28. Kapitel

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     Voller Angst blickten Thalia und ich aus dem Fenster und sahen zu, wie Tyler, Ryker, Jax und Alec sich mit einem hellen Aufleuchten in Werwölfe verwandelt. Ein Zittern ging durch den Körper meiner Schwester und ein Schluchzen kam bebend über ihre Lippen. Angsterfüllt krallte sie ihre Hand in meine, während meine Mutter noch immer... ruhig wirkte. Da war diese Ruhe in ihrer Haltung, auch wenn sie versuchte das mit einem sorgevollen Blick wett zu machen. Allerdings nahm ein Teil in mir es ihr nicht ab. Gebannt starrte sie auf den Werwolf. Bei genauerem Hinsehen erkannte man, wie sich ihre Lippen bewegten. Sie schien etwas zu sagen. Worte, die ich nicht entziffern konnte, weil ich sie nicht hörte.
      Der Werwolf, der mit Blut befleckt war, fletschte die Zähne und knurrte die Rudel an. Mordlust flackerte in seinem Blick, die man jetzt gut erkennen konnte, da er näher gekommen war. Voller Sorge betrachtete ich Ryker, der bei Jax, Alec, Tyler und anderen Wölfen stand. Der andere Werwolf war noch immer ein Stück größer als sie, wuchtiger, muskelbepacker und doch... und doch schienen die Rudel sich einen genauen Plan zurecht gelegt haben. Sie formierten sich zu einem Kreis zusammen. Der Werwolf drehte sich herum und wieder zurück. Er schien zu erkennen, dass er nun eingekreist war. Zu kümmern schien es ihn aber wenig. Mein Vater spannte sich an und beobachtete das Spetakel, dass sich uns bot.
     Innerlich verfluchte ich mich dafür, nicht stark genug zu sein. Ich wollte ihnen helfen und nicht tatenlos hier sitzen. Ich wollte es einfach nicht. »Wie kannst du eigentlich so ruhig sein, Mum? Wir alle zittern und du? Du stehst nur da und machst nichts!«, schrie meine Schwester auf einmal und sprach damit das aus, was mir schon die ganze Zeit durch den Kopf gegangen war. Unsere Mutter sah und an und schenkte uns ein warmes Lächeln. »Ich habe Hilfe beordert. Es wird sicher alles gut werden.« Hilfe? Was für Hilfe? Die Frage schien man uns anzusehen. »Ein paar Hexen sind bereit den Werwolf zu bannen. Mit einem Spruch kann man ihn zahm wie ein Lamm machen. Ihr werdet schon sehen.«
     Meine Schwester und ich sahen uns an. Beide nicht sehr davon überzeugt. Denn... es ergab keinen Sinn. Jedenfalls nicht wirklich. Bannen... einen Werwolf? Warum hatten die Hexen das nicht früher angeboten? Etwa wegen der Fehde, die zwischen ihnen herrschte? Ich verstand es nicht. Stattdessen sah ich wieder aus dem Fenster. Der Werwolf hatte all seine Aufmerksamkeit auf die beiden Rudel um ihn herum gerichtet und wirkte nicht sehr erfreut darüber, von ihnen umringt zu sein. Immer wieder fletschte er die Zähne, knurrte und ging zu Angriffen über. Obwohl er von über 30 Werwölfen umstellt war störte es ihn nicht. Immer wieder pickte er sich einen Werwolf heraus und griff ihn an, ehe der andere schalten konnte.

      Ein paar Minuten später hielten sich nur noch 25 Werwölfe auf den Beinen. Mit großen Augen beobachtete ich das Geschehen und betete, dass das alles ein gutes Ende nehmen würde. Je länger der Kampf andauerte, desto stärker klopfte mein Herz und desto weniger wusste ich, was ich tun sollte. Sollte ich nur hier stehen und nichts tun? Was würde es dann aber bringen, wenn ich hinaus ging? Die Strategie des Rudels schien in manchen Punkten aufzugehen, doch der Werwolf schlug immer wieder zurück. Nur untätig zuzusehen war eine Qual. Eine Qual, die mir durch Mark und Knochen ging und schlimmer zu sein schien als alles andere auf der Welt.
     Am liebsten wäre ich hinausgerannt in den Frühlingsabend und hätte ihnen am liebsten geholfen. Gerne hätte ich ihnen mit allem geholfen was ich hatte und den Werwolf k.o geschlagen, doch leider wusste ich, dass mir das nicht möglich war. Jedenfalls nicht wirklich. Er war stark. Mindestens dreimal so stark wie ich. Wenn nicht sogar stärker. Es wäre David gegen Goliat gewesen, nur ohne die Schleuder. Ich würde verlieren, wenn ich dort hinausging. Leider war es aber auch nicht gut nur im Wohnzimmer zu stehen und aus dem Fenster zu sehen, als würde dort draußen ein Film laufen. Ein Teil in mir wünschte sich, dass es nur ein Film wäre. Leider spielte sich dort draußen die bittere Realität ab. Gleichzeitig überkam mich das Gefühl, dass auch das Rudel es nicht leicht hatte.
     Ein paar von ihnen lagen bereits am Boden und rührten sich nicht. Ich wusste nicht, ob sie tot waren oder ob sie nur bewusstlos am Boden lagen. In dem Moment, als ich Alec zu Boden stürzen sah, nachdem er auf den Werwolf gesprungen war, entglitt ein schriller Schrei meiner Kehle, der so laut in meinen Ohren widerhallte, dass selbst ich einen Moment zusammenzuckte. Kälte breitete sich in meinem Körper aus, als Alec nicht aufstand und liegen blieb. Neben mir schluchzte meine Schwester auf und schlug sich die Hand vor den Mund, während Tränen ihre Wangen hinabliefen. Verzweiflung war auf ihren sonst so weichen und warmen Zügen zu erkennen. Jede Sekunde erfasste ein Beben ihren Körper. Sie zitterte wie Espenlaub.

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