Kapitel 14

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Noch immer wie gelähmt folgte ich George nach draußen durch die Hintertüre. Dort zündete er sich erneut eine Zigarette an, während ich mich sofort übergeben musste.
Jede Sekunde, die verging, spielte sich das dort unten Geschehene erneut in meinem Kopf ab. Wie konnte George so ruhig bleiben? Es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, dass sein Vater vor wenigen Minuten jemanden vor unseren Augen ermordet hatte.

Nach dem ich fertig mit dem übergeben war, richtete ich mich auf und schaute zu George.

,,Warum hast du mich mitgenommen?'' fragte ich ihn. Er schaute mich an und zog an seiner Zigarette.

,,Du wolltest mich besser kennenlernen und etwas mit mir zu tun haben'' fing er an zu reden.

,,Also habe ich dir gezeigt, wie ein Alltag bei mir aussieht. Das war aber bei weitem noch nicht alles und anhand deiner Reaktion sehe ich, dass dieses Leben nichts für dich ist und ich somit auch nicht'' fuhr er fort.

Fassungslos starrte ich ihn an.

,,Hast...hast du auch schon einmal jemanden...'' versuchte ich ihn zu fragen, doch brachte die Frage nicht vollkommen heraus.

,,Das Leben genommen?'' fuhr er für mich fort, ich nickte.

,,Ich glaube, dass du diese Antwort nicht hören möchtest'' sagte er daraufhin. Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle. Hatte George ebenfalls schon Mord begannen? Hatte er mit dieser Aussage nicht indirekt ja gesagt?

,,Vielleicht hätte ich dich vorwarnen sollen aber ich hoffe, dass es dir jetzt wenigstens die Augen geöffnet hat'' kam es von ihm.

So vieles ging mir durch den Kopf, dass ich nicht einmal mehr wusste, was genau.
Hätte ich nicht nun eigentlich zur Polizei gehen müssen? Ich habe schließlich gerade eben mitbekommen, wie jemand ermordet wurde.
Mir fiel wieder ein, was George's Vater zu mir gesagt hatte.

,,Wenn du darüber ein Wort verlierst, endest du genauso wie er''

Ich schluckte und starrte in George's Gesicht. Ihm schien ebenfalls etwas durch den Kopf zu gehen. Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, doch ich merkte es.

,,Wie schaffst du das?'' fragte ich ihn.

,,Was meinst du?''

,,So zu tun, als wäre vorhin überhaupt nichts passiert...'' murmelte ich.

Er fuhr sich durch die Haare und schaute mich an.
,,Das ist mein Leben, Clay. Das war es schon immer'' sagte er. Die Art, wie er meinen Namen aussprach, bereitete mir eine Gänsehaut.

Ich wusste nicht, ob ich weiter mit dem, was ich auch immer tat, machen sollte oder aufgeben. Aufgeben, mich ihm zu nähern. Aufgeben, herauszufinden, ob seine Familie mit der Erpressung meiner Familie etwas zu tun hatte - einfach alles.
Das wäre vielleicht das Beste und schlauste gewesen aber ich war eben nicht der Schlauste. Ich handelte nie nach meinem Verstand, sondern nach meinem Gefühl.
Und mein Gefühl sagte mir, dass ich bei ihm bleiben wollte. Jetzt, wo er mich endlich an sich ran ließ.

,,Ich verstehe es, wenn du mich, wie alle anderen für ein Monster jetzt hältst. Das bin ich auch aber - '' fing er an zu reden, doch ich unterbrach ihn.

,,Tu ich nicht''

Er schaute mich für einen Moment verwundert an und fuhr dann fort.

,,Du darfst niemanden erzählen, was du heute gesehen hast. Wenn du das tust, kann ich dir nicht mehr helfen und du wirst wie der Typ dort unten enden''
Ich nickte ihm zu.

Mir fiel erst jetzt auf, dass ich hier etwas mit einer Verbrecherbande am laufen hatte - quasi schon dazu gehörte. War ich nun auch Kriminell, obwohl ich nichts mit all dem, was sie taten zu tun hatte? So gesehen schon, denn ich war Mittäter, da ich auch den Mord nicht meldete.

Würde ich den Mord aber melden, würde es George doch auch betreffen? Was würde mit ihm passieren? Müsste er ins Gefängnis?
Ich wollte nicht, dass ihm etwas derartiges passierte.

,,Soll ich dich nach hause bringen?'' fragte er mich und riss mich somit aus meinen Gedanken.

Nach hause? Zu meinen reichen Eltern, mit dem riesigem Haus?

,,Nein. Ich wollte sowieso noch wo hin aber danke'' entgegnete ich ihm. Er musterte mich kurz aber nickte.

,,Dann sehen wir uns morgen'' sagte er und verschwand ins Gebäude.

Er war zwar bereits weg, dennoch murmelte ich:
,,Bis morgen...''

Ich konnte jetzt nicht einfach nach hause. Nicht, nach dem ich bei einem Mord dabei war. Ich brauchte Ablenkung. Jemand, der mich auf andere Gedanken brachte. So machte ich mich auf den Weg zu Jeremy. 

,,Na Kumpel'' rief er, als ich seinen kleinen Laden betrat.

,,Hey'' entgegnete ich ihm und lehnte mich gegen den Tresen.

,,Alles gut? Scheinst ein wenig besorgt'' sagte er.

Ich erzählte ihm eigentlich alles. Doch von dieser Sache konnte und durfte ich ihm einfach nicht erzählen. Es würde ihn selbst vermutlich auch noch in Gefahr bringen.

,,Ärger mit einem Mädchen vom College? Das kenne ich aus meinen Zeiten auch noch besonders gut'' scherzte er.
Das Wort Mädchen traf es überhaupt nicht, denn ich dachte sofort an George. Ich hatte mich nie zu Typen hingezogen gefühlt, bis ich ihn traf. Er war der einzige, der mich jemals auf irgendeine Art und Weise anzog.

Sein Leben war grauenvoll, dass gab ich zu. Wir lebten völlig verschiedene Leben, dennoch hatte ich das Gefühl, dass wir mehr gemeinsam hatten, als man sich erahnen könnte.
Während ich eigentlich ein relativ gutes Leben lebte, lebte er eins, in dem er von ständiger Gewalt umgeben war.

Wie hielt er das aus? Wie schaffte er es, so stark mit all dem umzugehen?
Ja, er sagte, dass dies sein Leben wäre und auch schon immer war aber wie meine Mutter eins sagte: ,,Das ist doch kein Leben''


,,But mama I'm in love with a criminal'' 🤠






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