Kapitel 4

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Elyna POV

Fast schon panisch scannen meine Augen den Hörsaal ab, immer, wenn die Tür sich öffnet, setzt mein Herz für einen Moment aus, aber es bleibt still. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll, oder ob es mich stört. Ich war noch nie gut darin Freundschaften zu schließen, aber dass sie nach gestern nicht mal mehr zur Vorlesung kommt ist noch eine Stufe härter.
Während der gesamten Vorlesung ist nichts von ihr zu sehen. Das unangenehme Gefühl in meinem Brustkorb ignoriere ich so gut es geht und versuche wenigstens ein bisschen von dem was der Professor sagt mitzubekommen. Keine leichte Aufgabe, wie es sich heraus stellt.
Später habe ich noch eine Vorlesung, dann noch eine Übungsgruppe und dann endlich kann ich nach Hause. Aber jetzt habe ich erst einmal eine Menge Zeit um in Ruhe etwas zu essen und mich von all dem Tumult auf dem Campus zu erholen.
Ich schlendere über den großen Platz, vorbei an einer Wiese, auf der sich Studenten im Gras niedergelassen haben und schließlich die Allee entlang bis zum Parkplatz. Mein Auto steht ganz hinten, direkt neben der Einfahrt.

Mit schnellen Schritten steuere ich meinen kleinen weißen Käfer an, weg von all den Menschen, die mir eine ungeheure Unsicherheit geben. Ich verliere mich in die Gedanken, die sich bis jetzt haben zurück drängen lassen. Wieso war es heute so anstrengend? Ich hatte während der gesamten Vorlesung ein erdrückendes Gefühl, als würde mir die Luft zum Atmen genommen werden. Aber wieso war es nicht gestern schon so, was war heute anders?
Erst als ich ein Hupen höre, bemerke ich, dass ich mitten auf der Straße stehen geblieben bin. Ich wische mit meinem Arm über mein Gesicht und starre entgeistert auf die Tränen. Schon so lange hatte ich keine Angst mehr vor Menschenmengen, doch heute scheint mir das ganze über den Kopf zu wachsen.
Ein erneutes Hupen ertönt hinter mir und bringt mich noch einmal zurück ins hier und jetzt. Ich bin immer noch unfähig mich zu bewegen, meine Beine zittern vor Angst und die Tränen verschleiern meine Sicht. Das nächste was ich höre ist eine Faust die auf Metall trifft.
Erschrocken drehe ich mich um und reiße meine Augen weit auf. Ich kann die Situation noch nicht erfassen als die ersten Wortfetzen an mein Ohr dringen.
"Da sind tausend freie Parkplätze, schieb deine Klapperkiste doch woanders hin." Die wütende Stimme von einem nicht ganz unbekannten Menschen dringt an mein Ohr und sorgt dafür, dass mein Herzschlag sich unweigerlich beschleunigt. Die Haare an meinen Armen stellen sich auf und jagen mir eine ungewohnte Gänsehaut über den Körper.
Es muss die Angst sein, das sag ich mir immer wieder. Dieses Gefühl ist bestimmt nur Angst, aber es fühlt sich nicht danach an. Aber wonach dann?
Genervt legt der Autofahrer den Rückwärtsgang ein und fährt davon. Sie hingegen dreht sich um und blickt mir direkt in die Augen. In ihrem Gesicht ist etwas weiches zu sehen, während ihre Schritte so hart wirken. Die Aura, welche ihren Körper umgibt ist unnahbar und untermalt ihr dominantes Auftreten.
Dicht vor mir bleibt sie stehen, ihr Blick liegt immer noch auf meinem und ich muss meinen Kopf ein Stück heben. Sie ist nicht sonderlich größer als ich, vermute ich zumindest, aber ihre hohen Schuhe legen bestimmt noch einmal 10 cm drauf.
"Layla." sagt sie lediglich und hält mir ihre Hand mit den wunderschönen Fingernägeln hin.
"E..El...Elyna." ich höre, dass ich stottere, ich merke, wie ich zitter, aber sie lacht mich nicht aus. Immer noch ist ihre Hand ausgestreckt, in der Erwartung, dass ich sie ergreife. Ruhig, ohne aufdringlich zu wirken, wartet sie ab.
Zu meinem erstaunen hebe ich meinen Arm und schließe meine viel zu schwitzigen und eisig kalten Finger um ihre. Ein elektrisierendes Gefühl strömt durch meinen Körper, es beginnt zu kribbeln, erst in der Hand und wandert dann immer tiefer, bis es bei meinem Bauch angekommen ist.
„Schön dich kennenzulernen, Elyna." flüstert sie nah an mir, während es sich so anhört, als würde sie meinen Namen liebkosen. Sie bemerkt das Zucken, welches durch meinen Körper fährt und grinst mich schelmisch an. Als unsere Hände sich trennen, entsteht eine unglaubliche Leere in meinem Körper, die sich danach sehnt wieder berührt zu werden.
Es muss langsam lächerlich wirken, wie ich sie anstarre und dabei völlig in Gedanken bin. Deshalb drehe ich mich um und laufe schnell weiter. Bis zu meinem Auto ist es nicht mehr weit, aber ich spüre wie sie mir folgt.
Meine Beine tragen mich wie von selbst, meine Hand wandert automatisch in meine Tasche und findet den Schlüssel.
Ich erwarte nicht, dass sie sich mit in mein Auto setzt und das tut sie auch nicht. Sie läuft weiter, aber erst als sie sich noch mal umdreht und mir direkt in die Augen schaut. Diese kleine Geste verfehlt nicht seine Wirkung und ich spüre, wie mir augenblicklich heiß wird.

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