Kapitel 15

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Wir sind wieder in der Stadt angekommen und fragen einige Passanten, ob sie eine Sylvie kennen. Niemand kann uns bis jetzt weiterhelfen. Nun gut, wir wissen auch nur ihren Vornamen und können sie auch nur leicht beschreiben. Ein blasser Hautton, schwarze Haare, recht groß und hat eine Tochter. Das passt bestimmt auf hunderte Sylvies hier auf der Insel zu. So langsam verliere ich echt die Geduld und auch Rafe wirkt angespannter, als noch vor ein paar Stunden. Nun gut, da haben wir miteinander geschlafen, aber gut. Die Hoffnung ist noch immer da, dass wir rein zufällig ihr über den Weg laufen oder jemanden finden, der weiß, wo sie sich befindet. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es doch. Trotzdem sollte wir uns beide mit dem Gedanken anfreunden, dass wir bald von hier weg müssen. Geld haben wir noch immer nicht, auch wenn ein paar Menschen auf der Straße etwas gespendet haben. Das reicht noch lange nicht für eine Bootsfahrt irgendwo anders hin. Zumindest keine auf einer Fähre. Natürlich könnten wir noch andere fragen, ob sie uns mitnehmen könnten. Für Nahrung reicht das Geld auch nicht wirklich aus. Oftmals klauen wir etwas au den Ständen. Für das Gewissen ist es natürlich nicht sonderlich gut, aber etwas dagegen machen können wir nicht. Arbeiten brauchen wir hier nicht und verhungern ist auch nicht wirklich eine Option für uns. 

Rafe_ Was machen wir, wenn wir sie nicht mehr finden und kein Weg von der Insel weg führt?

Ich_ Gib die Hoffnung nicht auf. Wir werden es schon noch schaffen sie zu finden. Bis jetzt haben wir alles meistern können, also warum sollten wir daran scheitern!

Rafe_ Ich denke nur daran, wie es ist hier zu bleiben. Die ständige Gefahr für uns beide, dass wäre kein Leben, welches ich für uns gewünscht hätte. 

Plötzlich spricht uns ein kleiner Mann an, der nicht wirklich hilfsbereit aussieht. Er winkt uns zu sich und geht schnellen Schrittes vorweg. Ganz geheuer ist es mir nicht, aber haben wir eine Wahl? Vielleicht hat dieser Typ einen Hinweis oder weiß, wo die Frau ist. Auch wenn er unheimlich ist, habe ich das Gefühl ihm vertrauen zu können. Zumindest hoffe ich es. Dieser Mann ist zur Zeit unsere einzige Hoffnung, also setze ich alles auf ihn. Er führt uns in ein kleines Häuschen, etwas außerhalb der Stadt. Keine Menschenseele ist hier, was das Ganze noch gruseliger macht. Langsam öffnet er uns die Tür, sodass wir eintreten können. Er lebt dort aber nicht alleine. Eine Frau mit schwarzen Haaren wartet dort auf ihn. Sylvie! Sie sieht uns ein wenig ängstlich an, aber bleibt dennoch stehen. Hat sie etwa Angst vor uns? Ich wünsche mir, dass sie uns vertraut und uns helfen möchte. Sie ist die einzige Chance wieder frei zu sein. Aber es würde auch ihr helfen. Wenn Ward im Gefängnis sitzt, dann wäre auch sie außer Gefahr. Sie und ihre Tochter hätten nichts mehr zu befürchten.

Sylvie_ Ich bin froh, euch wieder zu sehen. Mein Mann Finn, war sehr besorgt, dass euch etwas zugestoßen ist.

Ich_ Uns geht es gut, zumindest kommen wir klar. Hören Sie, wir wollen Sie zu nichts drängen, aber wir brauchen Ihre Hilfe.

Sylvie_ Ich habe euch mein Leben zu verdanken und das meiner Tochter. Was wollt ihr?

Ich_ Ward bedroht auch uns beide und wir wollen ihn ins Gefängnis bringen. Die Polizei glaubt uns nicht, dafür würde sie euch aber glauben. Wenn unsere Geschichte eine Bestätigung bekommt. 

Rafe_ Hören Sie, es ist echt dringend, aber Ward bedroht noch andere Familien, die auch in Gefahr sind. Er hat schon so viele Menschen auf dem Gewissen und ist ungestraft davon gekommen.

Finn_ Es wird schwierig werden, die Polizei zu überzeugen, aber ich denke, dass wir helfen können.

Sylvie_ Mein Geständnis alleine würde nichts verändern, aber mein Mann hat Nachrichten und auch Telefonate, die alles untermauern können.

Ich_ Also helfen Sie uns?

Sylvie_ Ja, wir helfen euch, solange alles reibungsfrei verläuft. Wenn meine Tochter bedroht wird, dann sind wir nicht mehr dabei.

Rafe_ Das genügt uns, vielen Dank.

Ich_ Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir das in den Outer Banks klären. Dort hat alles angefangen und dort würden wir das auch gerne beenden. Die Polizei ermittelt schon gegen uns und wenn wir sie überzeugen können, dass wir unschuldig sind, wir Ward noch mehr zugeschrieben. 

Sylvie_ Ich verstehe, gut, dann fahren wir am besten Morgen früh los, wir haben ein Boot am Hafen.

Ich_ Das wäre perfekt, danke.

Finn_ Wenn ihr wollt, könnt ihr auch die Nacht hier verbringen. Wir wissen, wir gefährlich es draußen ist.

Rafe_ Das wäre super, danke.

Finn und Sylvie bringen uns in das erste Stockwerk und zeigen uns ein Zimmer, in dem wir schlafen können. Mittlerweile ist auch die Sonne etwas weiter unter gegangen. Der Abend ist zwar noch jung, aber trotzdem bin ich ausgelaugt. Wir legen uns auf die Matratze, die auf dem Boden liegt und mit Sicherheit nicht weiter benutzt werden sollte. Sie riecht alt und als ich mich auf sie drauflege, steigt eine kleine Wolke an staub auf. Viel etwas ändern tut es nichts. Meine Müdigkeit lässt mich irgendwann ganz schwach werde. Meine Augenlieder werden schwerer, nach und nach schlafen meine Beine ein, aber ich fühle mich etwas zu unwohl, um zu schlafen. Die Leute hier sind nett, aber ich habe ein komisches Gefühl. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir es bald geschafft haben. Das wir bald wieder frei sein können. Die anderen sehen können. Darauf freue ich mich schon, aber es ist auch irgendwie komisch. Seit ungefähr einer Woche sind wir unterwegs, aber es fühlt sich an, als wären es schon Monate. Ich kann mich kaum an das normale Leben erinnern. 
Rafe streichelt mir sachte über den Rücken, da er bemerkt, dass ich nicht schlafen kann. Es ist nichts neues, schon seit längerem habe ich Schlafstörungen, auch noch, als wir zuhause waren. Jedoch wurden sie schlimmer. Wenn ich ihn spüre, beruhige ich mich wieder. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihm machen sollte.

Rafe_ Alles wird gut. Es wird alles wieder normal werden.

Ich_ Bist du dir sicher? Es ist eine Woche her und ich weiß nicht mehr, wie es ist, normal zu sein. Wir beide haben uns verändert, dass mussten wir, aber auch zuhause wird nichts mehr so sein, wie es ist. Mein Dad ist tot, deiner ist dann vielleicht im Gefängnis und wer weiß, was mit Rose ist. Die anderen haben auch weitergelebt, ohne uns. Alles ging weiter, alles um uns herum hat sich auch verändert, aber in eine andere Richtung.

Rafe_ Ich weiß was du meinst, aber es wird besser werden. Wieder im eigenen Bett liegen, etwas richtiges Essen, frische Kleidung. Ich komme mir vor, als hätte ich seit Wochen nicht geduscht. Ich freue mich schon darauf mit dir in meinem Bett zu liegen, so wie früher.

Ich weiß, dass er recht hat. Wir werden wieder zuhause sein und uns etwas besser fühlen. Außer Gefahr sein hat auch etwas tolles. Deswegen freue ich mich auf den morgigen Tag. Ab morgen wird alles wieder normaler, zumindest den ersten Schritt in die richtige Richtung. Morgen Abend werden wir zur Polizei gehen und Ward hinter Gitter bringen. Rafe hat recht, alles wird gut. Schlimmer geht es auch nicht, aber endlich ein Licht am Ende des Tunnels. Das Licht, welches wir uns so sehr gewünscht haben.

The Secret // Rafe CameronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt