Nachhilfe

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P.O.V.   Tobi
„ So ich bitte um Ruhe. Das ist euer neuer Mitschüler. Stell dich doch kurz vor.", meinte unsere Deutschlehrerin zu dem Jungen neben sich. Gelangweilt wand ich meinen Blick auf den Zeichenblock auf meinem Tisch und fing an irgendwelche Sachen darauf zu kritzeln. Dem neuen hörte ich nur mit halbem Ohr zu. „ Ja also ich bin Rafael und erst vor kurzem nach Deutschland gezogen. Eigentlich komm ich aus Österreich. Ich werde versuchen möglichst hochdeutsch zu reden, aber der leichte Dialekt wird bleiben. Außerdem bin ich extrem schlecht in Chemie. Wäre also nett, wenn mir da jemand unter die Arme greifen könnte." Alle im Raum begannen zu lachen, selbst unsere Lehrerin. Nur ich gab keinen Laut von mir. „ Keine Sorge, unser Kursbester in Chemie wird dir sicher helfen. Du und Tobias können das sicher nach der Stunde gleich klären." Bei meinem Namen zuckte ich zusammen und sah erschrocken nach vorne. Das konnte sie mir nicht antun. Zumal sie nicht mal gefragt hatte, ob ich das will. Denn das wollte ich nicht. Und zwar sogar nicht. Deswegen rief ich auch einfach rein, was ich normal nie tat. „ Ich werde keine Nachhilfe geben. Ich hab erstens keine Zeit und zweitens keine Lust.", kam es leise und mit viel zu piepsiger Stimme von mir. Wunderte mich, dass man mich vorne überhaupt verstand. Während alle Blicke meiner Mitschüler mich erstaunt anschauten, sah meine Lehrerin mich nur mahnend an. „ Nach der Stunde bleiben Sie noch hier. Und Rafael, Sie können dem Gespräch gerne beiwohnen. Und jetzt setzen Sie sich bitte, damit ich den Unterricht weiterführen kann." Ich sah mich im Klassenzimmer um. Es gab zwei freie Plätze. Einer neben mir und der andere neben Finn. Leider steuerte er nicht den neben Finn an, sondern den neben mir. Ich warf ihm einen versucht finsteren Blick zu und deutete ihm, sich dort drüben hin zu setzen. Doch mein Wunsch wurde mir nicht erfüllt und er ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen. Ich seufzte kaum hörbar auf und rutschte weiter weg von ihm. Meine Lehrerin fing an, einen Aufschrieb an die Tafel zu kritzeln, der im entferntesten etwas mit dem Buch zu tun hatte, welches wir gerade lesen. Da ich meine Präsentation dieses Jahr über das Genre gehalten habe, hab ich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und als Buch das genommen, was wir so oder so lesen hätten müssen. So musste ich kein zweites dieser schrecklichen Bücher lesen. Missmutig fing ich an, das Gekritzel zu entziffern und ab zu schreiben. Zumindest wollte ich das. Denn ich wurde davon abgehalten. „ Fändest du es wirklich so schlimm, mir Nachhilfe zu geben?", kam es von dem Jungen rechts von mir. Seinen Namen hatte ich schon wieder vergessen. Ich beschloss ihn einfach zu ignorieren und mich auf den Aufschrieb zu konzentrieren. Wenn er merkte, dass ich kein Interesse an einem Gespräch hatte, würde er mich sicher in Ruhe lassen. So musste ich nicht mit ihm reden. Hatte ich mir zumindest so gedacht. „ Kannst du mir wenigstens ne Antwort geben?" Einfach ignorieren, dann hört er auf. Wiederholte ich in Gedanken immer und immer wieder. Man merk doch bitte, dass ich schüchtern bin. „ Ok ich hab verstanden, dass du keinen Bock hast, mir Nachhilfe zu geben. Aber das kannst du mir auch freundlich sagen. Du musst mich nicht so behandeln, als würdest du mich gleich umbringen." Langsam platzt mir echt der Kragen. Normal würde ich keinen meiner Mitschüler so anfahren, dazu war ich zu schüchtern. Doch bei ihm konnte ich gerade nicht anders. „ Gut erkannt Sherlock, ich hab keinen Bock auf Nachhilfe. Und jetzt lass mich bitte in Ruhe.", zischte ich ihm genervt zu und hasste mich selbst für das deutliche Zittern in meiner Stimme. „ Tobias möchten sie der Klasse nicht mitteilen, was Sie gerade mit ihrem Sitznachbarn besprochen haben? Es war doch sicher etwas, was uns eine neue Erkenntnis verschaffen kann." Ich sah kurz zur Tafel. Danke dafür, dass sie die Frage aufgeschrieben hatte. „ Ich gehe davon aus, dass sie auf die psychische Disposition des Protagonisten hinaus wollen. Seine Stimmung schwankt immer zwischen manischen Phasen und den depressiven. Seine depressiven Phasen und die Sehnsucht und der Liebeskummer zur Protagonistin treiben ihn schließlich in den Selbstmord.", gab ich nach kurzem überlegen von mir. Meine Stimme war immer noch ziemlich leise und zitterte leicht. Meine Lehrerin gab sich damit zum Glück zufrieden und ließ mich die restliche Stunde in Ruhe. Dafür hatte ich noch ein anderes Problem direkt neben mir. „ Wenn du mir schon keine Nachhilfe geben willst, kannst du mich dann wenigstens in dein Buch mit reinschauen lassen?", fragte er, als es darum ging eine Textstelle noch einmal zu lesen und irgendwas daraus zu interpretieren. Wortlos zog ich mein Buch aus meiner Tasche und legte es ihm hin. Anfangs hielt er es noch in der Mitte, damit ich auch was hätte sehen können, er merkte dann aber ziemlich schnell, dass ich nicht mit rein sah und zog es zu sich.

Venation OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt