Kapitel 76

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Das warme Wasser prasselt angenehm auf meine Haut und lässt meine Muskeln entspannen. Ich wasche meine Haare und bleibe anschließend noch wenige Minuten unter der Dusche stehen. Meine Gedanken kreisen um Rick, meinen Dad, Sam und Thomas. Ob Rick mich hierfür hassen wird? Oder ob er mir noch vertrauen kann, wenn ich zurück bin? Wer weiß, vielleicht sollte ich hierbleiben. Einen kompletten Neuanfang wagen und ... leben.

Vielleicht brauche ich das, um endlich wieder atmen zu können. Um ruhige Nächte zu erhalten und meinen inneren Frieden zu finden. Natürlich habe ich nicht die leiseste Ahnung, ob ich hier das finden kann, wonach ich mich sehe. Was mir die anhaltenden Schuldgefühle abnehmen könnte...

Ich wage es noch nicht einmal, darüber zu nachzudenken. Wie soll ich es also Thomas erklären? Tief in mir weiß ich sicher, dass er mich verstehen wird, wenn der den wahren Grund kennt. So gut kenne ich ihn bereits. Allerdings weiß ich auch, dass sobald er von der Herangehensweise erfährt, wieder zögern wird. Klar ist er besorgt, aber er sagte auch, dass ich entscheide. Und das ist meine Entscheidung. Schließlich zwinge ich ihn nicht, hier zu bleiben und mir zu helfen. Darum habe ich ihn auch nicht gebeten.

Und doch ist er hier.

Ganz offensichtlich will er das auch. Nur weiß ich nicht, ob er das macht, um aus seinem eigenem Leben herauszukommen oder weil ihm etwas an mir liegt. Ja, da waren Momente, in denen ich sehr deutlich gespürt habe, dass ich ihm etwas bedeute. Dennoch kenne ich ihn kaum. Geschweige denn von seiner Vergangenheit. Vielleicht ist er nur von seinem eintönigem Leben gelangweilt und hat dies als eine Art Fluchtweg gesehen.

Dumpf klopft es.
„Jones? Alles klar, da drin?", höre ich seine gedämpfte Stimme. Automatisch nicke ich. „Äh, ja alles gut", sage ich, als ich bemerke, dass er mich schließlich nicht sehen kann. Zügig drehe ich das Wasser ab und trockne meinen Körper ab, bevor ich mich in ein Handtuch einwickele. Ich wische mit meiner Hand über den vom Dampf weiß gefärbten Spiegel. Nach einem erschöpftem Seufzer bürste ich mein Haar, mit der dort liegenden Haarbürste. Anschließend stopfe ich meine Kleidung in die Waschmaschine.

Tief atme ich durch und öffne die Tür vom Badezimmer.
Thomas sitzt grübelnd auf dem Bett und scheint über etwas tiefgründiges nachzudenken, denn er bemerkt mich nicht, als ich in das Zimmer eintrete. „Soll ich deine Sachen mit waschen?", räuspere ich mich und halte, aus welchem Grund auch immer, mein Handtuch fest an mich gedrückt. So vor ihm zu stehen ist mir irgendwie unangenehm. Kaum merklich zuckt er zusammen und sieht mich an. Als müsse er zuerst realisieren, dass ich ins Zimmer getreten bin, schluckt er schwer und lässt seinen Blick über mich gleiten.

Verlegen und beschämt verkrampfe ich mich und weiche einen winzigen Schritt zurück.
„Was?" Seine dunkeln Augen sehen schnell wieder auf den Boden. Thomas steht auf und tretet unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Ich wasche jetzt meine Klamotten. Willst du, dass ich deine mit wasche?", wiederhole ich unsicher meine Frage. Er kratzt sich am Hinterkopf und nickt. „Achso, ja klar. Danke."

Seine Blick geht wieder auf mich. Eine Weile sehen wir uns bloß gegenseitig in die Augen.
„Ich hole mir nur eben ein Shirt von Rick, dann kannst du mir gleich deine Sachen geben." Meine Stimme klingt heiser. Mit zügigen Schritten durchquere ich das Zimmer bis zum Wandschrank und nehme mir ein schwarzes Shirt. Thomas sieht mich vielsagend an, als ich ich umdrehe. „Ich ähm- Ich nehm mir ein Kissen und lege mich ins Wohnzimmer. Du kannst hier schlafen", stammelt er und verlässt das Zimmer.

Ich öffne meinen Rucksack und nehme meine Ersatzunterwäsche heraus. Die Zeit hatte mich gelehrt immer Ersatzklamotten dabeizuhaben. Schnell ziehe ich mich um und gehe ins Bad, um unsere Wäsche in die Waschmaschine zu stopfen. Glücklicherweise muss ich diese nicht trennen, sondern kann sie zusammen waschen.

Leise gehe ich ins Wohnzimmer, das mit der Küche verbunden ist. Thomas versucht es sich auf der Couch so gemütlich, wie möglich zu machen und hat die überflüssigen Kissen am anderen Ende der Couch aufeinander gestapelt. „Du musst da nicht schlafen", sage ich und setzte mich auf einen Hocker, der in der Küche steht. „Passt schon."

„Was ist los mit dir?", frage ich ihn leicht drängend. Schwer schluckt er, während er sich durch seine Haare fährt. „Nichts ... ich bin nur müde, alles gut." Thomas versucht mich nicht anzusehen und konzentriert sich auf ein Kissen, indem er so tut, als würde er es richten. „Wieso glaube ich dir das nicht?", bohre ich weiter.

Nervös leckt er sich über seine Lippen und atmet hörbar aus. Dennoch schweigt er. Irgendetwas scheint ihn zu bedrücken. Ich gehe zur Couch und setzte mich dicht neben ihn. Wieder schluckt er schwer, als er versucht ruhig zu atmen. „Was hast du Thomas? Du machst mir Angst." Mit einem Blick voller Emotionen sieht er mich an.

Stumm schüttelt er bloß den Kopf.
„Ich kann nicht", sagt er.

Gefangen in London (tbs ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt