𝐋𝐨𝐬𝐞𝐫𝐤𝐫𝐨𝐧𝐞

05|𝙇𝙊𝙐𝙄𝙎

„𝐈𝐜𝐡 𝐦𝗼̈𝐜𝐡𝐭𝐞 𝐤𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐠𝐞𝐫𝐞𝐜𝐡𝐭𝐞 𝐑𝐚𝐜𝐡𝐞.“

.~•♕︎•~.

Vorsichtig fahre ich mit einem Finger über eine der Buchseiten.

Moby Dick liegt auf meinem Schoß, während ich gegen die Wand gelehnt auf dem Fußboden sitze.
Nicht die Ausgabe aus der Bibliothek, an der mir so viel liegt, sondern meine eigene.

Immerhin bin ich zuhause, wie so oft allein.

Wobei, mittlerweile gar nicht mehr so oft. Jedenfalls nicht so oft wie früher.

Ich stecke meine Nase zwischen die Buchseiten, sauge den beruhigenden Geruch ein, der es immer wieder schafft, mich an einfachere Orte zu entführen.

Nur heute gelingt es nicht so gut.

Ich habe die verschiedensten Bücher probiert, die abenteuerlichsten, die brutalsten, selbst die kitschigsten und letzten Endes noch einmal zu Moby Dick gegriffen, um mich abzulenken.

Doch sie alle weigerten sich, mich einzulassen, zeigten mir nichts als den Gesichtsausdruck, der sich heute in der Pause auf Debbies Gesicht abzeichnete.

Mary möchte sie zurück.

Sie merkt, was für eine Rolle Debbie für ihre eigene Beliebtheit gespielt hat, und sie möchte sie zurück.
Unsere Debbie.

Sie gehört nicht länger zu ihnen, versuche ich mir einzureden.

Ich rede es mir ein, obwohl ich es schon weiß, obwohl ich weiß, dass all der Selbstbetrug mir nichts nutzen wird, dass der Vorhang gefallen ist und ich allein auf der Bühne stehe.

Allein, verzweifelt nach einem anderen Ende verlangend, weil mir dieses hier rein gar nicht gefällt.

Weil mir die Umsetzung meines Lieblingsbuches nicht gefallen hat, weil der Regisseur einfach meine Lieblingscharaktere auseinandergerissen hat und das Alles so unfassbar unfair ist.

Denn Debbies Gesicht war nicht das einer treuen Freundin.

Es war das einer Figur, die kurz davor steht, den Protagonisten zu verraten.

Vielleicht, weil sie keine Wahl hat.

Vielleicht, weil sie eine Wahl hatte, und die falsche getroffen hat.

Das Endergebnis ist das gleiche, und ich kann nichts daran ändern.

Meine Hand verkrampft sich um das Buch, packt es fester, schleudert es gegen die Wand.

All die Wörter, die ich lese, all die Geschichten, die ich verschlungen habe; sie haben mir nicht gesagt, wie man einen Verrat verhindert.

Ich bin paralysiert, denn ich möchte keine gerechte Rache.
Ich möchte, dass nicht geschieht, für das Rache nötig sein könnte.