Kapitel 3-2 Jäger und Gejagte

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Getarnt durch die Smogwolken des nahen Industrieparks, flogen mehrere ältere Ganzmetalldoppeldecker durch die abendlichen Himmel. Eine gorelianische Eigenproduktion, technologisch so modern, wie der Brauch, Xantarakse in die Minen mitzunehmen, statt Gasmeldesensoren. Wie enttäuschend, dass eine so großartige Spezies wie die Gorelianer ständig auf geistiger Sparflamme laufen musste. Einer der Gründe, warum sich seine Rasse lieber auf fremde Technologien verließ. Doch der zuständige Luft- und Raumstützpunkt hatte nur noch diese Antiquitäten vorrätig. Von einem Zug an seiner Schweifspitze wurde Raganik aus seinen Gedanken gerissen.
„Major! Dieser Wichser hat grad eben 'ne Bombe gezündet! Hat fast Landpolis erwischt!" Der Pilot war der einzige an Bord mit einem funktionierenden Funkgerät und damit die einzige Verbindung zu den örtlichen Streitkräften. Das war Raganik sowieso lieber, so zog er es vor, nichts mit diesen Hinterwäldern zu schaffen zu haben. Seine Schnauze bebte, als er laut ausatmete, wobei seine spitzen Zähne sichtbar wurden.
„Du denkst, das juckt mich? Meine Männer sind hier oben, nicht da unten", knurrte er. Sein tiefes, aggressives Knurren würde ausreichen, damit jede andere Rasse verstummen würde. „Wie lange noch?"
„Drei vielleicht vier."
„Verstanden." Raganik drehte sich zu den restlichen Gorelianern um, die ihn, bis an die Zähne bewaffnet, begleitet hatten. „An eure Klappen!" Die Masse an Schuppen und Muskeln begann sich zu bewegen. Geordnet nahm jeder Soldat einen Platz in seiner Kammer ein. Waffen und Schwänze wurden überprüft und verstaut, dabei mürrische Blicke ausgetauscht. Sie waren die Besten der Besten, die brutalsten und härtesten ihrer Rassen, die berüchtigte 1. Luftlandedivision des Königs. Raganik selbst zwängte sich in eine der Abwurfkammern, so waren sie weder auf ihn, noch einer seiner kräftig gebauten Kollegen abgestimmt. Dazu kam noch die zu geringe Höhe der Kapseln, die ihn zwang, nicht mehr auf den Zehen laufen zu können, sondern auf dem gesamten Fuß. Eine der vielen Fähigkeiten der gorelianischen Rasse. Eine Weitere war die Nachtsicht, die sie von Natur aus besaßen, wodurch sie kein Problem mit der fehlenden Beleuchtung im Flugzeug hatten. Jetzt kontrollierte auch Raganik seine Waffe, ein umgebautes, doppelläufiges Maschinengewehr antianischer Produktion.
„Eins.", kam ein Statusupdate aus dem Cockpit.
Er ging im Kopf die Liste nochmal durch. Alle wussten, was sie zu tun hatten, alle wussten, wie die Zielperson aussah, und alle wussten, dass sie lebend gebraucht wurde. Währenddessen schnallte er seine Waffen an seine Brust, zusammen mit seinem Schwanz, den er zwischen den Beinen durchwand hatte.
„Bereit!"
Mit diesem Wort öffnete sich die Klappe unter seinen Stiefeln und er fiel in die Tiefe. Als Anführer war er natürlich der Erste, der abgeworfen wurde, Vorbilder mussten auch in ihrer grausamen Kultur existieren. Der Geruch von Abgasen drang in seine Nüstern, während er die grauen Wolken durchstieß. Die Minuten im freien Fall, bis zur Landung, waren jedes Mal was Besonderes. War es die Transition zwischen seinem Leben als Offizier und seinem Leben als Jäger.
Raganik schaute gerne auf seine perlweißen Krallen, die am Ende seiner vier Finger lagen. Er lechzte danach, sie bald in der Farbe antianischen Blutes glänzen zu sehen. Er fand die Ironie amüsant, so war fast alles an seiner Ausrüstung aus antianischer Produktion. Waffen, Schilde, sogar die Uniformen vermochten Gorelianer nicht mal selbst herstellen, so trug er nichts anderes als eine normale Stoffuniform, gefüttert mit seinen eigenen abgelegten Schuppen. Wobei diese schon eine natürliche Rüstung darstellten, dank der Metallanreicherungen.
Endlich durchstieß er die Wolken und sein Blick richtete sich auf die Landschaft der Region. Im Süden thronte ein mächtiger grüner Wald, während im Norden eine Minenstadt die Umgebung grau färbte. Sein Ziel war jedoch die Mitte, ein pissgelber Landstrich, in der sich die gesuchte Zielperson versteckte. Dank der Schutzhaut seiner Augen tränten sie ihm nicht, während der 200kg Klotz gen Oberfläche raste. Im passenden Moment zog er an einer Reißleine und ein Fallschirm breitete sich über seinem gehörnten Schädel aus. Beim Auslösen drehte er sich in die andere Richtung und war imstande, zu sehen, wie sich ein Schwarm aus Fallschirmen über den gelben Landstrich entfaltete. Sein Trupp verteilte sich, wurde eingesetzt wie Streuminen. Irgendjemand musste reintreten.
Raganik landete sicher auf einer Lichtung, rollte sich ab und schnitt den Fallschirmrucksack los. Er schnallte seine Waffe und Schwanz ab und stellte sich wieder auf die Zehen. Alles war still gewesen, kein Krach, der den Wind begleitete und an seinen Schuppen vorbei zischte. Keine Motorengeräusche eines Flugzeuges, die in den Ohren dröhnten. Nur er und seine Beute, in den Tiefen des Baumfriedhofs. Nicht ein Gedanke wanderte durch seinen Kopf, lediglich ein tiefer Atmenzug. Der Geruch von feuchtem Dreck und morschem Holz durchströmte seine Lungen. Inzwischen war es dunkel geworden und seine Nachtsicht zeigte ihm, was zwischen den Bäumen, jenseits der Lichtung, verborgen lag. Er bückte sich und ergriff eine Portion Schlamm. Damit bedeckte er sein Gesicht, bis seine schwarzen Schuppen und seine Narbe nicht mehr zu sehen waren. Mit seinem Schwanz wühlte er auch im Schlamm, sodass nur noch ein brauner Haufen im Nachtschwarz der Dunkelheit stand. Braune Uniform, braune Schuppen, dass einzigst Farbige, das verblieb, waren seine roten Augen gewesen.
Magazine und Granaten klimperten, als Raganik die Taschen seiner Weste durchsuchte. Seine Hand verspürte etwas Hartgummiartiges im linken Beutel und zog den kleinen schwarzen Lappen heraus. Früher einmal ein Teil von was Größerem, wird es auch in dieser Form hilfreich sein. Einem Atmenzug später hatte er den Geruch des Objektes in der Nase. Salzig, penetrant antianisch, mit einem Hauch von Sprengstoff. Dann hielt er seine Schnauze in den säuerlichen Abendwind und schloss die Augen. Nach einigen Momenten hatte er das ausmachen können, was er suchte und knurrte zufrieden. Dann atmete er tief ein, streckte die Brust raus und sein Maul in die Luft. Danach wurde der Wald von einem markerschütternden Brüllen durchweht, dem sich immer mehr entfernte Kameraden anschlossen. Nach einer Minute war die grausige Vorstellung vorbei, aber es war ein wichtiges Zeichen für jeden, der es hört. Die Jagd hat begonnen.

2091: Die CryosoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt