Kapitel 9

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Irgendetwas war tatsächlich seltsam. Das kalte Gefühl ging nicht weg, obwohl es im Haus angenehm warm sein sollte. Eine seltsame Kälte hatte sich hier eingenistet und schien sich nicht vertreiben zu lassen. Tatsächlich schien es von einem einzigen Ort auszugehen, zu dem sich Aziraphale magisch angezogen fühlte. Automatisch steuerte er darauf zu und fühlte sich plötzlich, als würde er durch Wasser laufen. Irgendetwas stimmte nicht. Er nahm eine vertraute Aura wahr aber sie fühlte sich seltsam an, als ob etwas von ihr fehlte, als ob sie immer weniger wurde.

Der Engel betrat das Wohnzimmer der jungen Hexe, ignorierte Newt Pulsifer der sich darin befand und über einen Tisch gebeugt stand, der mit Büchern beladen war, und schritt auf das Sofa zu, das all diese seltsamen Dinge auszustrahlen schien. Er fühlte sich leer, während er nun die Couch umrundete, vor ihr zu stehen kam und hinab sah. „Crowley ...", murmelte er fast tonlos und sah auf seinen besten Freund, der regungslos in eine Decke gehüllt darauf lag, sichtlich gezeichnet von einem Kampf.

Seine Knie wurden weich und gaben nach. Newt war neben ihn getreten und versuchte ihn zu stützen, doch er verlangsamte den Kniefall nur. „Was ...?" Eigentlich wollte der Engel wissen, was passiert war, doch er brachte es nicht über seine Lippen. Wollte er es wirklich wissen? Irgendwie hatte in ihm ja doch noch die Hoffnung gekeimt, dass Crowley unversehrt irgendwo herumlungerte und ihn mit einem flotten Spruch begrüßen würde. Nach all dem Chaos an diesem Tag, hätte er seinen Ärger dann an dem Dämon entladen und sie wären am Ende ins Ritz gegangen, um zu essen und sich einen Plan auszudenken, um weitere Angriffe abzuwenden. Ja, damit hatte er gerechnet. Mit dem, was er hier sah, allerdings nicht.

Vorsichtig streckte er seine Hand aus, um Crowleys Wange zu berühren, doch er hielt inne, und ließ sie wieder sinken. Es wirkte unnatürlich, wie der Rothaarige auf dem Sofa lag. Seine Sonnenbrille, die normalerweise auf seiner Nase saß, lag kaputt auf dem Couchtisch neben ihnen. Sein Gesicht war eben so zerkratzt wie das von Aziraphale nach dessen Absturz, aber diese Blessuren konnten wohl kaum für seinen Zustand verantwortlich sein, nur der Ruß in seinem Gesicht ließ auf gewisse Dinge schließen, die der Blonde allerdings ignorieren wollte.

Anathema war dem Engel langsam ins Wohnzimmer gefolgt und machte sich durch einen Seufzer bemerkbar, während Newt zurück zu den Büchern kehrte, und weiter in ihnen blätterte. „Was ... passiert?", fragte Aziraphale abgehakt und versuchte sich wieder zu fangen. Er hat sich noch nie so leer gefühlt wie in diesem Moment.

Die Hexe gesellte sich zu den beiden nicht-menschlichen Wesen und nahm einen Lappen aus einer Schüssel, die ebenso auf dem Couchtisch stand, und machte da weiter, wo sie zuvor unterbrochen wurde und tupfte die Rußflecken aus Crowleys Gesicht. „Nun ... Agnes hat wohl gewusst, dass ich das zweite Buch verbrennen würde, denn heute Morgen wurde eine Zweitausgabe geliefert, gemeinsam mit einer Warnung", eröffnete sie ihm und biss sich kurz auf die Unterlippe, ihr Gesichtsausdruck sah ziemlich schuldig aus, aber Aziraphale achtete nicht darauf. Stattdessen nahm er ihr den Lappen aus der Hand und machte sich daran, seinen Freund selbst zu säubern. Sein Gesicht fühlte sich glühend heiß an, und doch war fast jede Farbe aus den Wangen gewichen. Währenddessen fuhr Anathema fort. „Ich habe sofort Crowley angerufen, weil die Warnung euch betraf, aber es war wohl zu spät. Wir haben keine zwei Minuten miteinander gesprochen, da wurde er schon angegriffen und die Verbindung brach ab. Und dann ... dann läutete plötzlich das alte Telefon und Crowley fiel heraus."

Aziraphale erfuhr, dass die erste Zeit alles in Ordnung schien, und Crowley verzweifelt wirkte, weil er sein Handy verloren hatte und sich Sorgen um den Engel machte. Er erklärte ihnen wirr, was gerade vor sich gegangen war, berichtete von zwei Angreifern und einem seltsamen Feuer, ehe er plötzlich zusammen sackte und seither in diesem Zustand war. „Einmal scheint er fürchterlich Fieber zu haben und dann zittert er doch wieder und ist eiskalt. Wir versuchen noch herauszufinden, was ihn verletzt hat", erklärte Newt und sah kurz von den Büchern auf. Eigentlich waren sie ratlos, aber das konnten sie dem gerade Angekommenen wohl nicht sagen, da er ohnehin schon verstört wirkte. Wer konnte es ihm auch verübeln? Es hätte ihn genauso treffen können.

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