Kapitel 16

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Elyna POV

Ich kann den verschleierten Blick in Laylas Augen nicht deuten, aber instinktiv nehme ich ihn als pures Verlangen wahr, Verlangen nach mir. Dieses Gefühl wird wenig später bestätigt, als ihre Lippen auf meinen landen und mir einen intensiven Kuss aufdrücken, der dennoch so sanft ist, dass ich zu schmelzen drohe. Innerhalb von wenigen Sekunden hat mein Gehirn sich verabschiedet, ebenso wie der Halt meiner Beine, aber das ist egal, denn Layla presst mich so fest gegen die Wand, dass ich nicht zusammensacken kann.
Die Hitze ihrer Haut wandert sofort in meine Körpermitte und entfacht dort diese Lust wieder, welche mich das ganze Wochenende begleitet hat. Ihre Finger graben sich in meine Haare und halten meinen Kopf fest. Aber ich will auch gar nicht fliehen, denn zum ersten Mal spüre ich was Leidenschaft ist.

„Layla, Stopp, ich bekomm keine Luft mehr." ich lache, weil ich einfach in diesem Moment zu glücklich bin. Ich könnte die ganze Welt umarmen.
„Tut mir leid." schmunzelt sie zurück und zeigt mir ihre perfekten weißen Zähne. Trotzdem ist sie mir noch immer so nah. Ihr Herz schlägt gegen das meine und beide um die Wette.
Langsam schließen sich meine Augen, mein Kopf wandert wie von selbst nach oben und dann treffen meine Lippen auf ihre. Erneut wird das Feuer in mir entfacht.

Ich sitze bei meiner Mutter am Küchentisch und grinse verliebt meinen Tee an. Völlig in Gedanken, nicht in der Lage auch nur ein Wort meiner Mutter zu verstehen.
„Was ist denn heute mit dir los, mein Schatz?" sanft rüttelt sie an mir, sieht mich jedoch noch immer mit warmen, fröhlichen Augen an. Ich weiß, dass ich ihr die Wahrheit nicht ewig verschwiegen kann, dafür kennt sie mich zu gut.
„Ach nichts." Lüge ich, obwohl ich weiß, dass meine Mutter es merkt.
"Weißt du, ich hab dich schon lang nicht mehr so fröhlich gesehen, aber egal wer dafür verantwortlich ist, vergiss nicht, dass du bald heiraten wirst." Auf Ende des Satzes wird die Stimme meiner Mutter immer warnender und ich weiß, dass sie recht hat, auch wenn es mir nicht gefällt.
Aber soll ich Layla wirklich von mir stoßen? Jetzt da ich mich geöffnet habe. Wie lange habe ich gegen diese Gefühle gekämpft und nun da ich weiß, wie es sich anfühlt ihre Lippen auf meinen zu spüren und ihre Hände an meinem Körper, ist es wie eine Sucht, die ich nicht abzustellen vermag.
Ich kenne diesen enttäuschten Blick und diese passiven Vorwürfe. Mein ganzes Leben hat sie mich bereits damit kontrolliert und ich habe es jedes Mal zugelassen. Dieses Mal wird es nicht anders sein, auch wenn ich mir gerade noch denke, dass sie unrecht hat, aber sobald ich daheim bin, werde ich ihren Rat wieder annehmen.
„Ich weiß, Mutter. Mach dir bitte keine Sorgen." Ich versuche mich an einem Grinsen und blicke ihr direkt in die Augen, welche mich noch immer scharf anblicken. Wenn ich nicht ganz schnell das Thema wechsle, dann habe ich eine riesen Diskussion am Hals.
„Ich habe eine Freundin gefunden." sage ich stolz und weiß aber im selben Moment, dass ich mich auf ganz dünnem Eis bewege. Meine Mutter weiß nicht, was für eine Freundin Layla ist und was uns verbindet. Das soll auch so bleiben, wenn ich ehrlich bin.
„Tatsächlich? Ich hätte nie zu Träumen gewagt, dass du dich doch noch jemandem öffnest." Plötzlich ist das potentielle Streitthema von eben vergessen und das Gesicht meiner Mutter strahlt vor Freude. Ja, solang sie nicht weiß, in welchem Ausmaß ich mich Layla geöffnet habe.
Die Erinnerung an den Kuss von heute Vormittag zieht direkt in mein Schoß und ich muss mich zusammenreißen diese Gedanken endlich zu verbannen. Aber das gelingt mir nicht so wie ich will. Die Hitze steigt mir in die Wangen und verrät meine Erregung. Ein Blick zu meiner Mutter zeigt mir, dass sie auch bemerkt hat, dass etwas nicht stimmt.
„Ich sollte besser gehen, Markus kommt bald heim." Mit diesen Worten stehe ich auf, nehme meinen Mantel und schleiche Richtung Tür. In meinem Rücken spüre ich den brennenden Blick meiner Mutter und in mir das unstillbare Verlangen ihr zu gefallen.
Die Türklinke in meiner Hand fühlt sich kälter an, als erwartet, doch ob das an der allgemeinen Stimmung oder der von draußen hereinziehenden Kälte liegt, weiß ich nicht. Ich muss hier weg und das so schnell ich kann. Noch ein Wort meiner Mutter und ich breche in Tränen aus, zu tief sitzt der Schmerz, den sie in mir auslöst.

Daheim schmeiße ich meinen Mantel achtlos auf die Couch und falle daneben. Normalerweise bin ich ein echter Ordnungsfreak, aber solang ich nicht einmal meine eigenen Gedanken und Gefühle sortieren kann, muss meine Umgebung wohl leiden. Die erste Träne läuft mir bereits über die Wange, als mein Gewissen noch damit beschäftigt ist die Tatsachen zu sortieren.
Plötzlich wird mir bewusst, was ich eigentlich getan habe. Ich habe ihn betrogen, ich habe meinen Verlobten betrogen mit einer Frau. Und zwar nicht mit irgendeiner, sondern mit Layla, der Person, die auf mich eine Anziehung wirkt, welche ich noch nie zuvor verspürt habe.
Ich schlage mir die Hand vor den Mund in der Hoffnung die aufkommenden Schluchzer zu ersticken, aber die dicken Tränen laufen immer weiter und weiter. Bin ich ein schlechter Mensch? Ich weiß die Antwort auf diese Frage nicht, aber dafür wird mir klar, was ich als nächstes tun muss. Layla hat etwas anderes verdient, etwas, das funktionieren kann und dafür bin ich leider vollkommen ungeeignet.

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