Kapitel 2

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Nachdem er ein paar Sekunden verschnauft hatte, und in diesem Zeitraum niemand die Tür geöffnet hatte, sprang auch diese, wie durch ein Wunder, wenige Augenblicke später von alleine auf. Ohne zu zögern trat er ein und holte tief Luft, um erneut nach seinem Freund zu rufen. Die Worte blieben ihm jedoch im Hals stecken, als er das Chaos im Raum wahrnahm.

Die Topfpflanzen, um die sich Crowley immer so fürsorglich kümmerte – zumindest empfand er es so – waren zum Teil umgeworfen worden und schienen noch mehr zu zittern als sonst. Es wirkte fast so, als ob hier ein Kampf getobt hätte. „Oh ... f....", entkam ihm fast ein Fluch, als er weiter eilte, um herauszufinden, was genau hier geschehen war. Schade, dass Pflanzen nicht sprechen konnten. Zumindest nicht wirklich. Mit einem kleinen Wunder würde es gewiss funktionieren, aber soweit würde er nur gehen, wenn es nötig wurde. Insgeheim plagte ihm die Angst, dass sie ihn aufspüren könnten, wenn er seine kleinen magischen Tricks anwandte. Früher hatte er schließlich oft genug Ärger dafür bekommen, wenn er selbst für Kleinigkeiten seine Wunder eingesetzt hatte.

Im Schlafzimmer, das für Crowley sein ein und alles war, obwohl keine ihrer beider Spezies wirklich Schlaf brauchte, war ebenso alles vollkommen durcheinander. Die seidenen Laken waren zerrissen und wiesen Brandflecken auf. Ob er gerade im Bett gelegen hatte, als der unerwartete Besuch eingetreten war? So wollte man wirklich nicht geweckt werden. Schlaf erschien ihm plötzlich sehr gefährlich. Man war allem ausgeliefert, weil man unaufmerksam wurde und die Augen geschlossen hielt. Was war daran nur so gut, dass der Rotschopf ständig davon schwärmte?

Auch hier kein Crowley, ebenso wenig wie in der Küche, die sehr unbenutzt aussah, und in jedem anderen Raum. Das Arbeitszimmer war nur halb so sehr verwüstet wie der Rest, auch wenn es ziemlich zugerichtet wirkte. Der Blonde rümpfte die Nase, weil der Geruch von Verbranntem plötzlich zu ihm herüber zog. Schnell war er beim Schreibtisch und wich auch gleich wieder etwas zurück. Ein paar Flammen loderten noch um einen großen Brandfleck herum. Daneben lag das alte Telefon, das Crowley besaß, der Hörer lag auf dem Boden, das Kabel durchtrennt, als ob man es dafür verwendet hatte, sich zu verteidigen.

Er schluckte und torkelte noch ein paar Schritte zurück. Höllenfeuer konnte Dämonen nichts anhaben, redete er sich ein. Immer wieder, wie ein Mantra. Aber was, wenn doch? Was, wenn sie einen Weg gefunden hatten, dass diese Dinge ihnen doch schaden konnten? Ob dieser Brandfleck ...? Bei diesem Gedanken wurde er blass und seine Kehle schnürte sich zu. Wenn er nicht an sein Handy ging, dann war gewiss etwas passiert. Seit es mobile Telekommunikationswege gab, war Crowley stets zu erreichen gewesen. Aber vielleicht war er auch entkommen? Er musste einfach. Es konnte nicht einfach so enden. Nicht so! Sie hatten 6.000 Jahre miteinander verbracht, und nun sollte es so vorbei sein? Crowley hatte immer gescherzt, dass Aziraphale wohl derjenige sein würde, der entkörpert wurde, wenn er sich an einem Crepe verschluckte. Sie hatten gelacht, weil es zwar möglich klang, aber unwirklich wirkte. Jetzt jedoch wirkte alles fürchterlich real, während er auf den Brandfleck blickte und die Erkenntnis auf ihn hereinbrach, dass dies wohl das Ende einer Ära sein könnte.

Er sackte auf dem Stuhl, der umgekippt war, und den er wieder aufgerichtet hatte, zusammen und vergrub seine Hände. Wozu war er selbstgeflohen, wenn er nun so etwas mitansehen musste? Die Flucht durch London hätte er sich sparen können. Dann wären seine Kleider nun nicht so verschwitzt, aber das war sein geringstes Problem. Sein Freund war weg. Tot. Jetzt erst verstand er, wie Crowley sich gefühlt hatte, als er selbst seinen Körper damals verloren hatte, bevor Adam ihm einen neuen gezaubert hatte. Aziraphale fühlte sich einsam. Alleingelassen. Er fühlte den Schmerz, den der mögliche Verlust hinterließ. Was würde Crowley nun tun? Vermutlich den besten Wein entkorken und auf das eigene Ende warten. Aber ob der Engel selbst auch so dramatisch auf sein Ableben warten würde?

Hard TimesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt