Young Love - Jamal Musiala

Kapitel 64

Ich tigerte seit 20 Minuten in dem Gästezimmer von Mathea und Leon herum.
Sie war vorhin noch einkaufen gefahren, auch wenn ich glaubte, dass sie das getan hatte, um mich in Ruhe zu lassen.
Auch wenn ich versucht hatte so zu tun, als sei alles bestens, war ich leider kläglich gescheitert.
Sie hatte sich aber aus irgendeinem Grund nicht getraut, mich darauf anzusprechen.
Ehrlich gesagt war ich darüber dankbar, denn Leon und sie hatten so unglaublich viel für Jamal und vor allem mich gemacht, ihr jetzt zu sagen, dass der Kuss mit Jude nicht mein einziger, abgesehen von Jamal, gewesen war, würde sie mit Sicherheit enttäuschen.
Und ich verstand das, ich war für mich selbst ja auch eine Enttäuschung.
Ich war immer das liebe Mädchen aus der Nachbarschaft gewesen, bis Jamal gekommen war. Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich mein Leben komplett und damit auch ich.
Ich war nicht mehr die selbe, nicht mehr so unschuldig, lieb und nichtsahnend.

"Ich bin wieder da. Willst du was zu essen?", rief Mathea leicht unschlüssig nach oben. Ich stand auf und ging zügig die Treppen runter.
"Also ich hab eigentlich nicht so Hunger, aber wenn du was willst, dann würde ich mitessen.", um ehrlich zu sein hatte ich eigentlich überhaupt keine Lust auf Essen, mir wurde eher übel bei dem Gedanken an eine fettige Mahlzeit. Aber sie sollte sich nicht noch mehr Sorgen machen, als sie eh schon tat, wenn ich ihr Gesicht richtig deutete.
"Sollen wir einfach ein paar Nudeln kochen?"
"Ja, warum nicht.", meinte ich wohl nicht ganz überzeugend, denn Mathea legte ihren Kopf schief und rollte mit ihren Augen.
"Wir gehen jetzt was Essen und derweil erklärst du mir, was genau zwischen Jamal und dir schon wieder los ist. Also los, zieh dir deine Schuhe an und los."
Shit.
Genau das, was ich nicht wollte.
Da ich mich nicht bewegte, runzelte sie ihre Stirn.
"Juli? Bist du da?", ich sah sie an und Tränen sammelten sich in meinen Augen
Gott, ich schämte mich so unendlich.
Was war ich für eine ekelhafte Person?
Mathea und Leon, und vor allem Jamal, sie alle waren so unglaublich gut zu mir und ich verdiente das einfach nicht.
"Ich kann dir das nicht erzählen, Mathea. Du wirst mich endgültig für eine Hure halten, keine Ahnung, wie du das bis jetzt nicht tun konntest. Gott, ich schäme mich so sehr für mich selbst.", ich flüsterte und Tränen rannten mir über meine Wange.
"Süße, was redest du da?!", völlig bestürzt kam Mathea auf mich zu und schloss mich in eine Umarmung.
Ich ließ es völlig hilflos geschehen.
Ich brauchte irgendwo Halt, irgendwas, was mich daran erinnerte, wer in mir gewesen war.
Der das liebe Mädchen zurückholte, die Person, die ich nicht verabscheute.

"Jetzt beruhig dich mal.", Mathea und ich saßen mittlerweile auf dem Sofa und sie hielt mich noch immer in ihren Armen.
"Wenn ich dir das erzähle, dann...", sie würde mich hassen.
Endgültig.
Sie und Leon würden verstehen, was die Leute da draußen in mir sahen.
Die blonde, untreue Bitch, die sich nicht mit einem Spieler zufriedengegeben hatte, sondern auch noch seinen besten Freund hatte küssen müssen.
Die nun auch noch einen ihrer besten Freunde geküsst hatte.
Und die damit jetzt vermutlich wieder alles zerstörte.
"Dann werde ich für dich da sein. Ich werde dich nicht für eine Hure halten oder irgendwas Juli, niemals!"
"Aber warum? Ihr wusstet, was ich getan habe und trotzdem habt ihr zu mir gehalten. Warum?", völlig verzweifelt sah ich in ihr Gesicht.
"Weil wir dich kennen, Juli.
Ja, das damals war ein Fehler, aber du hast es eingesehen und es war ja nicht so, als wäre der Kuss von dir ausgegangen.
Dazu hat Jamal ebenfalls keine weiße Weste.", ich heulte noch stärker.
Ja, das damals war nicht von mir ausgegangen.
Die Betonung lag auf damals.
Denn der Kuss mit Leo war nicht nur von ihm ausgegangen.
Ich war genauso schuld.

"Ich habe an dem Abend bevor Jamal und ich wieder zusammengekommen sind, Leo geküsst. Wir waren beide betrunken und ich weiß auch nicht, wer wen zuerst geküsst hat, aber unsere Lippen lagen aufeinander, Mathea.
Ich wollte es Jamal nach der EM sagen, damit er sich jetzt auf das Training und die Spiele konzentrieren kann, aber Sophia hat es herausgefunden und sie, sie will es ihm erzählen. Und ich kann ihn einfach nicht erreichen.
Was, wenn das alles wieder zerstört?!", meine Tränen liefen noch immer über mein Gesicht und meine Worte waren ein leises Krächzen.
Matheas Augen wurden groß.
Sie hatte absolut keine Ahnung, was sie sagen sollte.
Zurecht.
Ich hätte ihr das nicht erzählen dürfen.
"Ich, ich hatte keine ...
Oh mein Gott, deshalb bist du so verzweifelt?!
Juli, das war an dem Abend bevor ihr zusammen gekommen seid.
Du warst Single.
Du warst betrunken, du, du liebst Jamal.
Solange da keine Gefühle für Leo sind, ist da auch kein Problem."
Ich sah auf. Meinte sie das gerade ernst?
Sie sah mich mitleidig an und zog mich noch enger an sich.
"Oh Maus... wenn du willst, kann ich mal Leon schreiben, er kann Jamal ja ausrichten, dass er auf sein Handy schauen soll. Aber bitte, sag ihm das  nicht am Handy, sondern persönlich.", aufmunternd sah sie mir in die Augen und wischte dann eine Träne von mir weg.
Sie war so ein unglaublicher Engel!
Ich hatte weder sie, Leon, Lina, Joshua, noch Jamal, oder irgendeinen von ihnen verdient.
Ich war ein Miststück...

Ein letztes Mal sah ich in den Spiegel und stand dann von dem Stuhl auf.
Nach meinem Breakdown gestern Abend, hatten Mathea und ich einen Film angeschaut und derweil tonnenweise Eis, Schokolade, Pudding, Pizza und sogar Chips reingefuttert.
Dass uns nicht schlecht geworden war, war wirklich ein Wunder gewesen.
Mit Jamal hatte ich gestern nur noch kurz telefoniert, er würde mir schreiben, sobald sie da waren.
Ich hatte unglaubliche Angst vor dem Gespräch, ich konnte ihn nicht verlieren.
Nicht schon wieder.

"Er ist da, ich gehe zu ihm, okay?"
"Natürlich! Viel Glück, Maus. Das wird schon.", Mathea drückte meine Hand und schob mich dann aus der Sitzreihe.
Lina und meine Eltern waren zum Glück mit Linas und Joshuas Kindern beschäftigt und auch sonst schenkte mir niemand Beachtung.
Ich atmete einmal tief durch und ging dann aus dem Stadion.

Ich joggte zu dem Platz und leicht außer Atem kam ich an. Suchend sah ich mich um und entdeckte nach ein paar Sekunden tatsächlich die braunen Haare von Jamal.
Erleichtert rannte ich auf ihn zu, ehe ich stoppte.
Neben ihm stand ein braunhaarige Mädchen, unverkennbar Sophia.
"Fuck!", ich starrte die beiden an und konnte mich nicht mehr bewegen. Meine Gedanken waren ein einziges Chaos.
Wie hatte sie das geschafft?!
Wie konnte sie ihn direkt abpassen?
Warum um alles in der Welt tat sie das?
Was, wenn Jamal mir das nicht mehr verzeihen würde?
Was, wenn er endgültig Tschüss sagen würde?
Was, wenn er mit mir nichts mehr zu tun haben wollte?!
Tränen sammelten sich in meinen Augen, die ich versuchte zu unterdrücken.
Plötzlich drehte sich Jamal direkt in meine Richtung. Er sah komplett überfordert aus.
Seine Augen waren geweitet und darin spiegelte sich Schmerz und Enttäuschung.
Er war enttäuscht, von mir.
Während ich versuchte nicht komplett zusammenzubrechen, drehte er sich um und lief einfach weg.

Nach einer kurzen Zeit konnte ich mich endlich aus meiner Schockstarre lösen und rannte ihm hinterher.
Im Vorbeigehen konnte ich Sophias zufriedenen Blick sehen. Am liebsten wäre ich stehen geblieben und hätte der Bitch eine gescheuert, aber dafür war nun keine Zeit. Ich musste das mit Jamal hinbekommen.

"Jamal, jetzt warte!", er hörte nicht und leider war er Profifußballer, weshalb es nicht ganz leicht war, nicht komplett abgehängt zu werden.
"JAMAL! Hör mir verdammt nochmal zu!", ich schrie mir die Seele aus dem Leib und endlich blieb er stehen.
"I'm having a bit of deja vu right now. Exactly an this Punkt waren wir schonmal, Juli!"
"Nein, waren wir nicht!", das hier war anders als das mit Jude.
Zumindest waren das Matheas Worte gewesen.
"Stimmt. Dieses Mal war es nicht mein Bestfriend, sondern yours!
You know, ich bin nichtmal angry, weil du someone geküsst hast, du warst Single on this time, ABER WHY THE HELL DIDN'T YOU TELL ME?!
I thought es würde different sein, dieses Mal.
Aber no, wir haben diese Beziehung again mit secrets gestartet.
Secrets, lies und problems, die wir davor auch schon hatten!"
"GLAUBST DU ICH WEIß DAS VERDAMMT NOCHMAL NICHT?! GLAUBST DU ICH HABE MICH NICHT GESCHÄMT?
ICH HATTE EINEN ZUSAMMENBRUCH GESTERN UND ICH HASSE MICH SELBST, FÜR DIESEN VERDAMMTEN KUSS!
ABER ICH BIN NUNMAL NICHT MEHR DAS UNSCHULDIGE MÄDCHEN VON FRÜHER!
DAS GIBT ES NICHTMEHR!", ich brüllte und die wenigen Menschen, die hier waren sahen uns erschrocken an.
Aber es juckte mich nicht, nicht im Geringsten.
"Meaning?", er sprach tonlos, er war genauso kaputt, wie ich.
Wir hatten uns gegenseitig kaputt gemacht.