Kapitel 4-6 Jäger und Gejagte

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Der Geschmack von Kupfer störte Taktus im Mund. Normalerweise hatte er kein Problem damit, Blut zu schmecken, außer wenn es sein eigenes war. Ein hellblauer Rinnsaal tropfte von seinen Kieferplatten. In regelmäßigen Abständen schlug sein Kopf gegen Besus Schulter, der ihn wie ein nasses Handtuch trug, genauso wie zuvor andere. Taktus war froh, nach den ersten Salven von Schlägen ohnmächtig geworden zu sein, auch wenn er jetzt unter Kopfschmerzen, Blutgeschmack und mindestens drei Prellungen litt. Andererseits war ihm bewusst, dass dies notwendig war. Raganik schien jedoch ein wenig zu viel Spaß daran zu haben, ihn so zuzurichten.
Im Knebel zwischen Taktus' Kieferplatten schmeckte es weder gut noch war es bequem. Die blauen Flecken an Besus Schulteruniform vermehrten sich, begleitet von einer Menge Spucke. "Chint ir ald da?" Taktus' Worte waren schwer verständlich durch den Knebel.
"Vor uns liegt die Basis, ich lasse dich dann runter", antwortete Besu. Offenbar war es nicht das erste Mal, dass er mit geknebelten Personen sprach.
All das war Raganiks Plan gewesen. Seine Truppe war berüchtigt für ihre Brutalität, daher erschien es nur logisch, mit einem vollkommen zugerichteten Gefangenen zum Abtransport zu erscheinen. Nackt und geschlagen auf der Schulter eines Reptils, Taktus war froh, dass keiner seiner Kollegen ihn so sah. Obwohl ihm nun die fehlende Kleidung langsam unangenehm wurde, tropfte der Schweiß durch seine Panzerplatten auf den Waldboden. Das unangenehme ziehende Gefühl in seinen Fußsohlen kündigte einen nahenden Sonnenbrand an. Was für eine dumme Idee, sich mittags mit dem Fluchtfahrzeug zu treffen.
Die Stimmen wurden lauter, so dass Taktus sie fast verstehen konnte. Plötzlich flog er in die Luft und landete unsanft auf dem Rücken. Jetzt konnte er die Prellungen genau lokalisieren, durch den brennenden Schmerz im linken Oberschenkel, Bauch und rechten Arm. Einige der Gorelianer trugen nicht die Uniform des Luftlandetrupps. Raganik schien genervt von den Zuschauern, die ihn in fremden Zungen beleidigten und auslachten. Aus einem toten Winkel traf ihn ein Stiefel im Gesicht.
"So tough sieht der Wichser gar nicht aus", knurrte jemand hoch und amüsiert. Ein drückender Schmerz breitete sich auf Taktus' Stirn aus, als der Landpoli weiter auf seinen Kopf trat und offenbar nicht vorhatte aufzuhören. "Schauen wir mal, was diese Platten alles aushalten, was?", kommentierte er weiter.
Plötzlich brüllte die Echse auf, als die Krallen an Taktus Händen wie Butter durch die Schuhsohle in die ungepanzerte Fußsohle drangen.
"Ich zerfick dich zu ..."
"Schluss!" Raganiks tiefe und einschüchternde Stimme hallte durch den Wald. "Wir sind hier zum Transportieren. Ich habe keine Lust, mich mit euch Hinterwäldlern herumzuschlagen."
Mit einem unangenehmen Griff im Nacken wurde Taktus auf die Beine gehoben. Vor ihm sah er jetzt eine Gruppe von mindestens zehn Gorelianern, die nicht zur Luftlandedivision gehörten. Raganik schubste sie von Taktus weg und formte eine Reihe, sodass sein Trupp und die Landpoli sich gegenüberstanden.
"Oh, die Spezialtruppe des Königs ist sensibel geworden. Ach wie putzig", spottete ein relativ junger, aber großer Gorelianer in den Reihen der Landpoli.
Die Menge begann vergnügt zu knurren, ein Fehler, den bis jetzt nur wenige gemacht hatten, besonders in Reichweite von Raganik. Dieser trat einen schnellen Schritt nach vorne, packte den Soldaten am Kragen und zog ihn mit maximaler Geschwindigkeit zu sich heran. Ohne eine Chance zur Gegenwehr traf die Schnauze des Soldaten auf Raganiks Stirn. Ein lauter Knacks war zu hören, als der Reinrufer ohnmächtig zusammenbrach. Zähne und Blut flogen an Raganiks Gesicht vorbei.
"Will sonst noch einer von euch behinderten Maden eins aufs Maul?!" Raganiks Ton und das grüne Blut auf seiner Stirn ließen ihn wie einen Mörder wirken. Genau so schauten ihn jetzt auch die Landpolis an. Die Echsen vor ihm öffneten sofort einen Korridor in ihren Reihen, um Raganiks Trupp durchzulassen. Ein verächtliches Schnauben seinerseits klärte, dass er gewonnen hatte.
Taktus trat in die Blut- und Zähnelache, flankiert von verbündeten Reptilien, durch die Linie der Feinde. Raganik wischte sich locker das Blut von der Stirn. Ein hektisches Klopfen war zu hören, als Soldaten beider Seiten ihre Anspannung durch ihre Schwänze kundtaten. Sie durchquerten die Basis, beobachtet durch ängstliche und teils argwöhnische Augen. Ein gorelianischer Sanitäter rannte aus dem grün markierten Zelt an ihnen vorbei.
Die Basis war klein, aber gut aufgebaut. Platziert auf einer großen Lichtung, hatten sie genug Platz für eine Landeplattform und vier große Zelte. Das grün markierte Zelt war das Schlaf- und Sanitäterzelt. Die Antenne und Funkanlagen im rot markierten Zelt offenbarten Taktus, dass es sich um das Hauptquartier handelte. Daneben stand ein VTOL, dessen einziger Zweck anscheinend darin bestand, das HQ mit Elektrizität zu versorgen. Die anderen Farben konnte Taktus nicht zuordnen, da jede Einheit sie anders handhabte.
An dem größten potenziellen Problem waren sie bereits vorbeigegangen: zwei alte, aber dennoch leistungsfähige Multirollengeschütze antianischer Produktion. Aus einem der unidentifizierten Zelte sprinteten fünf Mitglieder von Raganiks Trupp, voll bewaffnet und mit finsterer Miene. Taktus dachte schon, dass er sich verzählt hatte. Diese schlossen sich dem restlichen Trupp auf dem Marsch zur Landeplattform an. Dann bemerkte er, wie einer der Soldaten von vorhin in das Zelt des Hauptquartiers rannte. Raganik schien es ebenfalls beobachtet zu haben, sein Schwanz vollführte ein paar zackige Bewegungen, ohne jedoch seinen Kopf zu seinen Männern zu drehen. Taktus spürte einen leichten, aber merklichen Anstieg des Tempos. Ein Zischen ließ ihn und die anderen Soldaten aufhorchen. Das zischende Geräusch wurde immer lauter und greller. Plötzlich flog ein Schatten über sie hinweg. Ein Shuttle, hoffentlich ihr Fluchtfahrzeug, setzte zur Landung an.

2091: Die CryosoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt