Die, noch unbenannte, Raumkorvette lag ruhig und angedockt an einer militärischen Nachschubraumstation, während um sie herum der Verkehr der Erde vorbeiflog. Marys Heimat hatte sich in zu einem Zentrum des Handels und Transits entwickelt, mit zahlreichen Raumstationen und Satelliten im Orbit des Planeten. Das gesamte Sonnensystem hatte sich weiterentwickelt, Kolonien auf Planeten, Minen bei den Gasriesen und unvorstellbar große Solarkraftwerke um die Sonne.
Als Mary zuvor zur Erde hinflog, konnte sie nicht genug bekommen. Sie observierte alles, während der Pilot Takeo ihr alles Dazugehörige erklärte. Nun hatte sich die Laune aber verändert, was jeder Dockarbeiter bemerkte, der ihr auf ihrem Weg begegnete. Sie war vor einigen Minuten aus dem Shuttle ausgestiegen, welches sie von der Erde zurück auf die Raumstation bracht. Für Leute, die sie begrüßten oder mit ihr reden wollte, hatte sie nur eine genervte Handbewegung übrig. Die Pressekonferenz und die Militärstabssitzung danach war genau das gewesen, was Mary befürchtet hatte, man hatte sie abgeschrieben. Auch wenn sie die Argumentation verstehen konnte, so wollte sie aber nicht hinnehmen.
Zum Glück war die Station so gut wie verweist, so konnte Mary, ohne viel unhöflich zu sein, direkt zu ihrem Raumschiff gehen. Sie betrat es über den gleichen Zugang, wie schon zuvor auf der Forschungsraumstation und ging durch das KkZ zum Fahrstuhl. Ihre schweren Stiefel hallerten dabei auf dem Metallboden und das Geräusch echote durch die leeren Räume.
„Wie war die Konferenz?", kam überraschend die Stimme von Takeo nebenan aus dem Cockpit.
„Will nicht drüber reden. Lass mich besser in Ruhe." zischte Mary als Antwort zurück, eine dieser unhöflichen Antworten, die man bereut, sobald man wieder besser gelaunt war. Sie betrat, ohne auf eine Rückmeldung zu warten, den Fahrstuhl und tippte auf den vierten Stock auf ihrem ACom.
Dank des Teppichbodens auf dem Stockwerk, wurde das stampfen ein wenig gedämpft und ihr Weg führte sie gerade hin zu ihrem Zimmer. Tief im Inneren war Mary froh wieder das Gefühl der Wut zu empfinden, doch wäre es ihr lieber gewesen, die schlechte Laune und die doofen Gedanken, vor der Pressekonferenz zu verlieren.
Vor ihrer Tür angekommen hielt sie den ACom an die Metalltür und zog diesen sofort wieder weg. Für einen kurzen Moment war es ruhig im Flur, doch die Stille wurde nicht durch das Klicken der Tür unterbrochen, sondern von der lauten Stimme Marys.
„Computer! Öffne die scheiße Tür."
„Spracherkennung ungültig, bitte versuchen Sie es nochmal."
Jetzt wurde Mary noch zusätzlich rot im Gesicht, sie biss die Zähne zusammen und trat mit voller Kraft gegen den Türrahmen.
„Gib mir einfach ne scheiß Klinke. Das hat früher auch funktioniert." schrie sie dann weiter den Computer an und versetzte dem Türrahmen noch einen kräftigen Tritt. Zu ihrem Glück trug sie ihre Kampfstiefel, ohne die integrierte Stahlkappe hätte sie sich an dem Metallrahmen sich wehgetan. Gerade als sie Rahmen noch eine Beule verschaffen wollte, erschrak sie durch eine ruhig, aber müde Stimme.
„Ruhig und geordnet reden, oder das ACom verwenden. Ich hab es ihnen doch gezeigt." Das war eindeutig die Stimme von Kaleria, doch das war Mary egal und sie drehte sich um, um ihr eine ebenso freundliche Antwort zu geben, wie vorher schon Takeo.
„Kümmern sie sich um ...", sie brach den Satz mittendrin ab und starrte Kaleria an. Die Erklärung, dass man antianische Frauen an der fehlenden Panzerung erkannte, leuchtete nun ein. Vor ihr stand eine völlig entkleidete Antianerin, die sich lässig gegen den Türrahmen ihres Zimmers lehnte. Mary konnte jetzt sehen, dass der gesamte Körper durch die grauen Knochenplatten geschützt wurde, ausgenommen Gelenkbereiche, Bauch- und Intimzone, sowie Hand- und Fußflächen. Diese grenzten sich klar, aber durch die dunkelbraune Haut, die die Antianerin besaß. Obwohl ihr Körper gepanzert war und die ein deutlicher Muskel am Bauch besaß, so sah die Figur im ganzen doch sehr grazil aus, durch ihre relativ schmalen Gliedmaßen. Für Mary war der Anblick sehr interessant, da man ihr keine Erinnerungen gab, die die Anatomie der Aliens behandelte.
„Sie wollten mich glaube ich anschnauzen, kommt da noch was?", fragte Kaleria ein wenig kühl und kratzte sich müde am Kopf. Mary wurde auch der Starre herausgerissen, bevor sie fertig war, jeden Unterschied zum menschlichen Körper festzustellen.
„Sie haben ... nichts an." stotterte sie leicht, mit einem roten Gesicht und wedelte mit ihrer Hand ungefähr in Kalerias Richtung.
„Meine Fresse, Menschen! Dass ihr immer komisch seit, wenn es um ein wenig nackte Haut geht!" fauchte die Antianerin und klapperte genervt mit ihrem Kiefer. „Komm sie rein, wir reden. Ich zieh mir sogar extra was an." fügte sie noch sarkastisch hinzu und verschwand in ihrem Zimmer, vorbei sie die Tür offen ließ.
Mary wollte nicht komisch wirken, weswegen sie nicht erwähnte, dass der Anblick sie nicht störte. Ganz im Gegenteil sogar, denn sie fand den Anblick der eigentlich fremde Spezies sehr interessant. Alleine schon, um die biologischen und evolutionären Unterschiede zu ihrer eigenen Rasse zu entdecken und zu interpretieren. Die stellte die Gedanken bei Seite und bewegte sich flotten Fußes auf die Tür zu, doch Kaleria war bereits in ihrem Schlafzimmer, gegenüber der Tür, verschwunden.
„Setz dich an den Tisch, ich komme gleich", rief sie aus dem anderen Zimmer, während Mary der Aufforderung folgte und sich an den Tisch saß.
Das Zimmer von der Antianerin bestand aus einem Wohnzimmer und einer Art Esszimmer. Genau wie ihr eigenes Zimmer, nur dass die zwei zusätzlichen Räume fehlten, die ihr Büro und die Küche beinhaltete. Auch bemerkte Mary, dass alles außerordentlich sauber war, die Metallflächen glänzten und insgesamt wirkte das Abteil, als würde hier nicht mal jemand wohnen.
„Ist das so besser?", fragte Kaleria abermals in einem sarkatischen Ton und zeigte ihren Bademantel der Erdarmee und ein paar leichte Stiefel. „Ich bring ihnen was zu drinken." Sie fragte gar nicht erst und ging an ihre kleine, in die Wand integrierte, Bar. „Jetzt weiß ich endlich, was mir komisch an ihnen vorkam. Ich habe die Pressekonferenz gesehen!" Sie schüttete eine grünliche, zähe Flüssigkeit in zwei Gläser, servierte es Mary und setzte sich auf den Platz neben ihr. „Also sie kommen nicht aus dieser Zeit, das finde ich voll interessant! Ich dachte mir schon sowas, als sie gestern vor Überforderung heiß gelaufen sind!" erzählte sie mit leuchten Augen und nippte an ihrem Glas.
Mary hielt sich das Glas erst mal vorsichtig unter die Nase, es erinnerte sie an einen Kräutertee, aber keiner der Einzelgerüche kam ihr bekannt vor. Sie schwenkte dann die Flüssigkeit ein wenig im Glas herum und ihr Gesicht zeigte ihre Unsicherheit.
„Das ist ein Glas antianische Kaiserkrautmischung, hat eine beruhigende Wirkung, noch verstärkter für Menschen." erklärte die Antianerin und trank das Glas leer und leckte über ihre Knochenlippen.
Mary rümpfte die Nase trotzdem noch verunsichert.
„Komm, ich hab ihre Krankenakte gelesen, die Allergien, die sie besitzen, betrifft das hier nicht." Sie reinigte das Glas mit ihrer grünen, länglichen Zunge. „Das Zeug ist auch nur so dickflüssig, weil wir keine Lippen haben wie ihr, dann läuft es nicht so schnell raus."
Mary hörte daraufhin wieder das pfeifen, was Kaleria produzierte, wenn sie etwas amüsant fand. Mary erinnerte sich daran, dass sie schon mehrere komische Sachen zu sich genommen hatte früher, so schloss sie die Augen und schluckte das Glas runter. Ein starker, bitterer Geschmack füllte ihren gesamten Mund und sie verzog das Gesicht.
„Also erzähl mal! Ich hab gehört, dass es endlich Arbeit für uns gibt! Hoffentlich ein Fronteinsatz oder eine Raumschlacht!" schwärmte Kaleria vor sich hin und ignorierte dabei komplett Marys Gesichtsentgleisungen.
„Wird es nicht geben", antwortete knapp und sah Kalerias enttäuschtes Gesicht. Sie wartete, bis der Geschmack sich verwässert hatte und fuhr fort. „Komm schon, was denken Sie bitte? Vier Männer auf einer Korvette bekämpfen das Böse? Wir werden in ein System gebracht, was dem sogenannten Terra-Konsortium gehört, da werden wir Station halten und aufklären."
Es wurde kurz ruhig im Raum, nur das leise Rauschen des Schiffes war zu hören. Kalerias Hand umklammerte das leere Glas und zitterte ein wenig. Das stand sie plötzlich auf und schmiss das Glas gegen die Wand des Wohnzimmers, welches in tausende kleine Stückchen zersprang. Nachdem der Glasregen auf dem Boden niedergegangen war, flog der Stuhl, auf dem sie vorher, saß auch noch hinterher.
„Ach verdammte scheiße! Ich hab keinen Bock mehr auf diesen Mist, immer werde ich abgeschoben. Das ist doch Dreck!" brüllte sie dem Stuhl hinterher und schlug dann noch auf den Tisch. Mary hielt ihr Glas fest und stellte es wieder ab, sobald das Erdbeben vorbei war.
„Ich hab es mir nicht gewünscht!", merkte der Mensch dann genervt an, ohne dasselbe Tantrum zu schmeißen, um wenigstens ihre Vorbildfunktion in diesem Fall zu zeigen. „Ich kann es nicht ändern, ich habe keine Befehlsgewalt außerhalb des Schiffes. Auch keine Kontakte oder Ressourcen, um auf eigene Macht zu agieren."
Kaleria hatte schon den nächsten Stuhl gegriffen, als sie auf einmal innehielt. Sie ließ ihre Krallen über das Polster fahren, ohne es zu zerreißen. Ihre Wut hatte sich augenblicklich gewandelt und sie schien nachzudenken und abzuwägen. Nach einer Minute Massage für das Polster ließ sie den Stuhl dann los und drehte sich zu Mary.
„Wenn es eine Möglichkeit gäbe ... an diese Sachen zu kommen. Würden sie diese ergreifen? Selbst wenn es Befehlsverweigerung wäre?" Sie trat einen Schritt näher auf Mary zu und unter ihrem Stiefel hörte man kurz ein gläsernes Knirschen. „Wenn ja, müssten sie mir vertrauen! Wir würden in das antianische Tiefgebiet fliegen und" sie wurde unterbrochen von Marys Hand, die sich auf Kalerias harten Arm gelegt hatte.
Mary verengt leicht ihre Augen, es half ihr das zu finden, was sie in den roten Augen suchte. Diese strahlen vor Selbstbewusstsein, auch wenn sie in der Körperbewegung etwas Zögerliches feststellte, eine leichte Verunsicherung, als würde die Antianerin was planen, was nicht gern gesehen war. Und das nicht vom Standpunkt der menschlichen Armeeführung. Sie hoffte, dass sie Antianer interpretieren konnte und dass die Rasse manche Eigenschaften der Mimic der Menschen teilten.
„Wir kennen uns erst seit ein paar Stunden", fing Mary an zu erklären, ihre Hand immer noch auf dem Arm. „Von Vertrauen kann noch keine Rede sein." Sie bemerkte, wie die Augen von Kaleria ein wenig von ihrem Funkeln verloren. „Aber, ich muss zugeben, dass sie die Person sind, mit der ich am meisten geredet habe die letzten 100 Jahre." Ein Lächeln flitzte über Marys Gesicht. „Führen sie ihren Plan aus, ich hab nichts zu verlieren. Weder kämpfe ich für eine Regierung, die ich kenne, noch für Familie oder Freunde daheim. Ohne das ist das Soldaten da sein eh relativiert." merkte sie noch kühl an und legte ihre Hand wieder an das leere Glas.
„Das heißt ... ich darf das Schiff kommandieren?"
Mary nickte nur und stand dann müde auf. Sie brachte das Glas an die Bar zurück und bewegte sich langsam auf die Tür zu. Kaleria stand immer noch in derselben Haltung wie davor, sie konnte es anscheinend nicht fassen.
„Ach und bevor ich es vergesse. Nenn mich Mary, das war schon früher mein Spitzname." fügte sie hinzu und schaute mit schweren Augen zurück in das Zimmer, was jetzt eindeutig bewohnt aussah. Kalerias Reaktion ließ kurz auf sich warten, doch als sie wieder hochschaute war da wieder das Funkeln in ihren Blick.
„Ich werde sofort alles in die Wege leiten!" Schnellen Fußes ging sie um den Tisch herum und fing an ihre Wohnung sauberzumachen, indem sie als Erstes die Stühle wieder aufhob. „Schlaf dich erstmal aus, morgen beginnt das Training. Wir werden denen schon zeigen, dass man einen alten Tragnika doch noch höher springen lassen kann."
Die Müdigkeit, die Kaleria zuvor noch zu umwoben schien, war verflogen, dafür anscheinend auf Mary übergesprungen. Das Getränk hatte sie fertig gemacht und sie wollte nur noch in ihr Bett.
„Dann können wir ja morgen reden. Nacht." antwortete sie nur noch mit einem müden Lächeln und ließ die Antianerin dann alleine in ihrem Zimmer. Sie bewegte sich auf ihr Zimmer zu, die Tür öffnete sich diesmal ohne Probleme, vielleicht weil sie träger war durch ihre Müdigkeit. Wieder schlurfte sie durch den Hauptraum ohne sich richtig umzuschauen, direkt in ihr Schlafzimmer. Dort entledigte sie sich ihrer Kleider und legte sich. Nur in Unterwäsche, in ihr Bett.
Mary hatte zuvor schon Knöpfe neben ihrem Bett am Nachtisch entdeckt und wollte mit diesen das Licht ausschalten, so wie sie es gewohnt war. Während der zweite Knopf wirklich die Lichter erlöschen ließ, so aktivierte der Erste den Bildschirm, der anscheinen in der Decke integriert war. Es erschien der Sternenhimmel auf ihm, ein Meer auf kleineren und größeren weißen Punkte. Gepaart mit dem leisen Rauschen des Schiffes und der betäubenden Wirkung des Getränkes, war es außerordentlich einfach für Mary sich zu entspannen. Das Getränk tat ihr einen Gefallen, es blockierte die Gedanken, die sie beim letzten Besuch im Bett ertragen musste. Kurz bevor sie einschlief, bemerkte sie noch wie das Rauschen des Schiffes ein wenig lauter wurde und der Sternenhimmel begann sich zu bewegen.
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2091: Die Cryosoldatin
Science FictionMaria 'Mary' Schneider, eine hochdekorierte Soldatin, aus der Vergangenheit, muss sich nicht nur neuen Herausforderungen stellen, sondern auch einem neuen Leben. Das Jahr 1979, Kommandosoldaten einer geheimen Eingreiftruppe der UN werden von weitrei...