Kapitel 82

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Skylar P.O.V

Nicht sicher, ob ich schon dafür bereit bin meinen Bruder nach fast zehn Jahren wiederzusehen, stehe ich auf und sehe in die selbe Richtung, wie Bruce.

Dort steht ein großer schmaler Junge mit honigblonden Haaren, strahlend blauen Augen, dreckigem Gesicht und leicht verdreckter Kleidung. Ich brauche keine Millisekunde, um zu wissen, dass er Sam ist. Mein Bruder.

Tränen sammeln sich in meinen Augen. Mein Bruder lebt. Ich habe ihn nicht verloren. Er ist nur nicht in meiner Nähe gewesen.

Irritiert sieht Sam mich an, ehe er sich Bruce zuwendet. „Hast du's schon fertig," fragt er und tritt näher. Dabei verschränkt er die Arme vor der Brust und lehnt sich gegen einen der Tische. Im Augenwinkel nehme ich ein Nicken von Bruce wahr, welcher verschwindet.

Sam und ich mustern uns gegenseitig und ich vermute eine Ähnlichkeit zwischen uns erkennen zu können. Er zieht die Augenbrauen hoch und runzelt seine Stirn. „Bist du neu hier," fragt Sam und atmet erschöpft aus. „Hab dich bisher noch nie hier gesehen."
Perplex starre ich ihn an.

„Ja," beantworte ich bedacht auf seine Frage. Langsam nickt er und stößt sich von der Tischkante ab, als Bruce zurück kommt. Wieder zeigt er, durch ein Lächeln, seine gelben Zähne. „Hier, hab dir sogar nh Bonus gegeben," lacht Bruce bekifft auf und zieht nochmal kräftig an seinem Joint. Sam nimmt den schwarzen Rucksack entgegen und überreicht Bruce einen Umschlag.

Als Sam seine Lippen zu einem Grinsen formt, wendet er sich zum Gehen um. „Zeig der Kleinen mal die Stadt," meint Bruce hastig und schiebt mich zur Tür. „Ich muss noch ein paar geschäftliche Angelegenheit klären. Dabei kann ich keine kleine Nervensäge gebrauchen!" Lachend schubst er mich zu Sam. Dieser scheint darüber neutral zu sein und schultert den Rucksack beim Öffnen der Tür.

Mit großen Schritten geht Sam ein kleines Stück vor raus. Lange herrscht ein Schweigen zwischen uns. Ich bin ahnungslos, wie ich ihm beibringen soll, er sei mein Bruder. „Sam?"
Seinen Namen zu sagen fühlt sich ungewöhnlich an. Vor allem, da ich ihn direkt anspreche.
Er dreht seinen Kopf zu mir und sieht mich an. „Wo gehen wir hin," frage ich ihn mit einem unsicheren Unterton in der Stimme. „Ich muss das hier zuerst wegbringen. Aber danach, keine Ahnung."

Wir verfallen in ein nachdenkliches Schweigen. So viele Fragen bilden sich in meinem Kopf. Nach einiger Zeit halte ich es nicht mehr aus, sodass ich ihn fragen muss: „Bist du hier aufgewachsen?"
Abschätzend mustert er mich fraglich. „So halb. Bin mit meinem Dad vor ein paar Jahren hier her gekommen," sagt er misstrauisch.

„Und deine Mum," hake ich nach und hoffe nicht zu aufdringlich zu wirken. Samuel zuckt die Schultern, während er auf eine Feuerleiter an einem großen Haus zugeht. Es sieht alt und beinahe schon einsturzgefährdet aus. „Sie ist nicht hier." Er beschleunigt seine Schritte kaum merklich und beginnt die Leiter hochzuklettern. „Du wartest hier, kapiert?! Ich hab keine Lust auf Komplikationen," murrt Sam und klettert die Leiter hoch, als hätte er noch nie etwas anderes gemacht.

Ungeduldig warte ich.
Nervös kaue ich auf meiner Lippe und spiele an meinem Reißverschluss. Wieso dauert das so lange? Ich weiß, es ist dämlich, aber ich muss einfach nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Immerhin ist er mein Bruder.

Also klettere ich, wie auch Sam von einigen Minuten, die Feuerleiter hoch. Hoffentlich ist ihr nichts passiert...

Gefangen in London (tbs ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt