Vorgeschichte 0-2

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Spärlich beleuchtete, raue Betonflure bildeten einen Kontrast zur guten Stimmung, die sie noch vor einem Tag empfunden hatten. Die Ausgehuniformen wurden durch Patientenkittel ersetzt, Speis und Trank durch einen Tag der Abstinenz. Jetzt befand sich das Team, bestehend aus Mary, Viktor, Charlèt und John, auf dem Weg zur Narkose. Von ihrem Verhalten und Aussehen her wirkte es jedoch wie der Gang zur Hinrichtung. Vor ihnen lief ein Militärarzt, der sie zum Anästhesieraum führen sollte. Der Marsch verlief ruhig, dunkel und deprimierend, während sie in ihren Kitteln fröstelten. Sie hatten nichts darunter an, was niemanden störte, wenn es nur wärmer wäre. Schließlich hatten sie oft genug zusammen in einer Gemeinschaftsdusche gestanden. Das einzige Geräusch, das zu hören war, war das Schleifen der Patientenschuhe von Mary und Charlèt, die ihnen viel zu groß waren. Sie wussten nicht genau, wohin sie gingen, da sie noch nie in dieser Einrichtung gewesen waren. Marys Kopf war leer, sie hatte bereits alle möglichen Gedanken durchlebt. Sie hatte alle Ängste durchlebt und alle möglichen Auswege bedacht. Sie hatte keine Kraft mehr, sich mit ihrem Schicksal und der möglichen Verschwörung dahinter auseinanderzusetzen. Im Grunde konnte sie sowieso nichts mehr daran ändern.

Fünf Minuten zuvor hatten sie sich von ihren Liebsten verabschiedet, in der Hoffnung auf ein Wiedersehen. Tränen flossen, als Charlèt ihren Ehemann und ihre Tochter ohne die Gewissheit verabschiedete, dass sie sie jemals wiedersehen würde. Umarmungen wurden zwischen Mary und ihren Eltern ausgetauscht, begleitet von Sätzen, wie stolz sie auf ihre Tochter waren. John spielte ein letztes Mal mit seinem Patenkind, der einzigen Familie, die er rechtlich besaß, während Viktor neidisch in der Ecke stand. Sein Vater konnte nicht kommen, die Farm und seine Geschwister benötigten ihn zu sehr. Er verstand die Entscheidung, aber dennoch war er traurig gewesen.

Marys Gedanken wurden von der Stimme des vor ihnen gehenden Arztes unterbrochen.

„Bitte betreten Sie den Raum rechts, legen Sie sich auf eine freie Trage und warten Sie, bis das Personal eintrifft", wies er sie an und zeigte auf die Tür, bevor er daran vorbei weiter den Gang entlangging. Mary und der Rest des Teams folgten den Anweisungen. Der Raum war spärlich beleuchtet, mit weißen Fliesen und grüner Wandfarbe. Insgesamt wirkte er eher wie eine Leichenhalle als ein Anästhesieraum. Mary war die Erste, die sich auf eine Trage legte, um mit gutem Beispiel voranzugehen. An den Wänden befanden sich Arbeitsflächen mit vorbereiteten Spritzen und Flüssigkeiten, darüber befanden sich verschlossene Regale. Die gesamte Einrichtung wirkte in einer unangenehmen Mischung aus Grau und Grün. Sie hätte sich eine schönere letzte Erinnerung gewünscht.

„So, das war's dann? Das Ende der Fahnenstange. Nackt in absoluter Kälte sterben... und dabei dachte ich, nach Sibirien wäre ich sicher vor meinem Schicksal", sagte Viktor scherzhaft, während er sich auf die Trage neben Mary legte. Sie schlug ihm sofort auf die Schulter, anstatt zu antworten.

„Ich weiß nicht, was er gesagt hat, aber wenn es ein Abschied war, stimme ich ihm zu", erklang die sanfte, helle Stimme von Charlèt am Ende der Reihe. „Ich bezweifle, dass wir uns jemals wiedersehen werden. Wenn einer von euch überlebt, bitte kümmert euch um meine Familie." Selbst in diesem düsteren Raum konnte man die Tränen sehen, die ihre Wangen hinunter liefen.

Während Mary den vielleicht letzten Wunsch in verschiedene Sprachen übersetzte, hob sich John aus dem Rollstuhl und legte sich auf die Trage. Sein Gesicht glänzte leicht, aber das kam vom Schweiß. Obwohl er mehrere Versuche benötigte, wollte ihm niemand helfen. Er hasste es, wenn man ihm Hilfe anbot, egal wie gut es gemeint war. Schließlich schaffte er es und wurde von einem lächelnden Viktor empfangen.

„Rolli, reiß dich zusammen. Ihr müsst alle ein wenig positiver denken", sagte er und setzte sich auf, um die anderen besser sehen zu können. Dabei schaute er immer noch John an. „Die Zukunft wird auf uns warten! John, du bekommst neue Beine, die besser sein werden als diese Fleischdinger, die wir haben." Dann wandte er sich Charlèt zu, die ihn mit trüben Augen ansah. „Du wirst deine Familie wiedersehen und zusammen mit deinem Mann und deinem Kind alt werden, und auch mit den Kindern deines Kindes." Er wartete, bis Mary mit dem Übersetzen fertig war, und drehte sich dann zu ihr um, legte seine Hand auf ihre Schulter. „Und du wirst am meisten von der Zukunft und den neuen Technologien profitieren! In der fernen Zukunft haben sie bestimmt in der Medizin Durchbrüche erzielt und wir können dir endlich ein akzeptables Gesicht geben." Er fing an zu lachen und erwartete offensichtlich erneut einen Schlag auf die Schulter, bekam jedoch stattdessen ein aufrichtiges Lachen.

Unter Tränen übersetzte Mary die Ansage und die anderen beiden stimmten mehr oder weniger stark ein. Viktor war schon immer besser darin gewesen, das Team aufzumuntern, und selbst in dieser Situation gelang es ihm. Mary beneidete ihn dafür.

Bevor noch jemand etwas hinzufügen konnte, wurde der Raum plötzlich von grellem Licht erhellt. Mehrere Ärzte strömten herein, riefen sich gegenseitig Sätze zu, jedoch beachteten sie die vier Personen vor ihnen nicht.

„Legt Zugänge an! Beide Arme, Standardverfahren!", dirigierte ein etwas beleibter Arzt im Hintergrund seine Kollegen. Mary konnte ihn nicht lange ansehen, da ihr Kopf und ihr Blick gewaltsam zur Decke gedrängt wurden. Sie sprachen alle Englisch, wenn auch mit unterschiedlichem Akzent. Als Nächstes wurden ihre Hände grob in die gewünschte Position gezogen. Zuerst spürte sie nur den Druck der Fingerkuppen auf ihrer Haut, dann folgte ein unangenehmer Stich, als der Zugang gelegt wurde.

„Verdammt, ich hasse Spritzen", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Venenzugänge bei eins, zwei, drei und vier gelegt. Bereit zur Verabreichung."

„Setzt die Maske für das Inhalationsmittel auf."

„Moment, wir...", konnte Mary den Satz nicht beenden. Ihr wurde einfach die Maske aufgesetzt, mit der Anweisung, tief ein- und auszuatmen. Eigentlich wollte sie jedem noch viel Glück und das Versprechen eines Wiedersehens wünschen. Doch ihr Kreislauf begann sich seltsam anzufühlen, leicht benommen durch den Sauerstoff der Maske.

„Beginnen Sie mit der Injektion."

Das war der Startschuss für das Ende. Zuerst fühlte sie sich benommen, dann müde. Sie versuchte, sich wach zu halten, aber vergeblich. Einen letzten Blick auf ihre Kameraden zu werfen, war alles, was sie wollte, doch bevor sie den Kopf drehen konnte, schlossen sich ihre Augen.

2091: Die CryosoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt