16|𝘼𝘼𝙍𝙊𝙉

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„𝐎𝐡𝐧𝐞 𝐬𝐢𝐞 𝐟𝐞𝐡𝐥𝐭 𝐮𝐧𝐬 𝐞𝐭𝐰𝐚𝐬.“

.~•♕︎•~.

Er hat mir tatsächlich seine Nummer dagelassen.

Ein Geschenk, das ungefähr so willkommen war, wie das, das ich heute Nacht auf Debbies Hauswand hinterlassen habe.

In einem mittelmäßigen Film würde das wohl als eine ich-weiß-wo-du-wohnst-Drohung durchgehen.

Ich habe allerdings keineswegs die Absicht, nachts bei Debbie einzusteigen und ihren Sammelband über die wichtigsten Werke des Impressionismus zu stehlen.

Impression – soleil levant von Monet kenne ich aus ihren Erzählungen schon besser als ich je wollte, und die Techniken, mit denen van Gogh gearbeitet oder eben nicht gearbeitet hat, hängen mir ebenso zum Hals raus wie die Analysen, die sie mit Louis bezüglich Kapitän Ahabs Charakter angestellt hat.

Ich gebe es zu: ohne sie fehlt uns etwas.

Wir wirken unvollständig, es gibt keinen Übergang zwischen Louis und Liz verhaltenem Widerspruch und meiner passiven Aggressivität.

Wenn sie aber jemanden braucht, der sie auf Knien um ihre Freundschaft anbettelt, ist sie bei mir an der falschen Adresse.
Oder vielmehr in der falschen Stadt.

In knappen drei Tagen findet dieser aufgetakelte Mist statt, und dank Mr. Rayon darf ich dort aufkreuzen, um zu verhindern, dass Louis sich vor der halben Schule blamiert und nie wieder aus der Bibliothek herauskommt.

Besonders spaßig wird die Komponente, dass ich nur über meine Leiche festliche Sachen tragen werde.
Ob sie mich in meiner Lederjacke überhaupt reinlassen, ist mir ein Rätsel.

Hoffentlich macht Mark den Einlass, da ist nämlich noch die ein oder andere Sache zwischen uns, die ich zu gern klären würde.

Und zwar auf eine Weise, die sowohl Liz als auch Louis missfallen wird.

Andererseits wird es den perfekten Auftakt für einen Abend darstellen, an den wir alle zweifellos noch lange denken werden.
Ob in positiver oder negativer Hinsicht kommt ganz auf den Betrachter an.

Ich frage mich, was die Anderen wohl gerade machen.

Vor meinem inneren Auge sehe ich Liz an ihrem Fenster sitzen, sehnsüchtig die sinkende Sonne beobachtend und auf die Nacht wartend.

Vielleicht kommen dann die Sterne, ihre wahren Freunde, hervor, die sie nicht verraten, sie allein lassen, obwohl sie so viel Besseres verdient.

Louis sitzt sicher an seinem mit Büchern beladenen Schreibtisch und versucht verzweifelt, sich die passenden Worte für seine Rede aus den Fingern zu saugen.

Worte, für die man ihn nicht auslachen wird.
Als würden die existieren.

Ich beschließe, ihm zu applaudieren.

Debbie.
Sie steht bestimmt vor dem Spiegel, denkt über ein zu ihrem Kleid passendes Make up nach und blickt dann und wann gedankenverloren in Richtung ihrer Wand.

Dort hängen die wenigen Fotos, die neben den riesigen Hochglanzplakaten ihrer Lieblingskunstwerke noch Platz hatten.

Sie selbst, lachend, in der Hand eine Dose billige Limonade.

Ich, wie ich ironisch so tue, als würde ich wegen meiner illegalen Graffito abgeführt werden.

Louis, zurück aus der Bibliothek, die Arme voller Bücher, von denen er denkt, sie könnten uns gefallen.

Liz, mit ausgestrecktem Arm auf den Nachthimmel weisend, nur schemenhaft erkennbar, da es dunkel ist.
Ihre Augen glänzen, während sie uns etwas über Sternbilder erzählt.

𝐋𝐨𝐬𝐞𝐫𝐤𝐫𝐨𝐧𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt