| 47 | 𝐉𝐚𝐜𝐤𝐬𝐨𝐧

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Gestresst lief ich durch die Halle mit Miles im Schlepptau. Ich würde es wahrscheinlich niemals zugeben, aber der kleine Braunhaarige war mir ans Herz gewachsen. Er war irgendwie anders als die Anderen, in welcher Hinsicht wusste ich nur noch nicht ganz.

Da er nun zu uns gehörte und auch seinen ersten Auftrag hervorragend gemeistert hatte, war ich der Meinung, dass er das Schießen lernen sollte. Im Allgemeinen müsse er langsam mal in unsere Welt eingeführt werden. Denn die bestand nicht nur aus Motorradrennen und Maschinentuning, sondern auch aus Waffen -und Drogenhandel. Mit Beidem hatte er bisher wenig zu tun gehabt. Und genau das wollte ich ändern.

„Hab ich irgendetwas verbrochen?", fragte Miles unsicher.

Verwirrt drehte ich mich um. „Nein, wie kommst du darauf?" Hatte ich ihm etwa mit meiner Ansage so verunsichert?

„Naja, du wirkst so angespannt", äußerte er sich und holte zu mir auf, damit wir nebeneinander laufen konnten.

Ich atmete laut aus. „Ach, das liegt nur daran, dass mir die Feier mit meiner Familie im Nacken sitzt, sonst nichts", entgegnete ich und verspürte kurioserweise den Drang meine Sorge darüber mal abzulassen. Normalerweise tat ich so etwas nur bei Nero, doch dieser verstand mich in dieser Hinsicht leider nicht.

„Ist es wirklich so schlimm? Nero scheint ja ziemlich gelassen zu sein." Miles und ich drehten uns gleichzeitig um und sahen Nero und Ryan dabei zu, wie sie die Maschine weiter auseinandernahmen und sich dabei immer wieder gegenseitig behinderten.

Trocken lachte ich auf. „Den bringt selten was aus der Ruhe." Mein Blick wurde etwas härter. „Aber der Schein trügt, er lenkt sich nur gut ab. In Wahrheit ist er auch nervös wegen solcher Treffen. Es ist jedes Mal eine Herausforderung unsere komplette Verwandtschaft anzulügen und einen Menschen zu schauspielern, der wir nicht sind", erklärte ich ihm.

Miles nickte. „Ja, kommt mir bekannt vor", murmelte er bitter. Kurz war Stille.

„Wir sollten jetzt noch nicht an das denken, was erst später ist und uns auf die Gegenwart konzentrieren!", sagte ich ziemlich laut und der Braunhaarige zuckte leicht zusammen als ich in die Hände klatschte.

„Stimmt", stammelte er überfordert und folgte mir wieder rasch.

„Ich wollte dir das Schießen heute beibringen. Das solltest du immerhin können, wenn du in dieser Branche lebst. Waffen bekommst du von uns, aber du solltest schnell lernen, weil viel Zeit hast du nicht." Aus meiner Jacke zog ich eine einfache silberne Streckschusswaffe. Sie war noch neu und unbenutzt. Zudem lag sie gut in der Hand und war, im Gegensatz zu meinen anderen Schusswaffen erstaunlich leicht. Nur ihre Patronen waren ziemlich teuer.

„Hier, für den Anfang nimmst du die." Mit diesen Worten gab ich ihm die Waffe und deute auf einen entfernten Baum. Hier draußen würde uns eh keiner sehen und den Schuss würde niemand hören. Perfekt zum Üben!

„Okay", antwortete er konzentriert und ließ sich von mir noch einmal zeigen, wie es ging, ehe er es selbst ausprobierte. Um ehrlich zu sein, rechnete ich nicht damit, dass er den Baum treffen würden. Es brauchte Übung und Miles hatte ja noch nie eine Waffe in der Hand. Deswegen war ich auch umso überraschter, als er den Baum traf! Zwar streifte die Kugel nur die Rinde, aber er hatte getroffen!

Miles schien darüber genauso überrascht wie ich, wenn nicht sogar geschockt. Ungläubig sah er erst zu dem Baum und dann zu der kleinen Waffe in seiner Hand. „Wow. Das kam überraschend", kam von ihm nur.

Ich hingegen konnte meinen Blick nicht von dem kleinen Riss in der Rinde abwenden. Wie hatte er beim ersten Mal bitte treffen können?! „Nicht schlecht. Versuchs nochmal."

Eifrig nickte er und zielte wieder auf den Baum. Damit verschwendete er zwar meine teure Munition, aber irgendwie musste er ja üben.

Doch anscheinend hatte er das nicht nötig, denn er zweite Schuss traf dieses Mal genau in die Mitte. Jetzt klappte mir die Kinnlade runter. Ich wusste noch, wie lang ich dafür trainieren musste. Stundenlang standen Nero und ich vor provisorischen Zielen und hatten uns das Schießen beigebracht.

„Hast du das gesehen? Der ging glatt rein!", jubelte Miles, der sich wie ein kleines Kind über seine Treffer freute und mich damit an meinen Beta erinnerte.

„Ja, ich bin ja nicht blind", grummelte ich. Doch Miles ließ sich nicht beirren und seine gute Laune verderben.

„Gib es zu, du bist bloß neidisch!", grinste er.

Kritisch zog ich meine Augenbrauen zusammen. „Bild dir bloß nichts drauf ein! Schieß nochmal", befahl ich.

Doch egal, wie oft ich ihn schießen ließ, er traf immer. Nur ein oder zwei Mal verfehlte er. Aber auch nur, weil er abgelenkt war oder zu übermütig wurde. Triumphierend sah er mich an. „Komm, ein Lob hab ich mir doch verdient."

Ich lachte. „Ja ok, du bist ganz schön gut. Ich hätte nicht gedacht, dass der Erste trifft. Bist wohl ein Naturtalent."

Miles schien sich darüber sehr zu freuen, denn er grinste plötzlich wie ein Honigkuchenpferd. Das hinderte mich aber nicht daran, weiter mit ihm zu trainieren. Das Schießen konnte er ja offenbar, nur war das nicht das Einzige was er lernen musste. Nahkampf sollte auch gelernt sein.

Das Training verlief ziemlich gut und machte zugegebenermaßen auch Spaß, nur beobachtete ich das Ganze mit Argusaugen. Es war einfach surreal, dass er das alles schon konnte. Im Allgemeinen war an Miles etwas anders als ich immer gedacht hatte. Das war mir schon aufgefallen, als er diesen komischen Anfall hatte. „Und das ist wirklich das erste Mal, dass du so etwas tust?", fragte ich nochmal misstrauisch nach.

„Ja Jacks! Ich weiß auch nicht warum, mir Das alles so leichtfällt", entgegnete er und ich glaubte ihm.

Trotzdem war da was faul! Egal, was ich mit ihm tat, er konnte es bereits. Das Schießen ging ihm gut von der Hand und auch das Kämpfen hatte er drauf. Wie sich herausstellte traf er auch sich bewegente Ziele. Also entweder war er ein großes Naturtalent und hatte jede Menge Glück oder er hatte das Alles schonmal gelernt. Es sah so erfahren und einstudiert aus, wie er sich bewegte und er musste über seine Handlungen nicht sonderlich nachdenken.

„So, das wars für heute", sagte ich und nahm Miles die Waffe wieder ab. Wir waren Beide ziemlich aus der Puste und die Zeit war vergangen wie nichts.

„Hat echt Spaß gemacht, Danke!" Miles nickte mir dankend zu und verschwand dann in der Halle, um mit den anderen nach Hause zu fahren.

Auf mich jedenfalls wartete jetzt noch eine Familienfeier, bei der sich alles in mir anspannte. Mein Magen drehte sich um vor Unbehagen und alles andere als selbstsicher lief ich zu meiner Agusta. Ein Traummotorrad. Schnell, wunderschön und edel. Doch es war nicht meine Ducati, die ich so vermisste.

„Na, schon aufgeregt?", ertönte eine bekannte Stimme und kurz danach spürte ich einen Arm, der sich auf meiner Schulter abstütze. „Also ich freu mich schon."

„Ja klar, es gibt doch nichts Schöneres!", stieß ich sarkastisch aus. „Komm schon Nero, sag mir nicht, dass du da hinwillst?!"

Der Ernst in meiner Stimme nahm dem Weißhaarigen das Grinsen und er sah betreten zu Boden. „Wir haben ja keine andere Wahl", murmelte er niedergeschlagen. „Abgesehen davon, wird es heute Abend nicht so einfach wie die Abende davor."

Damit hatte er absolut recht. Seit Jahren mussten wie unsere Familien nun schon anlügen und es wurde immer schwerer. „Ok komm, bringen wir es hinter uns." Nero nickte zustimmend und das nahm ich als Aufforderung loszufahren. Hoffentlich ging es diesen einen Abend noch gut. Was danach kam... darüber konnte ich mir Gedanken machen, wenn es so weit war.

RIDERS ~ Burn For ThisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt