Genervt betätigte ich erneut die Hupe, in der Hoffnung, dass Ryan sie hören und sich beeilen würde. Aber wahrscheinlich würde nicht mal ein Weltuntergang ihn zur Eile bringen.
„Kann der sich mal beeilen?!", maulte Nero neben mir und spielte ungeduldig am Verschluss seines Helmes.
„Können und wollen sind zwei verschiedene Dinge, Nero", entgegnete ich nur und wusste nicht, was mich mehr nerven sollte, Ryans nicht vorhandene Pünktlichkeit oder Neros ständiges Gemecker. Denn so langsam erinnerte er mich damit an eine weiße Ziege.
Aber jeder von uns hatte eben eine Schwäche. Bei Ryan war es eben die Pünktlichkeit. Etwas Anderes war der Schwachpunkt. Die Achillesferse. Sie sollte man schützen und niemals preisgeben. Wenn in dieser Branche der Feind die Achillesferse kannte, war man so gut wie tot. Das war auch der Grund, weswegen ich so meine Probleme mit dem Vertrauen hatte. Nero war der Einzige, dem ich wirklich vertraute. Ryan war eher jemand, der mich nur kannte, aber niemals an mich herankommen könnte. Genauso so wie meine Eltern.
Endlich ging die Haustür auf und Ryan kam mit seiner grünen Held Kombi heraus. „Kommt Ihr? Wir sind schon spät dran."
„Ja wessen Schuld ist das wohl?!", fauchte Nero aufgebracht und sah Ryan vorwurfsvoll an, ehe er zu seiner blauen Suzuki ging und sie startete. Ryan lief schulterzuckend zu seiner Ninja.
Ich hingegen dehnte meine Beine nochmal. Meine Kombi war noch recht neu und ich musste mich noch an das neue Leder gewöhnen. Ihre rotschwarze Färbung hatte es mir damals angetan als ich in dem Alpinstars Shop war. Es war, im Gegensatz zu Neros und Ryans, ein Einteiler und ziemlich warm. Die Protekturen würde ich aber brauchen.
Trotz Ryans Unpünktlichkeit kamen wir noch rechtzeitig in dem verlassenen Gelände an, wo meist die Straßenrennen waren. Noch nie hatte ich große Erwartungen, wenn wir dorthin fuhren. Mein Geld verdiente ich anders. Mir ging es nur um den Spaß. Nur heute war es anders.
Ich hoffte darauf den Yamaha Typ zu sehen.
Wie immer hielt ich mitten in der Menge und machte mir nicht die Mühe, einen freien Parkplatz zu suchen. Rücksicht auf andere war nicht weit oben auf meiner Prioritätenliste. Als Anführer der Hydra musste ich mir darüber aber auch keine Gedanken machen. Die meisten hier respektierten mich. Ryan und Nero hielten jeweils Rechts und Links von mir. Als ich meinen Halm abnahm und den Motor abschaltete, wurde ich auch gleich von mehreren jüngeren Jungs und Gangmitgliedern begrüßt. Zwar gefiel mir das Ansehen, welches ich in der Straßenrennszene hatte, aber manchmal war es einfach nur ätzend.
Mein Blick wanderte desinteressiert durch die Menge. Diese Nächte kannte ich nur zu gut. Leicht bekleidete Mädchen, minderjährige Jungs ohne Führerschein, getunte Rennmaschinen, wie Suzuki, Honda, Aprilia, Yamaha und... warte Yamaha?
Sofort fiel mein Blick wieder auf die Yamaha, die möglichst unauffällig am Rande, leicht abseitsstand. Eine dunkelblaue Yamaha YZF-R 6. Das war die Yamaha die mich gestern Nacht geschlagen hatte! Die goldene Telegabel, die NOS Flachen und der angebaute Akrapovic Auspuff kamen mir noch sehr bekannt vor. Doch niemand stand neben ihr, kein Besitzer in Sicht. Er wäre mir sofort aufgefallen, denn ich kannte jeden hier und so ein sonderbarer Fahrer würde auffallen. Mein Blick ließ ich über das Gelände wandern, was durch die vielen Menschen nicht so einfach war.
Egal wie lange es dauern würde, Ich würde ihn finden.
Schließlich musste er auch wieder wegfahren. Ich durfte nur nicht die Yamaha aus den Augen verlieren. Insgeheim hoffte ich ja ihn nicht nur sehen zu können, sondern auch gegen ihn fahren zu können. Zwingen konnte ich ihn nicht. Dafür aber ein Angebot machen, was er nicht abschlagen konnte.
„Jackson?", riss mich Matts Stimme aus meinen Gedanken. „Hier ist so ein Kleiner, der meint gegen dich fahren zu wollen."
„Kein Interesse", gab ich trocken zurück, ohne mich umzudrehen. Ich fuhr nicht einfach gegen irgendjemanden. Mein Interesse galt der Yamaha und ihren unbekannten Fahrer.
Aber Matt ließ nicht locker. „Er sagt, er hätte dich schon mal geschlagen", murmelte Matt zögerlich und ich konnte den ungläubigen Ton nur zu deutlich heraushören.
„Ach, ist das so?", lachend drehte ich mich um und stand nun Matt und einem braunhaarigen Jungen gegenüber. Er war vielleicht ein paar Jahre jünger als ich und er war mir auch nicht unbekannt. Diese nussbraunen Augen kannte ich und die gelockten, braunen Haare hatte ich schon einmal gesehen. Heute Früh erst hatten er mich gemustert. Es war der Junge, der was von Ruby wollte. Was wollte denn die Null hier?
Amüsiert zog ich die Stirn kraus. „Ich wüsste nicht, wann das gewesen sein soll. Ich kenne dich nicht und mich hat außerdem noch nie einer in einem Rennen besiegt", gab ich belustigt und abfällig von mir.
„Aber ich kenne dich und wir sind uns schon mal begegnet. Ich bin Miles und du weißt ganz genau wer das Duell gestern Nacht gewonnen hat", meldete sich nun die Null zu Wort und mein Herz hörte für einen Augenblick auf zu schlagen. Woher wusste er das? Sauer und zugleich herausfordernd sah er mich an.
Nicht jeder hatte den Mut sich mit mir anzulegen. Das musste ich ihm lassen.
„Welches Duell?", wollte ich gespielt unwissend wissen und versuchte zu verbergen, dass ich sehr wohl wusste, wovon er sprach.
Leicht grinste er. „Gegen die blaue R6", antwortete er und sah mir unentwegt in die Augen. „Die Yamaha."
Matt neben ihn sah nur verwirrt zwischen uns hin und her und hatte augenscheinlich keinen Plan, wovon wir sprachen. Offenbar hielt er es für eine bessere Idee, einfach zu gehen. Denn er warf mir noch einen besänftigenden Blick zu und gesellte sich schließlich zu Alec und Ryan, die stark am Diskutieren waren. Nero hingegen war weg.
Ich sah wieder zu Miles. „Ich weiß nichts von einem Duell, also zieh Leine. Ich fahr nicht gegen irgendwelche, dahergelaufene Möchtegernfahrer", keifte ich ihn an und wandte meinen Blick von ihm ab.
Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie er an mir vorbeilief und sich von der Menge entfernte. Gut so. Er hatte sowieso nicht hier her gepasst und so wie er aussah hatte er weder eine funktionierende Maschine noch das Startkapital. Zufrieden wollte ich gerade gehen, da erklang wieder der Sound des Akrapovic Auspuffs.
Ich lenkte meinen Blick wieder zu der Yamaha und was ich sah, ließ meine Nackenhaare aufstellen. Der Typ auf der Yamaha, der sich gerade den Helm aufsetzen und losfahren wollte, war niemand geringeres als die Null. Ich hatte gegen ihn verloren und wahrscheinlich auch meine Chance auf ein Rennen mit ihm verspielt.
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RIDERS ~ Burn For This
Acción• 𝐁𝐚𝐧𝐝 𝐈 • Als Miles nach San Diego kommt, sucht er den Adrenalinkick, das alltägliche Leben hat er satt. Sein Weg führt ihn zur Hydra, einer kriminellen Motorradgang, die ihn höchstwahrscheinlich auf die falsche Bahn bringen wird. Nur gibt es...