22. Kapitel

1.4K 86 0
                                    

     Ryker strich mir durch das Haar, während wir auf der Terrasse saßen und zusahen, wie immer mehr und mehr Sterne am Himmel aufleuchteten. Ich genoss es, wie seine große Hand immer und immer wieder über mein Haar glitt. Ich genoss es, wie er immer wieder mit einer Strähne meiner Haare blonden Haare spielte und sie spielerisch um seinen Finger wickelte. »Denkst du, dass ihr den Werwolf finden werdet?«, fragte ich leise, da ich es nicht wagte lauter zu sprechen. Ryker sah zu mir und etwas Dunkles flackerte in seinem Blick auf. »Das ist schwer zu sagen. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, dass wir alle vorsichtig sein müssen. Alle zusammen. Denn etwas an der Sache ist einfach nicht richtig.«
     Einen Moment lang wollte ich widersprechen. Der naive Teil in mir wollte ihm sagen, dass doch alles in Ordnung war und das er sich keine Sorgen machen sollte. Allerdings schaltete ich diesen Teil ab, bevor er es über meinen Mund zur Sprache bringen konnte. Denn es stimmte nicht. An dieser Sache war etwas faul. Nur wusste niemand so genau was das sein sollte. Es konnte alles sein. Wirklich alles. Niemand konnte sicher sagen was genau das war. Niemand. »Ich hoffe einfach, dass alles gutgehen wird«, murmelte ich und lehnte mich erschöpft an ihn. Der Tag schien doch länger gewesen zu sein, als ich dachte. Meine Augen brannten je länger in den dunklen Sternenhimmel blickte und mich für einen Moment fragte, wie spät es war.
     Allerdgins war das nicht weiter wichtig, denn in Rykers Armen war es gemütlich und schön mollig warm. Seine Arme spendeten genau die richtige Portion an Wärme für mich. Etwas, das ich nie wieder vergessen wollte. »Du bist mir also nicht mehr böse?« Zaghaft sah Ryker mich an. Sanft schüttelte ich den Kopf. »Nein.« Erleichterung machte sich in seinen Augen und dann auf seinen markanten Zügen breit. Einen so erleichterten Ryker zu sehen hätte ich nicht erwartet. Sonst wirkte er immer so gelassen und ruhig. Doch es zeigte mir, dass ich ihm wichtig war, dass ihm unsere Beziehung wichtig war. Es zeigte mir einfach so viel. Mein Herz begann zu rasen, meine Gedanken drohten sich zu überschlagen und ich spürte wie ein Kribbeln in meinem Bauch aufstieg. Ryker schaffte es alle Emotionen in einem Blick auszudrücken .

      Man wusste auch ohne tief in seine Seele sehen zu können, was in seinem Kopf vorging und das war das Schönste, was er tun konnte. Es tat gut einfach so in seine Seele sehen zu können. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, dass es einem möglich war einfach so in die Seele eines anderen sehen zu können und die Emotionen in seinen Augen zu erkennen. Er schenkte mir ein kleines Lächeln. »Dann bin ich aber froh. Ich könnte es nicht aushalten, wenn du sauer auf mich wärst. Wirklich nicht. Das wäre eine Strafe für mich. Das meine ich wirklich ernst. Das wäre eine schreckliche Strafe für mich.« Mein Herz krampfte bei seinen Worten etwas – nicht nur, weil er mich dabei so intensiv ansah, sondern weil er mir mit seinem Blick zeigte, wie die Stunden für ihn gewesen sein mussten, in denen er gedacht hatte, dass ich ihm nicht verzeihen würde.
     Dabei hatte ich keine Sekunde daran gezweifelt ihm zu verzeihen. Eher im Gegenteil. Ich hatte daran gedacht ihm zu verzeihen, war nur noch nicht ganz dafür bereit gewesen. Ein Phänomen, dass man niemanden so richtig erklären konnte. Ich war nicht die Person, die lange wütend war. Nicht wirklich jedenfalls. Was meine Mutter betraf würde ich vermutlich länger brauchen um ihr wirklich zu verzeihen, doch was Ryker betraf ging das relativ schnell. Sogar sehr zügig. Mein Blick glitt über sein Gesicht hinweg. Ich musterte seine Züge, den Bartschatten und seine Lippen, die sich zu einem Strich verzogen hatten, angesichts der Vorstellung, dass ihm die Vorstellung wehtat, dass ich immer sauer auf ihn sein würde.
     Dabei war das praktisch unmöglich. Niemals konnte ich ewig sauer auf ihn sein. Instinktiv nahm ich nun seine Hand in meine und drückte sie fest. Das Lächeln auf seinen Lippen wurde breiter, seine Augen strahlten wie zwei Sterne am Nachthimmel. »Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass ich dir nicht verzeihen würde. Tut mir leid. Das war nicht der Plan. Wirklich nicht. Ich wollte dir verzeihen. Nur war ich im ersten Moment einfach nicht bereit dazu. Glaub mir. Meist ist das sehr kompliziert. Ich wusste nicht genau, was ich davon halten sollte und im ersten Moment war ich einfach überfordert. Flucht war mein erster Instinkt, um meine Gedanken neu zu ordnen.« Ryker nickte und drückte meine Hand. »Ich bin nur froh, dass du mir verziehen hast.« Eine Weile saßen wir noch da und betrachteten den Sternenhimmel, der über uns klarer und klarer wurde, je weiter die Nacht den Tag verdrängte. Erst als meine Mutter die Tür hinter uns aufschob und sagte, dass es schon spät sei, standen wir beide auf und gingen nach drinnen. In den Augen meiner Mutter lauerte noch immer dieser Hoffnungsschimmer. Die Hoffnung darauf, dass ich verzeihen würde. Doch darauf musste sie lange warten. Denn sie hatte mir Ryker mit ihrem dummen Plan genommen. Sie hatte eine Hexe angeheuert, damit diese mich dann alles vergessen ließ.

Caged Hearts ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt