser Nacht erinnern. Wann war ich überhaupt ins Bett gegangen? ...Remus!

Ruckartig schlug ich die Augen auf. Wir lagen auf dem Sofa. Mein Rücken schmiegte sich an seine Brust und er hatte seine Arme um mich geschlungen. Wir mussten gestern irgendwann eingeschlafen sein. Lange hatten wir noch erzählt. Ich glaube es war schon weit nach Mitternacht gewesen. Langsam versuchte ich aufzustehen, doch Remus hielt mich fest. Also blieb ich liegen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mal wieder in den Armen eines Mannes aufzuwachen, aber kein schlechtes. Er war angenehm warm und ich mochte seinen Geruch. Ich musste mir eingestehen, dass es sich gut anfühlte, und ein wohliges Kribbeln breitet sich in meiner Magengegend aus. Ich war schon kurz davor wieder einzuschlafen, als Remus sich plötzlich anfing sich zu regen. Nervös hielt ich die Luft an. Ich konnte spüren, wie er sich hinter mir langsam bewegte, gähnte und sich ausgiebig streckte. Vorsichtig blickte ich über meine Schulter und direkt in zwei verschlafene Augen.

>>Morgen... ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass wir eingeschlafen sind<<, murmelte er und wischte sich müde übers Gesicht. Plötzlich viel mir ein, dass heute Donnerstag war und ich zur Arbeit musste. Schnell warf ich einen Blick auf die Uhr.

>>Wir sollten aufstehen. Es ist schon gleich acht Uhr. In einer halben Stunde muss ich auf Arbeit sein<<, sagte ich hektisch und wollte schon von der Couch springen, doch Remus hielt mich zurück.

>>Nicht so eilig, junge Dame. Ich halte es für besser, dass du dich für ein paar Tage krank meldest und dich mal richtig auskurierst. Du hattest gestern eine schlimme Panikattacke und das war bestimmt nicht deine erste<<, rief er mir wieder ins Gedächtnis. Nachdenklich schaute ich ihn an. Sollte ich mich wirklich krank melden? Bis jetzt hatte die Arbeit mich immer abgelenkt.

>>Denk gar nicht daran, Hermine! Du bleibst schön hier und ruhst dich aus<<, schimpfte er und drückte mich wieder aufs Sofa. Überrascht blickte ich zu ihm auf.

>>Und ich werde dir jetzt einen schönen Kaffee machen. << Damit sprang er von der Couch und verschwand, mit einem breiten Grinsen, in der Küche. Was war denn jetzt los? Gestern war er noch so verzweifelt gewesen und heute?

>>Ich muss aber noch eine Eule ins Ministerium schicken. <<, sagte ich leicht belustig in Richtung Küche.

>>Wenn es sein muss<<, schallte Remus Stimme lachend zurück. Ich ging also hinüber ins Arbeitszimmer, suchte mir dort ein Stück Pergament und schrieb ein paar Zeilen darauf. Als der Brief fertig war, gab ich ihn Fawkes.

>>Kaffee ist fertig<<, hörte ich Remus rufen.

Als ich die Küche betrat, saß mein ehemaliger Lehrer bereits am Küchentisch, las in der Zeitung und zwei dampfende Tassen standen vor ihm.

>>Na, du fühlst dich ja wohl hier, was?! << scherzte ich und setzte mich ihm gegenüber. Er schmunzelte nur und war dann schon wieder in der Zeitung vertieft. Dies gab mir die Zeit, ihn etwas genauer zu mustern. Im Moment sah er einfach nur sorglos aus, was ihn um zehn Jahre jünger machte, wie ich fand. Seine Augenringe waren verschwunden. Offensichtlich war ich nicht die einzige gewesen, die gut geschlafen hatte.

>>Alles in Ordnung, Hermine...oder hab ich was ihm Gesicht? <<, riss mich Remus plötzlich aus meinen Gedanken. PEINLICH. Röte schoss mir sogleich ins Gesicht. Ich hatte ihn angestarrt. Peinlicher ging es nun wirklich nicht mehr.

>>Oh, tut mir leid! Ich war in Gedanken<<, sagte ich schnell und trank einen großen Schluck Kaffee, um mein Gesicht hinter der Tasse zu verstecken.

>>Ach, das muss dir doch nicht peinlich sein. Obwohl dir die Röte im Gesicht durchaus steht<<, lachte er und zwinkerte mir kurz zu. Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte.

>>Ähm...danke<<, meinte ich verlegen und wurde automatisch noch röter. Remus musterte mich kurz amüsiert, ehe er sich wieder der Zeitung zuwandte. Um mich abzulenken, stand ich auf und fing an, die Küche etwas aufzuräumen. Ich war gerade dabei die Dose mit Kaffeepulver in den obersten Schrank zu räumen, als mir diese aus der Hand glitt und krachend auf der Arbeitsplatte landete. Der Deckel sprang auf und der feine Kaffeestaub verteilte sich auf meiner Kleidung. Ohne es verhindern zu können, machte sich wieder Panik in mir breit. Meine Herzfrequenz stieg bedenklich an und ich fing an zu hyperventilieren. Wieder sah ich Greybacks Augen vor mir, spürte seine Hände, seinen Atem... Mir wurde schlecht... Ich musste Duschen! Ich wollte aus der Küche stürmen, doch plötzlich schlagen sich zwei Arme um meinen Bauch und hielten mich fest.

>>Ganz ruhig, Hermine, es ist nur Kaffee! <<, versuchte mich Remus zu beruhigen. Doch dadurch, dass er mich gegen meinen Willen fest hielt, verschlimmerte sich nur alles. Ich fühlte mich in der Falle. Ich kämpfte gegen seinen Griff, wollte nur weg, muss unter die Dusche!

>>Lass mich los! <<, schrie ich verzweifelt und schlug nach ihm.

Mit meinem Ellbogen erwischte ich Remus im Gesicht und war plötzlich frei. Seinen Schmerzschrei ignorierend, rannte ich los zum Badezimmer. Ich blickte an mir runter und sah überall Schmutz. Ich fühlte mich in meinem eigenen Körper nicht wohl. Ich hörte Schritte hinter mir, was mich noch schneller rennen ließ. Im Bad angekommen, riss ich mir wieder die Kleider vom Leib und stürmte zur Dusche. Doch plötzlich stand Remus vor mir und versperrte den Weg. Es war mir egal, ob er mich nackt sah, ich wollte nur den Schmutz endlich loswerden. Ich versuchte ihn beiseite zu schubsen, aber Remus blieb standhaft stehen.

>>Nun beruhig dich doch, Hermine! Alles wird wieder gut. Du bist nicht dreckig und musst dich auch nicht vor dir selbst ekeln. Greyback ist tot. Er kann dich gar nicht mehr anfassen<<, redete er auf mich ein, doch in meiner Panik hörte ich nicht zu. Die Verzweiflung wuchs immer mehr in mir, da ich nicht an ihm vorbei kam. Da fiel mir die Badewanne ein. Eilig drehte ich mich zu ebendieser um, doch Remus hielt mich wieder eisern fest. Wieder kämpfte ich gegen seinen Griff an, doch es nützte nichts. Tränen der Verzweiflung liefen an meinen Wangen herab.

>>Du verstehst das nicht, Remus, bitte lass mich los! <<, fing ich an zu flehen und ließ mich auf meine Knie sinken. Hemmungslos weinte ich. Die Verzweiflung übermannte mich. Ich hörte Greyback lachen. Er lachte mich aus. Ich ekelte mich.

Plötzlich war ich frei. Schnell sprang ich auf die Beine und erreichte endlich die Badewanne. Endlich konnte ich duschen. Ich scheuerte meine Haut, bis ich keine Kraft mehr in den Armen hatte. Remus stand die ganze Zeit neben mir und sah hilflos zu. Doch es war mir egal. Ich wollte einfach dieses Gefühl loswerden. Erschöpft setzte ich mich in die Wanne und weinte. Nur nebenbei bemerkte ich, wie Remus das Wasser abstellte und mich in ein Handtuch wickelte. Mir war schrecklich kalt.

AmnesieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt