Kapitel 93

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Sam sitzt die ganze Zeit auf der Couch und scheint in eine Art Trance verfallen zu sein. Er sitzt einfach dort und scheint nicht einmal zu blinzeln, während Thomas und ich Frühstück machen. Ich hab ihm zwar einen Teller hingestellt, jedoch hat er diesem keinen Blick gewürdigt.

Thomas meinte, dass wir schon mal anfangen sollten hier aufzuräumen und unsere Sachen zusammenzusuchen. So, wie ich ihn kenne, hat er das nur gesagt, damit ich nicht die Nerven verliere. Und dafür bin ich ihm dankbar.

„Alles gut," frage ich Thomas, als ich seine Abwesenheit bemerke. Er dreht seinen Kopf zu mir und mustert mich. „Ja, keine Sorge." Aufmunternd lächelt er mich an, bevor er weiterhin verzweifelt versucht seinen Pulli einigermaßen ordentlich zu falten.

Schmunzelnd stelle ich mich neben ihn und sehe ihm schweigend dabei zu. Nach wenigen Sekunden atmet er hörbar genervt aus und schmeißt den Pulli aufs Bett. Um mir ein Lachen zu verkneifen, beiße ich mir auf die Unterlippe.

Ich beuge mich zu dem Pulli und nehme ihn in meine Hände. Dabei spüre ich Thomas Blick auf mir. Auch als ich ihn simpel und ordentlich zusammenfalte, lässt er mich nicht aus den Augen. Grinsend sehe ich ihn an. „Das hätte ich auch selbst hinbekommen. Irgendwann." Übertrieben nicke ich und stütze mich an seiner Schulter ab, um ihn einen Kuss auf die Wange zu geben.

„Bestimmt," witzle ich und verlasse das Zimmer.

„Ich komme mit."
Mein Bruder steht mit seinem Rucksack in der Hand vor mir, als ich das Wohnzimmer betrete. Erleichtert schmunzle ich. Zuerst will ich ihn umarmen, doch ich stoppe mich und nicke bloß.

„Wir gehen morgen früh um halb fünf, damit wir dann früh fliegen können."
Gleichgültig nickt Sam und geht zum Fenster. „Wo gehst du hin," frage ich und gehe ihm nach.

„Ich muss noch was erledigen. Bin rechtzeitig wieder da." Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, verschwindet er.

Mit offenem Mund stehe ich fassungslos da. Was muss er bitte jetzt noch erledigen? Und was, wenn er nicht rechtzeitig wieder da ist. Ich kann ihn nicht hier zurücklassen. Vielleicht ist ihm dann etwas zugestoßen.

Erschreckend zucke ich stark zusammen, als sich jemand um meine Taille schlingt. Augenblicklich lässt Thomas wieder von mir ab und dreht mich zu ihm. „Was ist passiert? Hab ich was falsch gemacht?" Die Besorgnis in seinen Augen lässt mich Schuldgefühle entwickeln. „Nein, ich war nur sehr in meine Gedanken vertieft. Ich hab dich gar nicht kommen gehört," sage ich entschuldigend zu ihm. Verständlich nickt er. Dann sieht er sich um. „Wo ist der Zwerg hin?"

Ahnungslos zucke ich mit den Schultern. Irritiert mustert Thomas mein Gesicht. „Was soll das heißen? Ist er einfach so weggegangen? Wir müssen ihn suchen gehen," beunruhigt sieht er nach draußen. „Er meinte, er muss noch etwas erledigen, aber er ist rechtzeitig wieder hier, wenn wir losgehen. Damit er mitkommen kann."

Verblüfft dreht Thomas seinen Kopf zu mir um. „Und du hast ihn einfach gehen lassen?"
Unsicher nicke ich langsam. Er verdreht die Augen und sieht wieder nach Draußen. „Denkst du im Ernst, dass er wiederkommt?" Verärgert sieht er mich an. Hörbar atmet er aus. „Tut mir leid," murmelt er. Schuldbewusst sieht er mich an. „Nein, du hast doch Recht. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht gerade sehr hoch, dass er wiederkommt. Aber ich werde trotzdem auf ihn warten."

Tief atmet er durch und nimmt mich in den Arm. „Tut mir leid, dass ich immer direkt so ausraste. Ich musste mich noch nie so bemühen alles irgendwie richtig zu machen."

Fest drücke ich ihn an mich. „Ich weiß, Tommy. Wir beide," erwidere ich und bekomme dafür einen liebevollen Kuss auf den Ansatz. „Wir warten, bis er wieder zurückkommt, okay?"
Dankend nicke ich bloß und schließe meine Augen.

Gefangen in London (tbs ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt