Als ich das Kreuz von weitem sah wurde ich zunehmend unruhiger. Wenn ich ehrlich war, ich hatte nicht wirklich überlegt, was ich tun würde, wenn ich dort ankommen würde. Auch hatte ich keine Vorstellung von dem, was mich erwarten würde. Meine größte Angst war, dass Jackson gar nicht mehr am Leben war.
Aber das würde ich ja gleich sehen.
Die Schusswaffe, die ich aus Ryans Schlafzimmer geklaut hatte, drückte unangenehm gegen meinen Bauch. Durch die gebückte Haltung lag sie in meiner Tasche in einem unvorteilhaften Winkel und erst jetzt kam mir ein wichtiger Gedanke.
War sie überhaupt geladen?
Verdammt! Innerlich schlug ich mich dafür, dass ich nicht nachgesehen hatte. Das bewies mal wieder meine Unerfahrenheit. Ich hatte echt noch keine Waffe verdient. Ärgerlich senkte ich für einen Moment den Kopf. Ich wollte mir nicht sämtliche, schreckliche Szenarien ausmalen. Stattdessen sollte ich positiv denken und objektiv bleiben. Nur gelang mir das nicht, es ging immerhin um Jackson!
Unsicher schaltete ich einen Gang runter und fuhr über die kleine Anhöhe. Der Parkplatz war weitestgehend leer. Doch dann blieb mein Blick bei der dunklen MV Agusta hängen und der Person darunter.
Mein Atmen stockte.
Was, wenn es Jackson war? Unbewusst erhöhte ich meine Geschwindigkeit wieder und fuhr auf den Platz. Rechts fuhr ich um das Kreuz herum und blieb stehen. Ich klappte mein Visier nach oben und betrachtete die Person unter dem Motorrad. Keine Ahnung, wer das war, aber Jackson war es nicht.
So stieg ich vom Motorrad, legte meinen Helm auf die Sitzbank und sah wieder zu der Leiche, um eine Bestätigung zu erhalten, dass es nicht mein Alpha war.
Erleichtert atmete ich auf, bis ich einen dumpfen Schlag hörte. Misstrauisch lief ich weiter um das Kreuz herum und hatte freie Sicht auf einen weißen Lamborghini. Davor rollten zwei Männer über den Boden und der größere schlug auf den kleineren ein.
Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, dass der untere Jackson war und der über ihm offenbar der Feind.
Sie beachteten mich nicht. Sahen mich nicht. Hörten mich nicht. Zu sehr waren sie mit sich beschäftigt und ich fühlte mich wie ein unbeteiligter Zuschauer. So, als stünde ich gar nicht hier. Dennoch lag der Ausgang dieses Kampfes wahrscheinlich in meiner Hand. Gerade zuckte meine Hand zu meiner Jackentasche, da übernahm Jackson wieder die Oberhand und drehte den Spieß einfach um.
Unsicher, was ich jetzt tun sollte, rührte ich mich nicht.
Der Dunkelhäutige war mir fremd, aber ich konnte mir vorstellen, dass es Zayn war. Wer sonst? Niemand würde es sonst wagen, allein gegen Jackson zu kämpfen und auch fuhr meines Wissens niemand von uns einen Lamborghini.
Zayn schlug Jackson ins Gesicht und setzte sich auf ihn. Anschließend drückte er ihm die Luft ab und der Alpha wand sich verzweifelt unter ihm. Ihm fehlte offensichtlich die Kraft. Jackson war ausgelaugt und das Adrenalin schien verbraucht. Zu lang war der Tag und viel zu kräftezerrend.
Doch dann ertönte ein lauter Knall und Zayn klappte in sich zusammen.
Jackson sah schockiert zu seinem Gegner, der nun auf ihn lag und mit starren Augen zur Seite blickte. Blut zierte seinen Schädel. Ein glatter Durchschuss. Zitternd betrachtete ich die Szenerie und anschließend meinen ausgestreckten Arm mit Ryans Waffe.
Ich hatte geschossen.
Dieser Gedanke setzte sich bei mir fest und ließ mich erschrocken einatmen. Ich hatte geschossen. Ich hatte jemanden getötet! Immer noch zittrig ließ ich den Arm mit der Waffe sinken und sie fiel zu Boden. Doch ich hörte den Aufprall nicht. Alles war still und verschwamm.
Ich war ein Mörder!
Ich hatte immer gesagt, dass ich niemals töten würde. Jackson hatte sich damals darüber lustig gemacht und meinte, dass sich das noch ändern würde. Und er hatte recht.
Fassungslos ließ ich meine Schultern nach unten sacken. Einzig und allein der tote Körper zählte, an dem ich schuld war. Dieser wurde gerade von Jackson runter geschoben und landete auf den Asphalt, der sogleich vollgeblutet wurde. Meine Atmung wurde schwerer und ich vermutete zuerst einen Anfall, dabei war es wahrscheinlich nur der Schock.
Doch als ich Jackson sah, wie er mich erschrocken ansah und sich aufrichtete, wusste ich wofür das war. Ich wollte ihn schützen. Um jeden Preis. Dafür würde ich sogar töten.
„Miles?", fragte er.
Seine Stimme klang weit weg und ich nahm ihn kaum war. Irgendwie schien alles so surreal und nicht wie die Wirklichkeit. Jackson kam auf mich zu und die Anspannung fiel von mir. Sie machte Platz für eine unendliche Leichtigkeit und ich konnte auch wieder normal atmen. Ihm ging es gut. Das war alles, was im Moment wichtig war.
Jackson stand nun vor mir und ich musste leicht hochsehen. Die Erschöpfung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ebenso der Schock. Aber auch Erleichterung und Zuneigung.
Sein Gesicht hatte einige Läsuren und an seiner Wange lief das Blut herunter bis zu seinem Kinn. Zudem war sein linkes Auge geschwollen und gerötet. Ich wollte mir seine Kopfschmerzen erst gar nicht vorstellen. Auch seine Kombi war verschmutz, hatte ihn aber wahrscheinlich auch vor weiteren Schlägen geschützt. Das Leder und die Protektoren hielten schließlich so einiges aus.
Ich verzog meinen Mund etwas wegen seiner Verletzungen und die Stille zwischen uns war auf eine gewisse Art und Weise angenehm. Sie wirkte vertraut. Es brauchte keine Worte.
Dann umarmte er mich. Als hätte ich es geahnt schlang ich meine Arme ebenfalls um seinen Rücken und wir drückten uns aneinander als würde das Fehlen des anderen unseren Tod bedeuten. Meine Finger krallten sich in seine Kombi und ich spürte, wie er die Luft erleichtert gegen meinen Nacken ausstieß.
Eine ganze Weile standen wir so da und wollten uns nicht lösen.
Meine Augen hatte ich erst geschlossen und genoss seine Wärme, doch nun öffnete ich sie und blickte in den klaren Sternenhimmel über uns. Kein einziges Geräusch störte. Nicht einmal der Wind wehte. Nur unser Atem war leicht zu hören und ich stieß abermals die Luft vor Erleichterung aus. Der Mord nagte nicht länger an mir. Das, was ich gewonnen hatte war viel wichtiger.
Und ich hatte Jackson damals nicht geglaubt, dass ich dies eines Tages tun würde.
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RIDERS ~ Burn For This
Action• 𝐁𝐚𝐧𝐝 𝐈 • Als Miles nach San Diego kommt, sucht er den Adrenalinkick, das alltägliche Leben hat er satt. Sein Weg führt ihn zur Hydra, einer kriminellen Motorradgang, die ihn höchstwahrscheinlich auf die falsche Bahn bringen wird. Nur gibt es...