KAPITEL 26| Gabe

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Gabriel 'Gabe' Parker
Back to the future, Alaska
30. Januar

Mit zitternden Beinen schleppte ich mich durch die Kälte. Ein Fenster? Es war noch kälter als zuvor. Es war schmerzhaft und ich hatte alle meine Tricks aufgebraucht. Selbst Rufus litt unter der Kälte. Er japste auf. Folgte mir nur langsam. Doch ich konnte ihn nicht tragen, meine Kraft reichte nicht für die fast zehn Kilometer. 
Dabei hatte ich schon mehr als die Hälfte hinter mir. Ich musste bei Kilometer Acht sein. Jedenfalls hoffte ich das. Denn die Sonne würde in weniger als einer Stunde untergehen. Wäre die Sonne erstmal weg, gäbe es keinerlei Wärme mehr. 
Wieder japste Rufus. "Komm schon, wir haben es gleich geschafft." Sagte ich und keuchte bei dem Schmerz den die Kälte in meine Lungen brachte.
Er war noch geschwächt. Auch wenn die Wunde gut verheilt war, so war er längst nicht so beweglich. Seine Kondition hatte gelitten. Ich konnte es ihm nicht verübeln. 
"Nur noch über den Hügel." Sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Doch es war genau das, was ich mir auch die ganze Zeit sagte. 
Dabei tat ich nur einen Schritt nach dem anderen. Schritt. Schritt. Schritt. Mehr gab es nicht. Schritt. Schritt. Schritt. Ich tat das aus einem guten Grund. Und ich wusste dieser Grund würde Rufus ebenso gefallen. Doch an der Kälte, Anstrengung und absoluten Erschöpfung änderte das nichts.
Ich hatte es mir ausgerechnet. Dreißig Stunden. Es dürfte mich nicht mehr als Dreißig Stunden kosten. Jedenfalls nicht wenn ich endlich in Cooper Landing war. Doch zuerst musste ich nach Lowell Point. Ich kannte den Ort, wusste wie und wo ich hinkommen musste. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, wie schwer mir diese paar Kilometer fallen würden. Wie kalt es tatsächlich war. Ich hatte gehofft, dass es nicht zum schlimmsten kam und doch lief ich einfach weiter.
In der Armee hatte ich gelernt, dass wir das Richtige tun musste. Und ich hatte gelernt, dass das Richtige niemals das Leichte war. Niemals. Und genau das war das Problem. Denn er leichte weg war halt einfach... nun ja leichter. 
Warum auch immer hatte ich das in den letzten Jahren vergessen. Ich hatte lange genug den leichten Weg gewählt. Besser spät als nie, richtig?
Langsam kämpfte ich mich durch den tiefen Schnee, Rufus hinter mir und nichts weiter bei mir, als die kleine Metallkiste. Ich hatte nicht vor zurückzukommen. Jedenfalls nicht sehr bald. 
Als ich es endlich den Hügel hinaufgeschafft hatte und in das kleine al hinabblickte, sackte ich vor Erleichterung fast zusammen. 
Das laute Rumoren der Rotorblätter war ein bekanntes Geräusch. Doch trotzdem überkam mich eine Gänsehaut. Ich konnte mich an meinen letzten Flug in einem Helikopter kaum noch erinnern und eigentlich hatte ich auch nie wieder vorgehabt mit einem zu fliegen. 
Mit bebenden Lippen ging ich weiter, trat durch den Schnee und musste mich zurückhalten nicht loszurennen. Das würde mir zu viel Energie kosten. Nur war das Problem, dass der Helikopter auf den Schneemassen nicht landen konnte. Wir mussten im Flug zusteigen. 
Noch während ich auf das laute Ungetüm zusteuerte machte ich mir einen Plan. Doch ich rechnete nicht mit Rufus, der plötzlich stehenblieb und den Heli anbellte. Ich konnte es ihm nicht verübeln. 
"Komm schon mit." Bat ich ihn, doch sah wie er zusammenzuckte. Aber zu meiner Überraschung folgte er mir tatsächlich weiter den Hügel hinab. Er war mein bester Freund und ich musste ihn dazubekommen mit mir in die kreischende Höllenmaschine zu steigen. 
Langsam, zögerlich folgte er mir weiter auf den Heli zu. Doch als wir keine fünf Meter mehr entfernt waren, zuckte er zusammen und drückte sich an den Boden. Er wollte nicht weiter. Knurrend starrte er die fliegende Metallfalle an und ich blickte zu ihm. Wusste aber, dass der Hubschrauber nicht ewig so bleiben konnte. Eine neue Kältefront war angekündigt. 
"Komm schon, Kumpel. Ich verspreche dir wird nichts passieren." Rief ich über den Lärm. Doch er war nicht gerade überzeugt. Doch er drängte sich zu mir und rieb seinen Kopf an meinem Bein. Vor Erleichterung wäre ich beinahe zusammengeklappt. 
Der Hubschrauber sank weiter und bei etwa drei Metern sah ich wie die Tür sich öffnete und eine Schlinge herausgelassen wurde. Ich war hunderte Male in einen Helikopter eingestiegen und mindestens genau so oft wieder ausgestiegen. Doch ich war noch nie über eine Seilwinde in einen Helikopter gekommen. Und erst recht nicht mit einem 40 Kilo schweren Schäferhund in meinen Armen. Aber irgendwann war immer das erste Mal. Ich hoffte aber auch ziemlich, dass es mein letztes Mal sein würde. 
Mit einem letzten tiefen Atemzug griff ich nach der Schlinge und steckte meinen Arm hindurch. Ich legte den Gurt fest um meinen Körper und stellte sicher, dass ich nicht herausrutschen würde. Auch wenn der Sturz nicht allzu tief war, würde es doch mörderisch wehtun, sollte ich fallen. Dann als ich mir sicher war, dass ich mich genügend gesichert hatte, bückte ich mich ein bisschen und packte Rufus. Erschrocken wollte er wegspringen, doch ich legte ihn an meine Brust und drückte ihn an mich, wie ein Kind. Zuerst war er unruhig, doch beinahe sofort hielt er still. Keine Ahnung, ob er in Schockstarre verfiel oder einfach meine Nähe spürte. 
Der Druck wurde stärker und ich hielt die Luft an, als ich von meinen Beinen gehoben wurde. Ich hasste Helikopter. Ich hasste fliegen. Ich hasste alles, worüber ich absolut keine Kontrolle hatte. Nicht das es besonders viel im Leben generell gab, über das man wirkliche die Kontrolle hatte. 
Denn genau das war das Ding mit der Kontrolle. Auch wenn ich glaubte die Kontrolle zu haben, war das nur eine Illusion. Du konntest ein Auto fahren. Und du konntest vorsichtig sein. Aber wenn auch nur einem dem du begegnest, pennt, dann kann es dir das Leben kosten und das war außerhalb deiner Kontrolle. 
Oder wenn du an den einzigen Ort ziehst, wo noch weniger Leute vorbeikommen als auf dem Mond und glaubst du bist ganz alleine. Dann findet das Leben dich. Und verdammt Sky hatte mich gefunden. Dabei war ich mir ziemlich sicher, dass sie nicht mal gesucht hatte. 



Freezin' Soul ( Freezin' 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt