15. Kapitel

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     Nervös strich ich meine Kleidung glatt und hoffte, dass ich mich richtig dafür entschieden hatte, sofort in Sportkleidung zu erscheinen. Meine Wahl war auf eine schwarze Jogginghose gefallen und ein Croptop, unter dem ich einen schwarzen Sport-BH trug. Meine blonden Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden, jeglichen Schmuck hatte ich entfernt. Um meinen beschleunigten Puls zu beruhigen holte ich einmal tief Luft und drückte auf Play, um den Song von Zayn abzuspielen. Die Accoustic-Version von „I don't wanna live forever" hallte kurz darauf in meinen Ohren wieder und sorgte dafür, dass ich ruhig wurde. Seine engelsgleiche Stimme beruhigte meine angespannten Nerven. Der ruhige, wohlige Klang seiner Stimme schien die Unruhen in meinem Körper für Sekunde zu Sekunde mehr zu beseitigen.
       Fast war es so, als würde er behutsam über meine angespannten Nerven streichen. Nur statt mit Händen, mit seiner so sanften Stimme, die mich schon oft in den Schlaf gewogen hatte. Das pompöse und einzige Sportgebäude im Dorf ragte weit vor mir auf. Die Fenster funkelten im Licht der Sonne wie spitze Zähne, die dunkle Doppeltüre am Eingang wirkte wie der Eingang zur Hölle. Natürlich fand diese Vorstellung nur in meinem Kopf statt. Das hohe Gebäude, dass dennoch den Dorf-Flair behalten hatte, war in einem schönen warmen Orange gestrichen. An sich wirkte das Gebäude eher freundlich als trüb. Von der Ferne hatte es einladend gewirkt, doch jetzt, wo ich davor stand, ergriff die Panik Besitz von mir und ließ mich Dinge sehen, die es gar nicht gab. Die es auch gar nicht geben sollte. Denn die Fenster waren nur schöne Fenster, in denen sich die Sonne spiegelte und die Tür war nur eine schwarze Tür. Noch einmal holte ich tief Luft und versuchte meinen Puls zu beruhigen.
      Denn ich war nicht ruhig. Überhaupt nicht ruhig. Mein Vater hatte dafür gesorgt, dass meine Mutter mir das hier nicht ruinieren konnte. Er hatte dafür gesorgt, dass es fair blieb. Dennoch war ich mir sicher, dass die Leute hier wussten, wer ich war. Dabei war ich nur ein ganz normales Mädchen, dass einen Job suchte. Ein Mädchen, dass nur einen Job wollte. In diesem Moment war ich einfach nur Lani. Wollte einfach nur Lani sein. Ich wollte nicht die Lani Walters sein, deren Eltern reich waren. Ich wollte nicht das reichste Mädchen im Dorf sein. Ich wollte die Lani sein, die morgen vielleicht schon mit Kindern Joggen gehen würde. Langsam ging der Song zu Ende und ich wusste, dass ich mich nicht länger davor drücken konnte. Es blieb mir einfach keine andere Wahl. Also holte ich einmal tief Luft, schaltete mein Handy ab und ging auf die Doppeltüre zu. Vorsichtig drückte ich sie auf und fand mich in der Empfangshalle wieder.
      Warme, einladende Farben strahlten mir entgegen. Bilder von Preisen die gewonnen worden waren, von strahlenden Kindern, von glücklichen und unglücklichen Momenten hingen an den Wänden. In der Mitte der Bilder stand ein Spruch: »Der Weg zum Gipfel mag anstrengend sein, aber lohnenswert.« Bei diesen Worten legte sich ein Lächeln auf meine Lippen. Kurz erfasste ich noch ein paar weitere Bilder, dann wandte ich mich der Empfangsdame zu, die vor ihrem Computer stand und etwas zu tippen schien. Als sie meine Schritte vernahm, hob sie den Blick und brachte ein Lächeln auf ihre rosabeschmierten Lippen. »Hallo. Du musst sicher Lani Walters sein. Mr. Grady wird gleich kommen und Sie abholen.« Ich blinzelte. Sie kannte mich bereits. Eigentlich war das nicht verwunderlich. Dennoch fühlte ich mich... merkwürdig.

     Ein Teil in mir wollte nicht gekannt werden. So verrückt das klang. Ein Teil in mir wollte nur einmal im Leben in einen Raum laufen, ohne gleich erkannt zu werden. Mein Outfit hatte mich sicher nicht verraten. Denn ich trug keine Desingerkleidung und sah aus wie jeder andere hier auch. Nur anscheinend hatte es nicht so geklappt, wie ich mir das vorstellte. Irgendwie schaffte ich es dennoch, dass meine Mundwinkel sich zu einem Lächeln hoben. »Ja, die bin ich.« Die Frau lächelte wieder, dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. Kurz darauf hallte nur das Geräusch der Tastatur in der Empfangshalle wider. Sie tippte schnell und konzentriert, ihre schwarzlackierten Fingernägel flogen über die Tastatur, als müsste sie einen Wettbewerb gewinnen. Als müsste sie jetzt gleich damit fertig sein. Während ich nervös darauf wartete abgeholt zu werden, sah ich mich weiter um. An den Wänden hingen sehr viele Bilder.

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