Kapitel 6

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Elyna POV

Ich sollte nicht noch einmal geschockt von diesem Temperament sein, doch ich bin es. Wie auch schon vorhin, als der Autofahrer mich angehupt hat, zeigt sie ihrem Gegenüber mit jeder Faser ihres Körpers, dass sie ihn nicht ausstehen kann und ihr scharfer Ton hallt bis zu mir. Ich schlucke schwer, bevor ich auf sie zu gehe, auch wenn ich innerlich spüre, dass sie zu mir anders wäre.
Nichts in ihrem Gesicht lässt darauf schließen, dass es ihr unangenehm ist, dass ich es gesehen habe, ganz im Gegenteil, ihr verschmitztes Grinsen ist das eines Rebellen.
Ich schenke dem Kerl keine Beachtung, auch wenn er immer noch perplex an Ort und Stelle steht. Ohne mich weiter in dem Raum umzusehen, bin ich ihrer stummen Aufforderung gefolgt, wieso, weiß ich selbst nicht. Meine Beine haben mich ganz von selbst zu ihr getragen.
„Hey." flüstert sie mit einem anzüglichen Unterton, der mein Herz zum flattern bringt. Ich nehme ihre Tasche hoch und setze mich neben sie. Mehr als ein schüchternes Lächeln bekomm ich nicht zustande, da ihre Anwesenheit mir immer wieder die Sprache verschlägt.
Die Klamotten, die sie heute trägt, würde ich mich einmal zum Feiern gehen tragen, aber es betont ihre schöne Figur.
Das kurze schwarze Kleid hat einen gewaltigen Ausschnitt und ich wette, dass es eine ihrer Brüste entblößen könnte, sollte sie sich zu weit vorbeugen.
Ihre schönen Lockenhaare hat sie zu einem hohen Zopf gebunden, der die nackte Haut ihrer Schultern frei legt.
Unsere Arme berühren sich aus Versehen, als sie sich etwas vorbeugt um mir in die Augen zu sehen und ich weiß nicht, was mir mehr den Atem raubt, die kurze Berührung mit ihrer Haut oder der intensive Blick, den sie mir schenkt. Das Wirrwarr an Gedanken in meinem Kopf lässt sich kaum sortieren und führt dazu, dass ich mich abermals nicht auf die Vorlesung konzentrieren kann.

Ich ertappe mich dabei, wie ich mir wünsche, dass sie in der selben Übung wie ich ist und wir auch da wieder nebeneinander sitzen können, dass wir gemeinsam die Pausen verbringen und sich alles irgendwann normal anfühlt. Aber das wird es nicht, weil das was ich fühle unmöglich für mich ist.
Ich stehe nicht auf Frauen und ich bin verlobt, zwei Dinge, die Tatsachen sind und keine Wunschvorstellungen. Würde ich mich in Layla verlieben, wenn ich single wäre? Ich weiß es nicht und dieser Gedanke macht mir angst, denn eigentlich sollte es ein klares „Nein" sein, aber das ist es nicht.
Ich versuche mich damit zu beruhigen, dass sie bestimmt auf Männer steht, aber ihr schmachtender Blick, den sie mir ständig zuwirft, sagt etwas anderes.
Mit zittrigen Händen nehme ich mein Handy aus der Tasche und öffne Instagram. Ich wusste, wenn ich ihr meinen Namen sage, dann sucht sie mich sofort, deswegen habe ich vorhin ungeduldig im Auto darauf gewartet.
Ich öffne ihr Profil und tippe eine Nachricht ein. Natürlich sitzen wir direkt neben einander, aber hier ist es so still, dass es auffallen würde, wenn wir uns unterhalten. Noch nicht ganz fertig mit der Frage, ob sie in der selben Übung wie ich ist, spür ich ihren Atem an meinem Ohr.
Ich wage es nicht mich umzudrehen und in ihre tiefen Augen zu sehen, deswegen halte ich lediglich die Luft an. Erstarrt zu einer Statue warte ich ab, was sie nun tun wird. Als sie ihren Mund öffnet, spüre ich ihre Lippen an meinem Ohr, so zart und weich.
„Ich hoffe es." flüstert sie so leise und verschwörerisch, dass sich jedes Härchen an meinem Körper aufstellt und mir eine angenehme Gänsehaut über den Körper jagt. Die Stimmen in meinem Kopf, die mir sagen, dass ich bereits vergeben bin und nicht auf Frauen stehe, werden immer leiser, aber sie verschwinden nicht.
Ohne die Nachricht abzuschicken, schließe ich Instagram und stecke mein Handy wieder weg.

Die Vorlesung vergeht quälend langsam und mit jeder Minute wird es unerträglicher neben ihr zu sitzen. Ich versuche angestrengt das kribbelnde Gefühl zu ignorieren, welches sie in mir hinterlässt, aber es wird schwerer.
Als der Professor uns endlich entlässt, verlasse ich beinahe fluchtartig den Raum, doch Layla folgt mir. Sie klebt an mir, ebenso wie ihre Blicke und ihr schrecklich guter Geruch.
„Raum 304" sagt sie, während sie mich überholt und sich vor mich stellt. Ausgebremst von ihrem Körper stehe ich etwas verloren vor ihr.
Es dauert gefühlt eine Ewigkeit, bis ich ihre Frage verstehe und ihr antworte. Mehr als ein Nicken bekomme ich jedoch nicht zu Stande, zu aufgewühlt sind meine Gefühle und die Angst, meine Stimme könnte versagen.
„Na dann komm." Layla hakt sich bei mir ein, als wären wir bereits seit langer Zeit beste Freunde und zieht mich mit. Die Stelle, an der sie meine Haut berührt, fühlt sich eigenartig an - so elektrisierend.

Selbst als ich endlich daheim bin, kann ich dieses Durcheinander nicht abschalten. Plötzlich stören mich Dinge, die mich früher nicht interessiert hätten und Sachen, die ich hasse sind mir egal. Wie, dass Markus schon wieder später von der Arbeit kommt, obwohl er die Überstunden nicht mal aufschreibt.
Also sitze ich hier, auf der Couch, schaue TV obwohl ich nichts mitbekomme und denke über sie nach.

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