Kapitel 29

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Obwohl Anathema, Newt, Shadwell und Madame Tracy sich sofort auf den Weg gemacht hatten, nachdem sie bemerkten, dass die anderen drei auf und davon waren, kamen sie viel zu spät am Ort des Geschehens an. Sie konnten erkennen, wie eine Rauchwolke gen Himmel aufstieg und Aziraphale hochgezogen wurde. „Wir sind zu spät", murmelte Newt fassungslos. Doch Shadwell drängelte sich an ihm vorbei und zielte mit seiner Donnerbüchse direkt auf den Rachengel, der das Schwert gehoben hatte, um nun auch den anderen Verräter zu töten.

Der Schuss löste sich sehr laut, traf Gabriels Arm und sorgte dafür, dass er das Schwert fallen ließ. Das laute Geräusch und der laute Fluch, den der Getroffene ausstieß, erschreckte alle umstehenden, sodass mehrere Dinge auf einmal passierten. Dog war aus seiner Ohnmacht erwacht und hatte sich erneut in Hasturs Bein verbissen, der erschrocken Adam losließ. Ebenso gelang es Warlock sich aus den Fängen es Dämons zu entreißen und ihm das Messer zu entwenden. So etwas hatte er in einem seiner Videospiele gesehen und er wollte es schon immer mal ausprobieren, auch wenn ihm durchaus bewusst war, dass das hier die Realität war, so verquer sie auch schien.

Auch Beelzebub hatte Aziraphale losgelassen, der zu Boden gegangen war, weil seine Knie sich immer noch ziemlich weich anfühlten. Vor ihm lag das Schwert auf dem Boden, die Flammen immer noch lodernd, als würden sie nur darauf warten, erneut jemanden töten zu können. Crowley. Es hätte nichts Fürchterlicheres passieren können, als das! Wozu hatte er so viel auf sich genommen, um seinen Freund zu finden und zu retten, wenn dieser sich dann einfach so opferte? Daran erkannte man, was für ein schlechter Dämon Crowley wirklich war. Keiner dieser Brut hätte sich jemals für einen anderen ins Feuer geworfen! Es war alles so unfair.

„Ihr dämlichen Menschen!", grollte Gabriel, der seinen blutenden Arm hielt, und sich langsam davon erholte, angeschossen worden zu sein. Die Wunden rauchten unnatürlich, sodass man nicht sagen konnte, woran genau dieser Umstand lag und was passierte. Doch der ehemalige Erzengel ignorierte den Umstand einfach. „Ihr seid die nächsten, das verspreche ich euch!" Mit diesen Worten griff er nach dem Schwert, welches allerdings nicht mehr vor ihm lag. Verwirrt sah sich der Racheengel um, und entdeckte es in den Händen von Aziraphale, der sich wieder auf seine Beine gekämpft hatte. „Komm schon. Gib es mir. Du schaffst es ja doch nicht, irgendetwas zu tun. Dafür hast du nicht den Mumm, hattest du nie!", erinnerte er den Blondschopf, „du bist zu weich!"

Damit mochte Gabriel nicht gerade unrecht haben. Ja, es stimmte, Aziraphale war weich. Er war das, was sich Menschen eigentlich unter Engeln vorstellte, während Gabriel und die andren das komplette Gegenteil darstellten. Wieso das so war, hatte er nie verstanden, aber auch nicht hinterfragt, weil er in dieser Hinsicht genau wie die anderen war. Man stellte einfach keine Fragen. Gott hatte einfach für alles einen Plan und den hinterfragte man nicht, und wenn doch, dann fiel man, wie in Crowleys Fall. Aber Crowley war auch kein richtiger Dämon gewesen. Ihm fehlte diese Kaltherzigkeit, die die meisten an den Tag legten. Sie beide hatten nie wirklich irgendwo hingepasst, daher hatte es Aziraphale am Ende doch recht gut gefallen, als sein Freund erklärte, sie würden auf ihrer eigenen Seite stehen. Doch auf welcher Seite war er nun, da er alleine war?

„Sag mir, Gabriel. War es Gottes Wunsch, dass du uns vernichtest, und die Apokalypse doch noch stattfindet?", wollte er noch wissen, ehe er entschied, wie er weiter machen sollte. Das flammende Schwert in seinen Armen zitterte leicht, ebenso wie sein ganzer Körper. Diese Waffe war schwerer als seine eigene, das konnte er spüren, aber sie war auch mächtiger.

Gabriel schnaubte. Er hatte keine Lust auf diese Kinderspielchen. „Nicht direkt. Aber wer weiß schon, was ihre Pläne und Wünsche sind? Ich befolge einfach Befehle."

„Aber ... Gott hat dir nicht direkt befohlen, das hier zu tun, oder?", hakte Aziraphale nach.

„Muss sie das denn? Es ist gewiss Teil des großen Plans!", brüllte Gabriel laut und ungehalten, weil er keine Lust mehr auf sinnlose Diskussionen hatte. Aus diesem Grund preschte er nach vorne, um das Schwert wieder an sich zu reißen, doch der Engel des Osttores wich geschickt aus.

Nun wirkte der Engel des Garten Edens ziemlich kalt. Gabriel hatte auf eigene Faust gehandelt, was dazu geführt hatte, dass er zum Racheengel geworden war. Es war also nie Gottes oder des Teufels Plan gewesen, sie beide jagen und auslöschen zu lassen. Alles war nur Gabriels Idee gewesen, weil er nicht damit zurechtkam, dass Armageddon abgesagt worden war. Der Umstand, dass dies zu Crowleys Tod geführt hatte, machte Aziraphale ebenso sehr wütend. Also hieb er, noch während er Gabriels Angriff auswich, einfach nach dem ehemaligen Erzengel und erwischte einen seiner Flügel, der zischend abfiel und zu Asche zerfiel.

Ein lauter schmerzerfüllter Schrei entwich Gabriels Kehle, während er zu Boden sank und nach seiner rechten Schulter griff, aus der kein Flügel mehr ragte, sondern es nur noch qualmte. „Wie kannst du es wagen...?", knurrte er, doch Aziraphale wandte sich ihm mit eiserner Miene und kaltem Blick zu, was ihn verstummen ließ. Diese Mordlust, die ihm entgegen schlug, war ungewöhnlich. Gabriel sah sich nach Hilfe von seinen Leuten um, doch die hatten allesamt bereits die Flucht ergriffen, nachdem Shadwell auf Gabriel geschossen hatte. „Aziraphale, warte ...", versuchte er den anderen Engel aufzuhalten, „wir sind gar nicht so verschieden, du und ich!"

Natürlich ließ das den anderen in seiner Bewegung innehalten. „Wir sind nicht gleich, Gabriel. Das waren wir nie. Ich habe zwar immer versucht, es dir recht zu machen, aber ich bin ganz bestimmt nicht wie du ... du verstehst es nicht, was es bedeutet unter den Menschen zu leben und sie zu respektieren. Die Apokalypse würde das alles zerstören! Und wieso das alles? Du und Sandalphon seid gefallen, nur um etwas nachzulaufen, das so töricht ist. Du bist grausam, Gabriel und ich bin es nicht!", erklärte Aziraphale in einem ruhigen Ton, der ihn allerdings ziemlich kalt wirken ließ. Er sah ziemlich bedrohlich aus, mit Blut verschmiert und mit dem Flammenschwert in der Hand. Tatsächlich hatte er auch vorgehabt, Gabriel damit ebenso zu töten, wie der Racheengel damit Crowley getötet hatte. Aber dann wäre er nicht besser als er und es würde seinen Freund auch nicht zurück bringen, sondern nur ihn zum Dämon.

„Dann bringst du es nicht einmal zu Ende? Du bist ein Narr!", erklärte Gabriel zornig und war zurück auf seinen Beinen, und startete erneut den Versuch, Aziraphale das Schwert abzunehmen, um ihn damit zu töten.

Diesmal gelang es Aziraphale nicht so schnell, dem anderen auszuweichen, sodass er sich zu Boden reißen ließ, wo die beiden begannen, um das Schwert zu rangeln. Immer wenn einer es schaffte, die Oberhand zu gewinnen, gelang es dem anderen, das Blatt zu wenden. Die andere Anwesenden konnten nur zusehen und hoffen. Nicht einmal Adam wagte es, einzugreifen, aus Sorge, er könnte den Falschen erwischen.

Ein harter Schlag traf Aziraphale im Gesicht und es wurde kurz Schwarz vor seinen Augen. Damit schaffte es Gabriel die Oberhand zu gewinnen, sodass er wieder zum Herrn über das Schwert wurde, dass er sich schnell ergriff. Da er über dem Engel kniete und diesen somit in den Dreck drückte, ließ er das Schwert direkt über dessen Herz baumeln. „Beenden wir endlich das Trauerspiel ein für alle mal!"

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