KAPITEL 16| Gabe

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Gabriel 'Gabe' Parker
Im Schneechaos, Alaska
29. Januar

Das Wetter war undurchdringbar. Unberechenbar. Eine Katastrophe. Manche Menschen waren froh, wenn sie mal einen Tag nicht das Haus verlassen mussten, doch ich drehte beinahe durch. Alles hier drin erinnerte mich an Sky. Und selbst die Dinge die sie nie in den Fingern gehalten hatte erinnerten mich daran. Nur wenn ich an Billy dachte, dachte ich nicht an Sky. Doch es war wie aus einer Hölle in eine andere zu fallen und ich konnte nichts dagegen tun.
Mein eigenes Mitleid nervte mich. Mein Gejammer brachte mich beinahe zum durchdrehen. Ich war nie jemand der jammerte. Ich war immer jemand der tat. Aktiv etwas tat. Genau aus diesem Grund hasste ich es auch, wenn ich nichts tun konnte. Ich war eingesperrt in einem Gefängnis das mir zu klein wurde. Ein Gefängnis das ich nicht selbst gewählt hatte.
Mein ganzes Leben war ich gefangen. Gefangen in meinen Gedanken, meinen Träumen, meinem Exil und meiner Erkenntnis, dass ich das einzige hatte gehen lassen, das gut war. 
Doch am schwersten wog die Erkenntnis das ich eine Entscheidung getroffen hatte, die, wenn ich konnte, sofort zurücknehmen würde. 
Rufus japste als das Funkgerät wieder ansprang. Doch es überraschte mich nicht, das wieder nur ein Rauschen zu hören war. Ich hatte die Reparatur der Antenne verschieben müssen. Vermutlich würde der neuerliche Schnee ihr nicht gerade gut tun und ich konnte, sobald der Schnee nachließ, von vorne anfangen. Doch immerhin hatte ich dann etwas zu tun. Ich würde alles dafür geben etwas zu tun zu haben. 
Etwas anderes als Bücher zu lesen, die ich tausend Mal, oder mehr, gelesen hatte. Selbst mit mir selbst Schach zu spielen war nicht wirklich befriedigend. Denn ich gewann jedes Mal. Die Spannung des Spiels fehlte. 
Ich machte mir etwas zu essen, doch es schmeckte eigentlich nur nach Pappe. Alles schmeckte nach Pappe. Ich ließ Rufus raus, doch nach keinen zehn Minuten war er wieder da und wollte rein. Das war wohl Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür schickte. 
Ich überlegte sogar kurz ins Schlafzimmer zu gehen. Zu gucken ob ihr Geruch noch in den Kissen hing. Doch stattdessen schloss ich nur die Tür. 
Dann ging ich zum Funkgerät. Setzte mich davor und versuchte die Frequenz zu ändern. Das Rauschen wurde leiser, dann wieder lauter. Einige Male glaubte ich sogar ein paar Worte auszumachen, doch wirklich etwas hören tat ich nicht. 
Es war frustrierend. 
Ich konnte es kaum abwarten, bis ich endlich wieder hinaus gehen konnte und die verdammte Antenne reparieren konnte. Selbst wenn ich am Ende nichts neues Erfuhr und mich niemand versuchte zu erreichen, wollte ich doch sicher sein. 
Vielleicht sollte ich sie aber nicht reparieren. Schrödingers Funkspruch. Noch konnte jeder auf der Welt mir alles sagen wollen. Doch wenn ich es erstmal wusste musste ich nehmen was eben kam. Ich musste es akzeptieren.
Doch jetzt gerade fiel mir nichts ein, was ich nicht hätte hören wollen. Ich hätte alles hören wollen. Am liebsten aber eine ganze bestimmte Stimme. Wie sie leise meinen Namen sagte. Wie sie mir sagte, dass sie mich liebte. Ich hatte nie etwas schöneres gehört. 
Langsam schloss ich die Lider. Stellte mir vor, wie sie aus dem Schlafzimmer kam und verschlafen zu mir blickte. "Kommst du ins Bett?" Ihre Stimme leise und heiser. Ich würde sie anlächeln und sie würde mir ihre Hand entgegenstrecken. "Bin sofort da." 
Und ich würde mich neben sie legen, mit meinen Fingern über ihre weiche Haut streichen, sie küssen und ihren Duft einatmen. Ich würde ihre Nähe in mich aufsaugen. Und wenn sie diesmal auf der Verandastand und mich küsste, würde ich die Tür hinter mir zuziehen und mit ihr gehen. Denn mir ihr konnte ich mich auch meinen Ängsten stellen. Denn ohne sie, suchten meine Dämonen mich auch heim. Diesmal würde ich nicht die falsche Entscheidung treffen. Ich würde mutiger sein und ich würde schlauer sein und ich würde verdammt nochmal aufhören mich in ein Leben einzusperren aus dem sie mich gerettet hatte. Ohne etwas zu tun. 
Und wenn ich schon dabei war, konnte ich aufhören die gleiche Unterhaltung mit mir selbst zu führen. Immer und immer wieder. Wann war ich eigentlich vom Macher zum Denker geworden? Selbst daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. 

Freezin' Soul ( Freezin' 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt