Aus dem Schloss verbannt

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Erholsam war die Nacht aber keinesfalls. Mitten in der Nacht wurde er durch einen leisen Schrei geweckt. Verschlafen rieb Rafael sich über die Augen und richtete sich auf, eine Hand auf dem Bett abgestützt. Er nahm ein schluchzen im Raum wahr. Zudem spürte er, dass sich jemand unruhig neben ihm hin und her wälzte. Rafael griff zu der kleinen Kommode und holte ein Streichholz hervor, um eine Kerze anzuzünden. Sie spendete nur ein klein wenig Licht, aber es reichte um zu sehen, was mit Tobi los war. Er schien einen Albtraum zu haben. Sein Körper war ganz verschwitzt, die Haare zerzaust. Rafael legte eine Hand auf die Schulter des kleineren und rüttelte sanft an ihm, bis der Junge mit rasendem Atem hoch schreckte und sah sich panisch nach allen Seiten umsah. „ Sch alles gut, du hast nur geträumt kleiner. Beruhig dich. Willst du kuscheln?", versuchte er den kleineren zu beruhigen und hob zeitgleich seine Decke an. Leicht nickend rutschte Tobi zu ihm unter die Decke und legte den Kopf an seine Brust. Er legte die Decke mit um den kleineren, zog ihn dann etwas mehr an sich. Rafael konnte sein schnell schlagendes Herz deutlich hören. Behutsam legte er einen Arm um den kleineren. Dieser schien sich langsam aber sicher wieder zu beruhigen. „ Magst du mir sagen was du geträumt hast?", fragte Rafael ruhig nach, während er dem kleineren über den Rücken strich. Sofort erhielt er ein Kopfschütteln, merkte aber wie er sich etwas an ihn drückte. Wahrscheinlich hatte es etwas mit seiner Familie zu tun und da brauchte er noch ein bisschen, um drüber reden zu können. Das war einfach ein sehr schweres Thema für ihn. „ Mach die Augen zu und versuch ein bisschen zu schlafen. Ich beschütz dich vor allem." Er merkte, wie der kleinere genau das tat. Sein Atem wurde immer ruhiger, bis Rafael sicher war, dass der kleinere eingeschlafen war. Ihn weiterhin im Arm haltend schloss auch er die Augen und glitt in einen traumlosen Schlaf. Viel blieb ihm von der erholsamen Nacht jedoch nicht mehr, da es bald schon kurz nach fünf war. Somit musste er sich zehn Minuten später aus dem Bett quälen. Total verschlafen rieb er sich über die Augen und richtete sich auf. Tobi schien noch tief und fest neben ihm zu schlafen, vor allem aber ruhig. Er griff Tobi unter die Arme hob ihn mitsamt der Decke hoch und legte ihn zu seinen Geschwistern. Sofort kuschelte er sich an seine Schwester. Seine Zofe würde heute bei ihnen sein, bis ihm einfiel wie er das regeln wollte. Irgendwo mussten die drei schlafen, sein Vater durfte Tobi nicht sehen, sie mussten sich noch irgendwie frei im Schloss bewegen können. Das die drei nicht arbeiteten war kein Problem. Die Kinder ihrer Mitarbeiter sprangen auch im Schloss herum, bis sie achtzehn waren und einen Beruf ergriffen. Meist den ihrer Eltern, oder selten einen ganz anderen. Die beiden Geschwister waren auch nicht das Problem. Eher Tobi. Sein Vater würde sie diesmal beide auspeitschen lassen und Tobi dann vom Schloss verbannen. Vielleicht sogar aus dem Land. Eine weitere Strafe würde er schon aushalten, egal wie schlimm. Nur war das große Probleme, dass er das Tobi nicht antun wollte und konnte. Solche Strafen hinterließen Narben. Narben die einen immer an das erinnerten, was geschehen war Tag ein Tag aus. Und das prägte einen. Tobi sollte nicht noch mehr schaden davon tragen. Sein Leben hatte sich schon in seine persönliche Hölle verwandelt. Langsam mussten mal ein paar positive Sachen kommen. Still und leise schlich er auf Zehenspitzen ins Bad und zog sich dort um. Er spritzte sich noch etwas Wasser ins Gesicht, bevor er leise durch den Raum zur Tür schlich. Gerade als er aufschloss und die Klinke runter drücken wollte, hörte er jemanden leise seinen Namen murmeln. Sofort drehte er sich um. Aus dem Geschwister Knäul erhob sich jemand und tapste auf ihn zu. Rafael ging schnell zu ihm und nahm ihn in den Arm. „ Brauchst du was?", flüsterte Rafael leise in den braunen Schopf. Zwar erhielt er keine Antwort, aber der jüngere klammerte fester an ihm. Als ob Rafael bei ihm bleiben sollte. Niedlich war es ja schon irgendwo, aber wenn er im Büro seines Vaters mit Tobi auftauchte, konnte er sich gleich erhängen. „ Lass mich nicht alleine.", kam es erstickt von Tobi. Ganz vorsichtig drückte er ihn von sich weg und küsste ihn auf die Stirn. Für ihn war Tobi schon nicht mehr wie ein Fremder, sondern ein kleiner Bruder. Daher ging er auch so zärtlich mit ihm um. Er gab anderen die Liebe wieder, die er selbst nie bekommen hatte. „ Ich geh doch nicht weg. Leg dich noch ein wenig hin, mach was mit deinen Geschwistern. Heute Abend wenn mein Vater mich aus seinen Fängen lässt komm ich wieder zu euch ok? Du bist nicht alleine. Es wird alles wieder gut. Glaub mir, wenn ich dich mitnehme kriegen wir beide mächtig Ärger.", murmelte Rafael ruhig mit einem leichten seufzen. Er spürte, wie Tobi kurz davor war zu weinen und sein Körper leicht anfing zu beben. „ Tobi nicht.", versuchte er den kleineren zu beruhigen. Doch er hörte, dass es zu spät war. Bei Tobi kullerten bereits die Tränen. Beruhigend strich er ihm über den Rücken, drückte Küsse auf seinen Schopf. Leicht wog er Tobi in seinen Armen hin und her. Zumindest bei Rafael selbst half das immer. Doch auch Tobi schien es gut zu tun. „ Kleiner deine Geschwister sind doch für dich da.", fing Rafael an. Er wusste einfach nicht, was er sagen konnte, um den kleineren zu beruhigen. Doch Worte waren dafür nicht nötig, wie Tobi ihm zeigte. „ Ich fühl mich aber bei dir unglaublich wohl. Bitte ich will bei dir sein. Ich hab es lange nicht mehr erlebt, dass sich jemand so viel Zeit für mich nimmt." Gut dann würde er sich gleich seinem Vater stellen. Dann gab er hoffentlich endlich Ruhe. Irgendwann würde es so oder so rauskommen. Dann besser so, wenn er drauf vorbereitet war. Er nahm den kleineren hoch, der sich dankend an ihm klammerte. Er schloss die Tür auf und trat auf dem Gang. Die wenigen Nachtwachen standen noch auf dem Gang, drehten sich aber sofort zu ihm. „ Prinz wer ist das? Soll man sich um den Jungen kümmern?", wollte eine Wache sofort besorgt wissen. Rafael zwang sich ruhig zu bleiben. Wie oft musste er dem Personal sagen, dass er etwas sagen würde, wenn er Hilfe brauchte. Er wollte nicht von vorne bis hinten bedient werden. Noch war er kein König sondern lediglich Prinz und selbst dann war es immer noch nicht ok, alle für einen arbeiten zu lassen. Wenn er alt und gebrechlich war brauchte er das vielleicht, aber doch nicht jetzt, wo er so viel selbst machen konnte. „ Danke nein, dass werde ich selbst tun. Könnten sie meine Zofe bitte in mein Zimmer schicken. Sie soll sich um meine Gäste kümmern.", lächelte Rafael. Eine der Wachen fragte nicht nach, sondern machte sich auf den Weg nach unten, während der Rest verdattert daneben stand. Gekonnt ignorierte Rafael dies und ging mit Tobi im Arm zum Arbeitszimmer seines Vaters. Davor ließ er Tobi runter und schaute ihm in die Augen. „ Sag bitte einfach erstmal kein Wort und bleib hinter mir. Ich weiß noch nicht, was ich machen will, damit mein Vater dich in Ruhe lässt." Von Tobi kam ein nicken, daher nahm er ihn noch mal kurz in den Arm. Es tat ihm gut und das merkte Rafael. Als er sich löste, atmete er noch mal tief durch, ehe er anklopfte. Die Tür wurde ihm sofort geöffnet und er trat nach drinnen. Sein Vater saß bereits dort, in irgendwelche wichtigen Papiere vertieft. „ Du bist zu spät Rafael.", sagte sein Vater ausdruckslos, ohne von seinen Unterlagen aufzusehen. Es war so typisch sein Vater. Rafael nahm seinen ganzen Mut zusammen und räusperte sich, um die Aufmerksamkeit seines Vaters bei sich zu wissen. Dieser sah endlich von seinen Unterlagen auf. Zirka eine halbe Sekunde dauerte es, dann verhärtete sich sein Blick und er presste wütend die Lippen aufeinander. Die Hände auf den Tisch gestützt erhob er sich. Augenblicklich zog er Tobi hinter sich, um ihn in Schutz zu nehmen. Das konnte ja was werden. Sicher konnte er die nächsten Tage vor Schmerz kaum laufen. „ Rafael was soll das? Was macht dieser Junge hier? Ist das dein Ernst. Muss man dich mal richtig auspeitschen, damit du wieder zur Vernunft kommst? Wachen schaffen sie den Jungen aus meinem Schloss!", rief sein Vater wütend. Während seines Vortags hatte sich sein Gesicht dunkel rot gefärbt. Die zwei Wachen an der Tür kamen bereits auf sie zu. Rafael musste handeln. Jetzt. Und das beste was ihm einfiel war seinen Vater gegen sich selbst auszuspielen. „ Nein. Du hast gesagt, er soll seine Schulden abbezahlen. Tobi wird ab sofort als Zofe für mich arbeiten." Er merkte, wie Tobi große Augen bekam. Natürlich er hatte gesagt, Tobi müsse nicht arbeiten und jetzt zwang er ihn praktisch dazu. Einen kurzen Moment streiften sich ihre Blicke und Rafael schüttelte kaum merklich den Kopf. Was er gesagt hatte, meinte er nicht so, wie es rüberkommen musste. Nur so war sicher, dass sein Vater nicht an Tobi ran kam. Über seine Zofen hatte nur der Gewalt, dem sie dienten. Das galt auch für Strafen. Somit konnte sein Vater nur ihm schaden und das würde er nicht so oft tun. Wenn er kaum laufend in der Öffentlichkeit auftauchte, würden die Leute Fragen stellen und das letzte was sein Vater wollte war, dass aufflog, dass er Rafael schlug. Den das würde seinem guten Ruf schaden. Rafael sah, wie sein Vater mit sich selbst rang. Schließlich stapfte sein Vater wütend an ihm vorbei und knallte die Tür zu. Damit hatte Rafael endgültig gewonnen. Sofort wandte er sich an Tobi, der ihn immer noch verletzt ansah. „ Du musst nicht arbeiten keine Sorge. Du kannst bei mir bleiben wenn du willst, musst ab und zu mal ne Kleinigkeit machen und kannst ansonsten im Schloss mit deinen Geschwistern und anderen Kinder toben. Ich hab das nur sagen müssen, damit mein Vater dir nichts antun kann. Meinen Zofen hat er nämlich nichts zu sagen." Tobis Miene hellte sich auf und er fiel ihm um den Hals. Damit war das schon mal geregelt. Jetzt würde es einfacher werden.

Venation OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt