Kapitel 27

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Völlig verwirrt ging ich wieder rein. Ich saß im Unterricht, war aber absolut nicht anwesend. Sophia und Chris versuchten die ganze ein Gespräch zu beginnen, aber ich wich ihnen aus.

Nach dem Unterricht duschte ich kurz, da Sport doch deutlich anstrengender gewesen war, als gedacht, und schrieb dann Jamal, dass ich später käme, aber dafür Essen mitbringen würde. Sahra fragte ich nach Screenshots des Chats und machte mich dann auf den Weg zu Leo.

An seiner Haustür atmete ich einmal tief ein und aus, bevor ich klingelte. Seine Mutter öffnete die Tür: "Juli, wie schön dich zu sehen. Ich nehme an, du willst zu Leo?"
"Ja genau Frau Fink.", ich lächelte sie an.
"Er ist noch nicht aus der Schule zurück, aber komm doch rein."
"Dankeschön!", meinte ich lächelnd und streifte meine Schuhe ab.
Ich setzte mich an den Esstisch und sprach mit Frau Fink, ich hatte sie schon länger nicht mehr gesehen. Sie war eine gute Freundin meiner Mutter gewesen, da Leos Schwester sehr gut mit Magdalena ausgekommen war, die beiden waren in einer Klasse gewesen.

Ich hörte einen Schlüssel und kurz darauf ein "Ich bin zurück", von Leo. Er kam frisch geduscht ins Esszimmer, anscheinend hatte er ebenfalls Sport gehabt. Im Gegensatz zu den Jungs duschte bei den Mädels fast nie jemand in der Schule, ich hasste es ebenfalls, aber ich wollte hier nicht total verschwitzt auflaufen.
Leo sah mich und stutzte, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen legte: "Hey, was tust du hier?", fragte er und umarmte mich kurz, bevor er zu seiner Mutter ging und ihr einen Kuss auf die Wange gab.
"Ich wollte mit dir über etwas sprechen, das ähm, mir heute erzählt wurde und ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, ob ich es glauben soll." Er sah mich irritiert an, ging dann aber mit mir hoch in sein Zimmer.
Er ließ sich auf sein Bett fallen, ich setzte mich auf einen Stuhl.
"Also, es geht um Sophia. Ich hab heute ein Gespräch zwischen Sahra und Fabi mitbekommen und daraufhin mit den beiden gesprochen.", er runzelte seine Stirn, sagte aber nichts. Ich erzählte ihm alles und er hörte einfach nur zu.
"Leo, ich hab keine Ahnung, in wie weit da irgendwas stimmt, aber ich weiß einfach nicht mehr, wem ich glauben soll."
Er schwieg noch immer, bis er dann leicht verbittert anfing zu sprechen: "Zumindest der Streit hat definitiv existiert. Soph hat nichts erzählt, aber ich hab mitbekommen, dass da irgendwas war. Und jetzt wo du es sagst, Sahra hat auch irgendwie total überrascht geschaut, als ich sie so weggeschubst habe."
"Okay, sagen wir, Sahra lügt nicht. Woher wissen wir, dass es wirklich Sophia war? Ich kann mir das einfach nicht vorstellen..."
"Denkst du ich? Ich dachte wirklich sie würde mit mir Schluss machen und ich hätte Scheiße gebaut. Mir ging es dreckig. Ich stand an ihrer Tür und wollte mit ihr reden, aber sie hat nicht geöffnet. Ich dachte ich hätte sie verloren, aber anscheinend war ich ihr Spielzeug!"
"Vielleicht war es ja gar nicht Sophia, sondern Sahra selbst?", ich legte ihm beruhigend meine Hand auf seinen Oberschenkel. Leo war komplett aufgelöst, auch wenn er versuchte sich stark zu geben.
"Aber meintest du nicht, sie wussten nicht mal, dass du zuhörst? Und Chris weiß ja anscheinend auch nicht Bescheid, also hätte Sophia noch immer Freunde. Das würde überhaupt keinen Sinn machen!"
"Okay, weißt du was? Ich gehe jetzt kurz zu Jamal nach Hause und wir beide machen uns später auf den Weg zu diesem Bruder von Can. Vielleicht bringt uns das Antworten."
"Ich bin später mit Sophia verabredet. Ich kann es verschieben, ich will sie jetzt eh nicht sehen, aber was ist, wenn Sahra gelogen hat und ich statt mit Sophia, mit dir unterwegs war? Sollte sie das rausbekommen, gäbe das richtig Stress."
"Da hast du vermutlich recht.", ich überlegte kurz, "ich weihe Jamal ein und dann gehen wir zu dritt. Ist zwar auch nicht gerade besser, weil wir dann was zu dritt, ohne sie machen, aber zumindest sind wir nicht nur zu zweit unterwegs. Zur Not sagen wir ihr hättet was unternommen und ich bin gekommen, um Jamal abzuholen, oder irgendwie sowas. Dann lügen wir zwar, aber immer noch besser, als wenn sie herausbekommt, dass wir ihr hinterhergeschnüffelt haben...", ich hatte schon jetzt ein schlechtes Gewissen, ganz egal, ob das, was Sahra erzählt hatte, stimmte oder nicht.
"Okay. Wenn du willst, kann ich auch direkt mitkommen, dann müssen wir uns nicht irgendwo treffen, sondern können alle gemeinsam mit dem Auto fahren."
"Ja, warum nicht. Aber wir müssen noch kurz beim Italiener vorbei, Jamal verhungert sonst."
"Geht klar, ich hab auch noch nichts gegessen.", er lachte ein wenig.
"Na dann, let's go!", wir schnappten uns unsere Jacken und verabschiedeten uns von Leos Mutter. Dann rief ich beim Italiener an und bestellte 3 Pizzen. Ich schrieb Jamal kurz eine Nachricht und fuhr dann mit Leo zum italienischen Restaurant. Er war zum Glück schon 18 und hatte seinen Führerschein, deshalb fuhren wir mit seinem Audi.

"Jamal, wir sind da. Es gibt Essen!", ich rief durchs Haus und ein frisch geduchter Jamal erschien auf den Treppen. Breit lächelnd gab er mir einen Kuss, schlug bei Leo ein und nahm mir dann schelmisch grinsend die Pizzen ab.
"Es ist aber nur eine für dich!", rief ich ihm lachend hinterher, als er mit den Pizzen ins Wohnzimmer lief.
"Ja ja, mal sehen. Ich bin sicher du gibst mir noch was von deiner ab!", rief mein anscheinend zu gut gelaunter Freund, was Leo zum Lachen brachte: "Ist er immer so?"
"Kommt drauf an, wie viel er geschlafen und gegessen hat. Beziehungsweise wie viel Essen vor ihm steht...", Leo lachte noch lauter, während von Jamal ein empörtes "Das habe ich gehört" kam.
"Ich liebe dich auch!", grinsend schüttelte ich meinen Kopf und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Dort saß schon Jamal, der zuvor den Tisch gedeckt hatte.
Leo folgte mir und wir setzten uns alle an den Tisch.
"Also, warum bist du hier Leo? Nicht, dass ich mich beschweren würde, aber ich hatte keine Ahnung, dass ihr euch auch ohne Sophia trefft.", meinte Jamal und biss genüsslich in seine Pizza.
Ich hingegen legte meine zur Seite und fing an zu erzählen.

Jamal sah aus, als würde er gar nichts mehr verstehen: "Okay, also nur kurz für mein Verständnis. Habe ich das gerade richtig verstanden, dass ihr Sahra, einem Mädchen, dass mich erpressen wollte, dich geküsst und PingPong mit 2 Typen gespielt hat, genauso glaubt, wie deiner besten und deiner festen Freundin?", er sah uns an, als wären wir gerade völlig durchgeknallt.
"Ja ach, keine Ahnung. Wir wissen doch selbst nicht, was wir denken sollen.", ich seufzte.
"Also würdest du nicht so kaputt und ratlos wirken, würde ich echt an deiner Loyalität zweifeln, Juli.", Jamal schüttelte seinen Kopf und sah mich vorwurfsvoll an. Ich sah auf meinen Teller, er hatte absolut recht.
"Hey Jamal, das ist nicht fair. Wir wissen, wie sich das anhört und ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass das eine Lüge war, aber es könnte eben auch die Wahrheit sein. Sophia hat sich in den letzten Jahren verändert. Kaum merklich für andere, aber sie hat es. Und manchmal hatten wir deshalb auch schon Streitereien. Ihre Ansichten sind moralisch teils wirklich fragwürdig. Und auch wenn ich ihr so eine Aktion eigentlich nicht zutrauen würde, frage ich mich, in wie weit ich sie noch kenne, um das sagen zu können.", er war am Ende immer leiser geworden, während ich ihn überrascht ansah. Ich hatte keine Ahnung, dass die Beziehung der beiden so gelitten hatte. Ich dachte, dass bei den beiden alles in bester Ordnung war, zumindest hatte es sich so in Sophias Erzählungen angehört. Außerdem waren die beiden eigentlich auch vor mir immer ein Herz und eine Seele. Wobei ich dazu sagen musste, dass ich, bis auf kleine Sticheleien am Rande, auch nichts von dem Streit zwischen Sophia und Sahra mitbekommen hatte.
Vielleicht war in Wahrheit auch einfach ich die schlechte Freundin? Ich hätte schon längst sehen müssen, dass eben nicht alles immer TipTop war. So war es bei Fabi, bei Sahra und anscheinend auch bei Sophia.
Gott, ich war wirklich eine grottenschlechte Freundin! Wie konnte ich nichts davon merken? Erschrocken sah ich zu Jamal, behandelte ich ihn ebenfalls so?

"Okay, dann gehen wir eben zu diesem Typen. Aber Leute, ist das eine richtige Versicherung? Der könnte das doch genauso leicht faken wie Sahra."
"Nein, ist es nicht...unser einziger Vorteil ist, dass sie, laut Juli, nicht weiß, was wir vorhaben und deshalb hoffentlich den Bruder von diesem komischen Can nicht "gewarnt" hat."
Ich blieb still und starrte auf meine Pizza. Ich ging die letzten Wochen durch. Hätte ich mehr für Jamal da sein müssen? Hätte ich mich nach dem Unfall mehr um ihn kümmern sollen? Ging es ihm hier schlechter? Wollte er möglicherweise schon längst wieder zurück, aber hatte es wegen mir nicht getan?

Meine restliche, halbe Pizza, schob ich Jamal zu, der sofort genüsslich in ein Stück biss. Ich rang mir ein leichtes Lächeln an, während Leo wieder loslachen musste: "Man, wieviel kannst du eigentlich essen?"
"Tja, ich bin Sportler, da brauche ich Kohlenhydrate.", meinte der anscheinend noch immer hungrige Jamal und schob sich direkt noch ein zweites Stück hinterher. Leo brach in schallendes Gelächter aus: "Du weißt aber schon, dass Pizza mit das ungesundeste Essen für einen Sportler ist?"
Jamal warf ihm einen gleichgültigen Blick zu: "Mein Gewicht hat sich seit meiner Anreise nicht verändert und ich habe schon immer 1-2 Cheatdays in der Woche gehabt, an denen ich eine Mahlzeit, abseits des Ernährungsplans, gegessen habe."
Das letzte Viertel legte er nun aber tatsächlich zur Seite.
"Okay, nachdem der cheatende FCB-Fußballer jetzt auch satt ist, können wir ja los.", Leo grinste Jamal frech an, der daraufhin andeutete, sich zum Kampf bereit zu machen.
Ich sah die beiden kopfschüttelnd an, musste jedoch erleichtert lächeln, da es ihm anscheinend nicht so schlecht ging.

Young Love - Jamal MusialaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt