Nachhilfe 3

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Der folgende Dienstag war mit einer der angenehmsten Schultage meiner gesamten Laufbahn. Nicht! Wir sind gestern Nachmittag beide nicht aufgetaucht, sondern waren zu viert in der Stadt ein Eis essen. Also mit Stegi und Tim. Frau Stephan fand das allerdings nicht so toll und war deswegen heute ziemlich gereizt. Keine fünf Minuten auf dem Schulgelände und schon stand sie mit mehr als nur wütendem Gesicht vor mir. Man sah ihr an, dass sie vor Wut gleich explodieren würde. Zum Glück standen Stegi und auch Rafael hinter mir. Alleine wäre mir dabei dann doch ziemlich unwohl gewesen. „ Mitkommen alle beide, sie haben ein Gespräch beim Schulleiter gewonnen und jetzt Abmarsch." Genervt verdrehte ich nur die Augen und sagte Stegi, dass wir uns in der Pause treffen würden. Dann trottete ich ihr hinterher, genauso wie Rafael. Jener neigte sich plötzlich ziemlich dicht zu mir. Mir gingen tausend Sachen durch den Kopf, was er vorhaben könnte. Von einem unerwarteten Kuss, über eine Kitzelattake bis hin zu einer Tracht Prügel war alles dabei. Natürlich vollkommen banale Sachen. Mein Hirn kam natürlich nicht so schnell auf die Idee, dass er nur reden wollen könnte. „ Denkst du, wir kriegen Ärger?", flüsterte er mir zu. Ich war ein wenig überrascht, dass er das fragte. Es war doch eigentlich klar, dass wenn überhaupt nur ich den bekommen würde und selbst das glaubte ich nicht. Deshalb schüttelte ich nur mit dem Kopf. Nachdem Frau Stephan geklopft hatte, wurden wir direkt herein gebeten und setzten uns auf die beiden Stühle, die vor dem Schreibtisch standen, als wir dazu aufgefordert wurden. Ich merkte, dass Rafael zunehmend nervös wurde und legte ihm deshalb beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel. Er sah mir in die Augen und ich konnte darin ein wenig Angst ausmachen. Niedlich. Ich fragte mich nur, woher diese Angst kam. Er hatte doch nichts falsch gemacht. Um ihm trotzdem etwas Mut zu machen, lächelte ich ihm nur aufmunternd zu. „ Warum haben Sie mir diese beiden Herren hergeschickt?", fragte der Schulleiter in ruhigem Ton. Dieser war ziemlich korrekt und er kannte mich auch- nicht das ich schon mal Probleme gemacht hätte-, daher machte ich mir keine Gedanken, dass er uns bestrafen würde. Was könnte er uns den auch vorwerfen? Höchstens mir, dass ich nicht zum Nachsitzen gekommen bin. „ Also folgende Ausgangssituation. Rafael ist neu und benötigt Hilfe in Chemie. Tobias ist einer meiner besten Schüler in Chemie, deswegen hab ich ihn gebeten, ihm Nachhilfe zu geben." Dazu gezwungen wohl eher, murmelte ich in Gedanken. Ich hatte nicht mal ne Wahl, aber ok. Ich konnte später auch noch was dazu sagen. Hoffentlich unterstütze Rafael dann meine Behauptung und fällt mir nicht in den Rücken. „ Es war dann auch alles geklärt und am Freitag sollte er dann eine Dreiviertel Stunden Nachhilfe geben. Testweise. Nach fünfzehn Minuten, ist er mit der billigen Ausrede Kopfschmerzen abgehauen. Daraufhin hab ich ihn am Montag zu nachsitzen verdonnert, damit er da die restliche Zeit nachholen kann. Und beide sind nicht erschienen." Abgesehen von der billigen Ausrede erzählte sie wenigstens diesmal die Wahrheit. Auch wenn ich äußerst ungern das Wort gegen meine Lehrerin erhob, das würde ich nicht auf mir sitzen lassen. Doch bevor ich sich nur den Mund aufmachen konnte, viel Rafael mir ins Wort. „ Tobias wurde erstens dazu gezwungen und zweitens hatte er wirklich Kopfschmerzen. Und gestern waren wir beide aus Protest nicht da. Wir wollten das sowieso privat regeln.", erklärte Rafael. Süß dass er mich verteidigen wollte. Ich hätte ihm ehrlich zugetraut, dass er mir nicht glaubt und mich dumm dastehen lässt. „ Stimmt das den?", wollte der Schulleiter wissen. Ich nickte nur knapp. Sollte er doch bei mir daheim anrufen, meine Eltern konnten das mit den Kopfschmerzen super bestätigen. Zwar nicht für den Tag, aber allgemein. Hoffentlich reichte das, damit man mir glaubte. „ Damit steht Aussage gegen Aussage. Ich werde bei deinen Eltern anrufen und nachfragen, ob das mit den Kopfschmerzen stimmt, wenn das für dich ok ist." Ich nickte wieder nur und nannte ihm noch schnell die Telefonnummern meiner Mutter, damit er nicht suchen musste. Er griff nach dem Hörer und wählte die Nummer. Es dauerte keine zehn Sekunden, da war sie anscheinend dran. „ Guten Tag, Meyer hier, Schulleiter des Svg. Ich hätte da eine Frage bezüglich ihres Sohnes.", fing er in sachlichem Plauderton an. Meine Mutter musste sich jetzt auch sonst was denken. Bis jetzt hatte ich noch nie was verbrochen und sei es Schule schwänzen. Ich hatte einfach zu viele, Angst vor den Konsequenzen und es lohnte sich halt eh null. „ Keine sorge nichts all zu schlimmes. Es geht um Nachhilfe, bei der er angeblich abgehauen ist. Wissen sie, ob ihr Sohn am letzten Freitag mit Kopfschmerzen von der Schule heimgekommen ist?", fragte er dann. Den fragenden Gesichtsausdruck meiner Mutter konnte ich praktisch geistig vor mir sehen. Ich und Nachhilfe, das passte einfach nicht zu mir. „ Er hat häufiger so starke Kopfschmerzen?", kam es verwundert von Herr Meyer. Was hab ich gesagt. Meine Mutter unterstützt meine Behauptung und naja auch Rafaels. „ Ok verstehe. Danke für ihre Hilfe. Auf Wiedersehen." Damit legte er auf und wand sich dann wieder uns zu. Sein Gesicht zierte ein leichtes, aber freundliches Lächeln. „ Sie können gehen, ich werde den Rest mit Frau Stephan klären. Es wird keine Konsequenz für euch geben." War doch klar, dass nichts passieren wird. Ich stand auf, was Rafael mir gleich tat und verließ den Raum. „ Danke dass du zu mir gehalten hast. Ich hab gedacht, du würdest mir nicht glauben.", bedankte ich mich mehr oder weniger bei ihm. Wenn er sich auch gegen mich gestellt hätte, wäre das wohl ganz anders ausgegangen. Ich konnte mich ja mit der Nachhilfe bei ihm revanchieren. So bereitwillig, wie er lernen wollte, dürfte es nicht lange dauern, bis er das alles einigermaßen verstanden hat. „ Am Freitag hab ich das tatsächlich nicht wirklich, aber als ich am Samstag gesehen hab, wie du dich quälst, wurde mir bewusst, dass du nicht gelogen hast. Sehen wir uns dann nachher in Mathe?", fragte er, was mich zum kichern brachte. Wir wussten beide, dass ich nirgendwo anders sein würde. „ Klar, bis später. Ich muss noch mal kurz zu Stegi."

Venation OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt