Saftig grün und kränklich gelb, wechselten sich die Farben auf dem Waldboden ab. Ein Anzeichen das Taktus endlich in die Nähe des südlichen Waldrandes gekommen ist. Schützende Baumkronen eines gesunden Waldes werden seine Flucht decken. Auch in der Luft roch man die Veränderung. Der Geruch von säuerlichem Kompost wich dem von ätherischen Ölen. Über die Nacht war es trocken geworden und die Äste knackten unter der Hornhaut seiner Füße. Schweiß tropfte ihm am Knochenkinn hinunter. Die letzte Pause war vor mehreren Stunden und das auch nur, um sich zu erleichtern. Da bemerkte er, wie vor ihm der Sternenhimmel zwischen den Bäumen strahlte, statt endlose Reihen an weiteren Stämmen. Kurz darauf stand er am Rand des Forsts. Einer riesigen Klippe, die den sterbenden Wald von dem Gesunden trennte. Taktus dachte nicht mal darüber nach, sondern setzte sich einfach an den Rand der Felswand. Er schaute zwischen seinen Beinen durch und schätzte, dass es mindestens hundert Antianer in die Tiefe ging. Das wird seinen restlichen Weg ein wenig erträglicher gestalten, überlegte er und beobachtete dabei die Landschaft mit seinem Nachtsichtgerät. Unter ihm lag der gesunde Wald, ein Fluss und mehrere, fast schon natürliche Lichtungen. Er sah weit in der Ferne Suchscheinwerfer und beleuchtete Konvois, die sich ihren Weg über die wenigen Straßen schlugen. Ob die alle ein Autogramm von ihm besorgen wollen? Belustigt durch den Gedanken, pfiff er leise vor sich hin. Ein kühler Wind strich ihm über seine Panzerplatten, als Vakti'in seinen Armcomputer einschaltete. Es war neun Uhr, lokale Zeit und in zwei Stunden würde sich die Sonne über den Horizont erheben. Taktus bewegte seine Hand an den Helm und betätigte einen Knopf, schaltete sein Visier auf Infrarot um. Nun offenbarte das Dunkel vor ihm Geheimnisse, die mit bloßer Nachtsicht verborgen blieben. Er bemerkte mehrere Silhouetten und Formen unter ihm, die im rot-gelben Spektrum der Wärme pulsierten. Diese Flecken schienen eine Formation zu bilden und dienten anscheinend als Beobachtungsposten, um ein diamantförmiges Gebiet abzudecken. Taktus dachte darüber nach und versuchte sich, darauf einen Reim zu machen. Laut seinen Informationen gab es keine militärischen Außenposten auf dem Land. Plötzlich ließ ihn ein Geräusch zusammenzucken. Er schaute direkt über die Schulter, Handgelenkwaffe entsichert und bereit, sich zu verteidigen. Doch das einzige Objekt, das Wärme ausstrahlte, war ein Tier auf Bodenhöhe, das auf einen Ast getreten war. Taktus vermochte es nicht zu zuordnen, aber er hatte auch nicht viel Ahnung über die lokale Fauna. Er widmete sich wieder seinem ACom, trotzdem hielt er seine Gehörgänge auf Alarmbereitschaft. Sein Visierbildschirm wurde mit Informationen geflutet, als das Visier die Gesamtheit zeigte, was das Zeskado wusste. Namen, Straßen, Geographie, alles unnötige Sachverhalte, bis er auf einen kleinen Abschnitt stieß.
„Laut inoffiziellen Informationen lokaler Minenarbeiter und Sicherheitspersonal wird im Kraknawald die Basis der demokratischen Kräfte Goraliens vermutet. Diese Basis wird offenbar vom Königreich ignoriert, durch ihren begrenzten Aktionsradius." Er ließ seine schwarzen Krallen auf seine Fußrückenplatten tippen. Das könnte eine Möglichkeit sein, seine Verfolger abzuschütteln, oder auf jeden Fall abzulenken. Er bezweifelte, dass die Rebellen etwas gegen ihn hatten. Obwohl sie Gorelianer waren, denn denen war alles zuzutrauen, wenn es ums Töten ging.
Wieder erklang das Geräusch eines gebrochenen Astes, doch diesmal sprang Taktus aus und setzte das Sturmgewehr an die Schulter. Wieder war da nur das Tier auf Bodenhöhe. Ungefähr zehn Antianer vor ihm. Schnell schaltete er sein Visier auf Nachtsicht um und was das Tier verwandelte sich zu einem großen, aggressiv wirkenden Reptils. Die Wärme wurde durch dessen Schnauze ausgestrahlt, die flach auf dem Boden lag. Wie eine Katze, die ihrer Beute auflauerte. Eine kurze Reflexion kam von seinen Augen, worauf es sofort auf die Beine sprang. Zwei Läufe waren direkt auf ihn gerichtet und einer der Gorelianer hatte eine Kralle im Abzugsloch. Eine Waffe dieses Kalibers hätte eine verheerende Wirkung auf jedes Lebewesen ohne Schild.
„Dick, doof und schuppig, aber anscheinend doch schlau genug, um mich zu finden", sagte Taktus und pfiff amüsiert, als er das Gesicht des Gorelianers aufs Korn nahm.
Die Antwort kam sofort in Form eines Knurrens, aber in einem hohen Ton. Es schien ihn auszulachen. „Du kannst froh sein, dass dich der Boss lebend will. Sonst hätte ich dein Hirn schon zum Platzen gebracht." Der Gorelianer wirkte recht belustigt, über das hochtrabende Verhalten von Taktus. „Ich mach dir ein Angebot, nur weil du mir sympathisch bist. Du legst die Waffe weg, kommst mit und ich fang dich erst an zu foltern, nachdem wir in der Basis sind." Sein Schwanz peitschte über den Waldboden und es ließ seine doppelläufige Waffe sinken. Nun wirkte die Haltung für einen Gorelianer recht entspannt. Mit einem festen Schritt näherte es sich Taktus, bis plötzlich ein Schuss ertönte.
Kurz vor der Stiefelspitze des Gorelianer befand sich nun ein rauchendes Loch im Boden. Sein Schwanz begann noch zackiger zu peitschen. „Eine tolle Art nein zu sagen. Werd ich mir merken, wenn ich seine Platten abpflücke."
Taktus ließ sich von der Aussage nicht einschüchtern, schulterte sein Gewehr und begann an seiner Uniform zu arbeiten, wobei er seine Aufmerksamkeit immer noch auf die Echse richtete. Gorelianer liebten es, mit ihrer Beute zu spielen, und momentan hatte er genau diesen Status. Nach ein paar gezielten Handgriffen war der Umbau seiner Kleidung beendet. Seine grasgrünen Augen brannten regelrecht hinter dem Visier. „Ist schon traurig. Ich dachte, ich wäre mehr wert, aber sie schicken nur eine Drohne, um mich zu holen."
Sofort änderte sich die Haltung des Gorelianers, sein Körper versteifte sich, sein Schwanz hörte auf sich zu bewegen und die Luft wurde durch ein bedrohliches Knurren erfüllt.
„Vielleicht sollte ich zurückgehen zu den Landpolizisten? Die wirken kompetenter als der Asttreter hier vor mir."
Ein tiefes, bedrohliches Knurren breitete sich aus. Hinter den bebenden Lippen blitzen weiße Zähne hervor. "Ich bin Major Raganik von der königlichen Spezialeinheit und ich lasse. Mich. Nicht. BELEIDIGEN!", brüllte es und stürmte auf Taktus zu.
Er hatte sich aber auf diese Reaktion vorbereitet und nutzte den Abstand, den er zu der Echse hatte. Schnell drehte er sich auf den Zehenspitzen und sprang von der Klippe. Dort zeigte er stolz, an was er gearbeitet hatte. Seine Uniform war nun ein Wingsuit, neueste antianische Technologie zur Steigerung der Einsatzflexibilität. „Machs gut, Drohne!", rief er, so laut wie er es den Gegenwind zuließ. Nur um sicherzugehen, dass es die Echse auch mitbekam. Seine Uniform flatterte im Wind, als er in Richtung des Horizonts glitt. In Richtung von Wald, Deckung und lebender Ablenkung. In Richtung seines Landeorts und damit seiner Flucht.
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2091: Die Cryosoldatin
Science FictionMaria 'Mary' Schneider, eine hochdekorierte Soldatin, aus der Vergangenheit, muss sich nicht nur neuen Herausforderungen stellen, sondern auch einem neuen Leben. Das Jahr 1979, Kommandosoldaten einer geheimen Eingreiftruppe der UN werden von weitrei...