Die modular aufgebaute Station lag ruhig im unendlichen Vakuum des Universums. Fernab des Pluto, dem nächstgelegenen bewohnten Planeten. Die Aufgabe der Station war es, neue Möglichkeiten zu finden, allen Wesen in der bekannten Galaxie, Linderung bei ihren Problemen zu verschaffen. Die medizinische Station war eine Kooperation der Menschen und der Alienrasse, der Antianer. Auch wenn die Sichtweisen der Beiden nicht unterschiedlicher sein könnten, die antianische Regierung will Wehrmedizin fördern, die Menschen dagegen lieber allgemeine.
Im Inneren der Station marschierte Admiral Vladimir Kalenkov die metallischen Flure hinunter. Als Direktor der gesamten Station muss er sich manchmal selbst um die wichtigsten Fälle kümmern, so auch um die Patientin im Aufwachsektion Neun. An der Tür angekommen, grüßte er die menschlichen Wachen und schritt dann in den spärlich beleuchteten Vorraum ein.
„Guten Tag Sir. Versuch bereit. Armcomputer besitzt alle Informationen. Routine für sie." grüßte ein nicht menschliches Wesen, mit einer dunklen kratzigen Stimme. „Fragen?"
Der Admiral grüßte Professor Katzka nicht einmal, sondern schritt gleich zu dem, ihm bekannten Beobachtungsfenster. Durch dieses konnte er mit Katzka das Krankenzimmer und die darin befindliche Frau im Bett beobachten, um sich zu vergewissern, dass sie nicht vorzeitig wach und aktiv wird.
„Ich weiß nicht, wie das bei eurer Rasse ist, aber wir Menschen besitzen Empathie und ich fühle mich nicht so gut dabei."
Als Antwort auf diese Aussage folgte ein Geräusch, welches ihm eine leichte Gänsehaut verschaffte. Der Professor stieß seine beiden, vollständig mit Knochenplatten bedeckten, Kiefer aneinander, um seine Abneigung auszudrücken.
„Neurologische Schwäche. Für Militär ungeeignet. Antianische Ärzte wissen das. Ich weiß das. Befolgen meiner Befehle und Anweisung, Kommandant. Rest irrelevant." Der Antianer stoppte mit dem Geräusch und schaute durch dasselbe Fenster, wie sein menschlicher Kollege. Die Frau im Bett drehte sich nervös im Bett und öffnete die Augen. Sie schaute sich im Krankenzimmer um, schaute nach ihren Händen und unter der Decke konnte man Bewegung am Fußende des Bettes ausmachen.
„Subjekt im Wachzustand. Kalenkov, Bewegung!" befahl der Antianer, während er die Bildschirme neben dem Fenster nochmals kontrollierte und ausrichtete.
Der Angesprochene strich noch einmal seine graue Uniform glatt und räusperte sich, bevor er die Hand ausstreckte, um die Tür zum Krankenzimmer, zu öffnen.
„Können die sich nicht jemand anderes suchen der Deutsch kann, ich ertrage diese Routine langsame nicht mehr lange." dachte er, wobei sein Mitleid sogar eher der Patientin geschuldet war und nicht ihm selbst. Mit diesem Gedanken durchschritt er die Tür, welche sich automatisch hinter ihm schloss und bemerkte sofort, dass die Augen der Patientin ihn verfolgten, bis er vor ihrem Krankenbett stehen blieb. Das hell erleuchtete weiße Zimmer blendete immer im ersten Moment, wenn man es betrat.
„Guten Tag, ich bin Admiral Vladimir Kalenkov, Leiter der Forschungs- und Krankenraumstation 'Sir William Osler'," begrüßte er sie in gebrochenem Deutsch und schluckte einmal. Zu oft hatte er diese Sätze schon gesagt. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Würde Sie mir bitte Ihre Daten nennen?"
Trotz des aufgesetzten Lächelns würde jeder Mensch an dem Schweiß auf seiner Stirn erkennen, wie unangenehm es ihm war. Die Menschenfrau setzte sich ein wenig auf und strich sich ihre frisch geschnittenen schwarze Haare aus dem Gesicht, um den Admiral mit einem Lachen zu begrüßen.
„Schön sie kennenzulernen, ich bin Frau Hauptmann Maria Erika Schneider, Personalnummer 251250-S-90116, aber Sie dürfen mich ruhig Mary nennen. So nennt mich eigentlich jeder."
„Freundlich, nicht verwirrt oder misstrauisch. Keine Fragen. Schlechte Vorzeichen: deutet darauf hin, dass sie sich von der Gedächtnis-Einprägung abermals distanziert hat. Hält diese womöglich für Träume. Trotzdem: weitermachen." kam auf einmal die unangenehme Stimme des Doktors aus dem Headset, was der Admiral trug. Dieser ließ für eine Sekunde die Mine fallen, doch konzentrierte sich danach wieder auf sein Schauspiel.
„Wir müssen ein paar Tests machen, das verstehen Sie ja bestimmt."
„Natürlich, man muss ja überprüfen, ob ich einen Eisbrand auf meiner Hirnrinde hab", erwiderte die Patientin grinsend, wegen ihrem eigenen Witz. Ihre blauen Augen strahlten regelrecht vor Erleichterung über das Ende ihres langen Schlafes. Der Admiral zog aus seiner Hosentasche ein vergilbtes Foto und legte es der Frau auf den Schoß.
„Was fällt Ihnen dazu ein?"
„Wo haben Sie den das Bild hier her? Das ist eine Originalaufnahme von mir und meinem Trupp unten in Vietnam '71." Sie ließ das Bild durch ihre Finger gleiten und lächelte dabei. „Wir bekamen Urlaub ... von Ho Chi Min persönlich, weil wir ihm geholfen hatten."
Kalenkov antwortete mit einem gekränktem Lächeln, so oft hatte er dieses nette Gespräch schon gehört. Um seine Gedanken zu vertreiben, räusperte er sich einmal laut.
„Hier haben wir unser nächstes Bild, wer ist dieser Herr?"
„Das ist Oleg Malowski, der Präsident der Erde.", antwortete sie ohne Zögern, auch wenn ihre Miene sich kurz verzog, als sie das Wort ‚Erde' aussprach.
„Fortschritt. Besseres neurologisches Verarbeiten der fremden Erinnerungen. Erde ist Schlüsselwort, löst Misstrauen aus." Man hörte ein trockenes Räuspern durch den Lautsprecher. „Nächste Frage! Antwort soll Schlüsselwort enthalten."
Mit einem Nicken in Richtung des, als Spiegel getarnten, Beobachtungsfenster nahm er seine Pistole aus dem Halter und legte diese auf ihren Schoß. „Nochmal dieselbe Frage, was und wovon?", fragte er freundlich, während er das Foto von vorhin wieder aufnahm und weg steckte.
„Das ist die P91, klassische Projektilwaffe, die Ordonnanzwaffe", sie stockte. Das Lächeln verschwand und sie begann sich die Schläfen zu reiben, „der vereinten Streitkräfte der Erde."
Hinter der Fensterscheibe begannen verschiedene Monitore zu piepen, doch der Professor mit den grauen Knochenschuppen übertönte dieses nur mit dem Geräusch seiner Kiefer. Dieser fasste wieder alles kurz und knapp zusammen, „Blutdruck erhöht sich, neurale Aktivität im gelben Bereich. Sedieren per Einspritzung bereit. Kalenkov, beantworten sie alle Fragen des Subjekts. Volle Freigabe, will endlich weiterkommen."
„Welches Jahr haben wir! Wo sind meine Leute!" schrie Schneider den Admiral nun an. Ihre Laune hatte sich auf einen Schlag verschlechtert, trotzdem machte er einen Schritt auf sie zu. Die Vorstellung kannte er bis zu diesem Punkt, auch die Frage war wortgleich, wobei das erste Mal bisher die schlimmste Erfahrung war. Doch bis jetzt musste er nie diese Frage beantworten, was den Zustand Marias nur verschlimmern wird. Der Gedanke daran drehte ihm den Magen um, aber Befehl ist Befehl, das würde die Frau auch verstehen, wenn sie in seiner Lage wäre.
„2091 ... wir haben das Jahr 2091 und ich muss ihnen leider mitteilen, dass niemand den Sie kennen diesen Moment miterleben durfte."
Die Frau wurde sofort bleich und nach einer kurzen Atempause, begann die Schnappatmung. Dann liefen Tränen an ihren Backen hinab zum Kinn. Auch wenn Kalenkov dies schon so oft miterlebt hatte, nahm es ihn trotzdem jedes Mal aufs Neue mit. Seine Hand berührte, das von der Decke verhüllte Bein, um ihr dadurch Trost zu spenden.
„Ich dachte das wären nur Träume?!", schrie sie ihn an, während sie ihr Gesicht in den Händen begrub. Ihre schwarzen Haare waren ein Kontrast zu dem nun roten Gesicht. Das Schluchzen war das einzige, was man noch im Raum hörte. Sekunden, die sich wie Minuten anfühlten. „Beantworten der Frage!" Dieser Befehl unterbrach die Stille, Kalenkov biss sich auf die Lippe. „Jawohl!", antwortete er leise zu sich selbst und hob den Kopf wieder. Seine grauen, kurzen Haare glänzten, von Schweiß durchnässt. „Das waren keine Träume.", er schüttelte kurz und knapp den Kopf, „Das sind die Erinnerungen, die wir Ihnen gegeben haben, damit Sie in Ihrem neuen Leben besser klarkommen." Seine Finger umklammerten jetzt ihr Bein „Das mit Ihrem Trupp, war ein Unfall. Das schwöre ich Ihnen."
Die Hände von Schneider zitterten, als der Blick sich mit dem des Admirals trafen.
„Meine Freunde sind tot, meine Kameraden sind tot, meine Familie ist tot." Ihre Hände hörten auf zu zittern und ihr geröteten Augen starrten gefasst in den Raum. „Damit bin ich auch tot!", schrie sie, hob plötzlich die Pistole, die noch immer in ihrem Schoß lag, auf, hielt sie sich unters Kinn und drückte ab. Ihr Körper erschlafft in der aufrecht sitzenden Position und die Pistole fiel mit einem krachen auf den Boden, als ihre Hand vom Bett fiel.
„Emotionale Überreaktion. Neurologischer Kurzschluss. Gehirnaktivität war im roten Bereich." wurde die Szene wieder kurz und knapp zusammengefasst, diesmal kam die kratzige Stimme aber von der Tür. „Sofortiges sedieren war notwendig. Gut, dass Pistole nicht geladen war." Seine Kiefer produzieren wieder das klackende Geräusch. „Keine Wahl. Emotionale Barrieren und teilweise Amnesie muss durchgeführt werden. Eine Woche." Der Antianer ging auf die Frau zu, legte ihre heruntergerutschte Hand wieder auf ihren Bauch und warf dem Admiral seine Pistole wieder zu.
„Bereithalten. Eine Woche. Nächster Test. Schönen Tag." fasste er endgültig zusammen und verließ den Raum, Kalenkov hingegen packte seine Pistole wieder in den Holster und hielt sich das Gesicht für eine Sekunde. Er war den Tränen nah, stieß dann aber nur einmal die Luft aus seinen Lungen raus. Als er aus dem weißen Zimmer herauskam, sah er, wie der Antianer mit den Bildschirmen interagierte und mit sich selbst redet.
„Herzloses Mist-Alien."
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2091: Die Cryosoldatin
Science FictionMaria 'Mary' Schneider, eine hochdekorierte Soldatin, aus der Vergangenheit, muss sich nicht nur neuen Herausforderungen stellen, sondern auch einem neuen Leben. Das Jahr 1979, Kommandosoldaten einer geheimen Eingreiftruppe der UN werden von weitrei...