Kapitel 22 - Versuchung

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„Ich werde mit dir gehen.“
Diese Worte hallten wieder und wieder in Ahsokas Kopf.
Sie wollte dieser Vision nicht nachgeben, doch war es eine bittersüße Versuchung, der sie nicht widerstehen konnte.
Also sank sie tiefer in diesen Traum, nur für einen kurzen Moment, wie sie sich vornahm.

Anakin hielt sie an den Schultern.
Gemeinsam standen sie nun auf der Treppe des Jedi-Tempels und wieder war sie zehn Jahre jünger.
„Anakin, ich … du darfst dem Orden nicht den Rücken kehren. Das ist meine Entscheidung, mein Weg“, sagte sie entsetzt zu ihm.
Sie konnte nicht zulassen, dass er das alles ihretwegen aufs Spiel setzte.
„Und es ist auch meine Entscheidung“, antwortete Anakin. „Dass der Rat dir nicht vertraute, war der letzte Beweis, den ich brauchte, um zu sehen, dass der Orden der Jedi scheitert.“

Ahsoka sah noch immer ungläubig in sein Gesicht.
„Ich will den Weg von nun an mit dir gehen. Nur mit dir.“
Ihr Herz machte einen Satz. Sie wusste, dass sie ihm wichtig war, aber diese Offenheit hatte sie nicht erwartet.
„Du wirst mich nicht davon abbringen können, Snips“, ergänzte er lächelnd, als er sah, wie sie zu einer Antwort ansetzte.
Sie wollte ihn erneut umarmen, aber etwas in ihr sträubte sich dagegen.

Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich wieder geborgen, als wäre etwas, von dem sie vorher nicht wusste, endlich wieder an der richtigen Stelle.
Ahsoka spürte die wohlige Wärme, welche die untergehende Sonne in ihrem Rücken und Anakin vor ihr ausstrahlten.
Und dennoch wusste sie, dass es falsch war. Sowohl dem Gefühl nachzugeben, als auch der ganzen Situation.
Es war surreal. Nicht so, wie es war. Aber irgendwie auch, wie es sein sollte.
Sie sah nur noch, wie Anakin ihre Hand nahm und mit ihr die Stufen des Tempels herunterging.

-

Ahsoka öffnete die Augen und war wieder in der Realität angekommen.
Noch immer befand sie sich im Schiff und dem Hyperraum. Doch sie fühlte sich schon etwas besser, wesentlich besser sogar.
"Wieder unter den Lebenden?", fragte Denzo von der Seite.
Er saß neben ihr und stützte sein Gesicht mit seinen Händen.
Ein leichtes Lächeln huschte über Ahsokas Gesicht.
"Ich schätze es", antwortete sie mit dünner Stimme. "Wie lange …"
"Einen halben Tag", erwiderte Denzo sofort und legte eine Hand prüfend auf die Stirn von Ahsoka. "Wir sind nicht mehr weit von Ylo entfernt."

"Wie geht es deinen Leuten?", wollte die Togruta wissen.
"Die meisten sind unversehrt. Es sind schon vor unserer Ankunft viele gestorben, aber die, welche wir retten konnten, sind in guter Verfassung", erzählte Denzo.
Innerlich atmete Ahsoka aus. So hatte sich ihre Mission zumindest etwas gelohnt.
Auch, wenn sie diese dunkle Präsenz partout nicht loslassen wollte.

Dann erinnerte sie sich wieder an die Geschehnisse auf Mustafar.
"Denzo", begann sie zweifelnd, was dieser bemerkte.
Er drehte sich auf seinem Sitz zu ihr.
"Was du da gemacht hast, war … überraschend. Wie waren deine Gefühle dabei?", fragte Ahsoka.
Denzo sah konzentriert zu Boden. "Ehrlich gesagt, ich habe wenig dabei gefühlt. Sie haben meine Leute und dich angegriffen. Irgendetwas in mir hatte diese Wut, so sehr du das auch nicht hören magst."

Mit einem sorgenvollen Blick betrachtete Ahsoka den Jungen.
Es ging ihr nicht nur um Mustafar, sondern auch die Vorfälle auf Tatooine.
Das alles beschäftigte sie seit ihrem Aufbruch. Dieser Mann musste ausgebildet werden, aber sie rang die ganze Zeit mit sich, wer das machen konnte.
Ob sie sogar in der Lage dazu war.
"Ich schätze, ab und zu ist es nicht möglich, sich vollends zu kontrollieren", erklärte Ahsoka nach einer Weile.
Dann wandte sie sich wieder eindringlich an Denzo. "Ich bin überrascht, wie schnell deine Fähigkeiten zuletzt gewachsen sind. Aber du musst deine Gefühle unter Kontrolle bekommen."

Denzo nickte verständnisvoll, schwieg aber.
"Obi-Wan wird sicher im Laufe der Zeit seine Probleme mit dir bekommen", begann die Togruta erneut.
Ihre Gesichtszüge waren hart, so als ob sie Denzo tadeln wollte.
Dieser sackte trotz des Hochgefühls wenige Momente zuvor immer weiter in sich zusammen.
In diesem Moment traf Ahsoka ihre Entscheidung. Zu sehr erinnerte er sie an ihre erste Zeit, an Christophsis, an ... Anakin.
"Aber vielleicht kann ich dir etwas beibringen."
Ruckartig schoss Denzos Blick wieder zu Ahsoka.

Da waren so viel Gefühle in seinen Augen.
Dankbarkeit, Demut, Hoffnung ... und noch etwas anderes. Doch das wollte Ahsoka nicht weiter deuten.
Bevor sie sich einen Moment zu lange ansahen, drehte sich Ahsoka zur Seite.
"Ich weiß, dass du Obi-Wan kontaktiert hast", sagte sie kurz darauf.
Überrascht weiteten sich Denzos Augen. "Wie ... das hast du mit der Macht gespürt?"
Er versuchte es gar nicht, zu leugnen. Ahsoka hätte es sowieso sofort gefühlt.

"Nein, Denzo ... der Holotransmitter ist noch immer auf seine Frequenz eingestellt", antwortete sie ernst.
Es dauerte eine Weile, bis Denzo verstand.
Sein Gesicht schien sehr komisch ausgesehen zu haben, denn Ahsoka musste auf einmal laut lachen.
Und das wiederum brachte Denzo schließlich zum Lachen.
Es war nur ein kurzer Moment des Friedens und dennoch reichte dieser aus, um die Stimmung wieder aufzuhellen.
Als sich beide beruhigt hatten, wurde Ahsoka wieder ernster.
"Du hast das gut gemacht, Denzo. Die Rebellion braucht Leute wie dich."

Dankbar sah Denzo zu ihr.
"Ich tue mein Bestes, um zu helfen. Schön, wenn es anerkannt wird", antwortete er freundlich.
Sie redeten noch eine Weile, bis sie sich auf den Anflug auf Ylo vorbereiten mussten.
"Schau' noch einmal hinten nach, ob jeder gesichert ist", bat Ahsoka Denzo, welcher darafhin aufstand.
Er ging jedoch noch nicht zur Tür, sondern legte Ahsoka eine Hand auf ihre Schulter.
"Kommst du klar?", fragte er fürsorglich.
"Ich denke, ich habe das Gröbste überstanden", grinste sie zurück.

Als Denzo den Raum verließ, fasste sie sich noch einmal vorsichtig an die Hüfte.
Diese schmerzte noch immer, aber es war nichts, was sie von allem Weiteren abhalten konnte.
Sie war schlimmeres gewohnt. Also biss sie die Zähne zusammen und steuerte den Planeten an.
Der Rauch des Feuers vor ein paar Tagen hatte sich noch immer nicht verzogen und hüllte den Wald und die Ebene darum in einen dichten Nebelvorhang.
Es wirkte bedrohlich, aber Ahsoka war überzeugt, dass die Flüchtlinge auch hier eine Lösung finden würden.

Sie landeten im benachbarten Wald und sahen wenig später Ahsokas Jäger neben sich aufkommen.
Obi-Wan stieg aus und begrüßte die beiden herzlich. Sein Blick wanderte von Denzo zu Ahsoka, welche sofort wusste, dass er ihren Schmerz spürte.
Sie konnte ihm nichts vormachen, also versuchte sie es auch gar nicht erst und stellte sich so entspannt hin wie es ihr möglich war.
"Ich sehe, ihr beide hattet Erfolg", meinte Obi-Wan freundlich, als er sah, wie die Flüchtlinge den Transporter verließen und ihre Hälse teilweise ungläubig in den Himmel streckten.
Es war, als konnten sie nicht glauben, wieder frei zu sein.
"Danke, Obi-Wan", erwiderte Ahsoka mit brüchiger Stimme. "Aber Ihr hättet nicht extra kommen müssen."

Der Jedi schaute zu Denzo und beide lachten innerlich darüber, dass sie Ahsoka richtig eingeschätzt hatten.
Sie wollte keine Hilfe, weil sie keine Last sein wollte.
"Wir sollten den Leuten helfen", sprach Obi-Wan mit Blick auf die Flüchtlinge schließlich, und gemeinsam machten sie sich daran, zusammen mit den Befreiten aus den wenigen Sachen, welche sie noch finden konnten, ein neues Lager zu errichten.

_

Auf der abgewandten Seite des Planeten registrierte der Inquisitor, dass seine Ziele wieder eingetroffen waren.
Phase Eins des Plans war somit erfolgreich, nun war die nächste Stufe an der Reihe.
Die Jedi mussten sterben, und er hatte schon den perfekten Plan dafür.
Alleine gegen drei Gegner antreten konnte er nicht, aber er wusste, wie er das Feld ausdünnen konnte.
Er brauchte nur den passenden Anlass dafür. Doch dieser wurde ihm schon bald geliefert.
"Captain?", sagte er in den Comlink. "Anflug auf Ylo einleiten."

Dangerous Past - A Star Wars Fulcrum Story Part 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt