XIX

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Wie erstarrt sah ich zu, wie Jolien ihre Kleidung richtete und sich mit ihren Fingern durch die Haare fuhr. Kurz räusperte sie sich, ehe sie mir in die Augen blickte. >>Eliza. Was für ein Zufall.<< Zwar tat sie überrascht, doch sie sah nicht wirklich überrascht aus. Im Gegenteil. Sie wollte mir mit ihren Gesichtsausdruck ganz genau zeigen, was sie getan hatte. Oder besser gesagt, sie und Callum. Sie versuchte es nicht einmal zu verstecken.

Ich hingegen spürte, wie es mir das Herz zerbrach. Spürte diesen Schmerz und auch die Enttäuschung. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Callum wieder einmal auf diese Frau reinfallen würde.

>>Naja, ich würde mich gerne länger mit dir unterhalten, aber ich muss los.<< Als wäre das noch nicht genug - als hätte sie mir nicht gerade einen Tritt in den Magen verpasst - zwinkerte sie mir wissend zu und ging an mir vorbei, nur um anschließend im Fahrstuhl zu verschwinden.

Schwer stieß ich die Luft aus. Fühlte mich so, als hätte ich diese Minutenlang angehalten. Es rauschte mir in den Ohren und ich merkte den Schwindel, der mich zu erfassen begann.

Wenn das wirklich der Wahrheit entsprach. Wenn Callum wieder einmal zu dieser Schlange zurückgekehrt war, dann wusste ich wirklich nicht mehr, was ich tun sollte. So oft hatte ich erlebt, wie sehr ihn diese Frau gebrochen hatte. Sogar damals, als ich diese Gefühle noch nicht für ihn hatte, verletzte es mich so sehr, Call so am Boden zerstört zu sehen, nachdem sie ihn wieder einmal fallen gelassen hatte. Doch jetzt sah das alles noch ein wenig anders aus.

Mir ging es nicht gut. Es tat weh. Es tat so verdammt weh, dass ich begann den Verstand zu verlieren. Wenn ich darüber nachdenke, was die beiden getan hatten, begann ich zu schwanken. Luft zu holen wurde immer schwieriger. So schnell ich konnte, betrat ich meine Wohnung, sperrte die Tür ab und ließ den Schlüssel im Schloss stecken. Die Gefahr, dass Call doch noch seinen Schlüssel zu meiner Wohnung benutzen könnte, war für mich zu groß. Und in dem Moment wollte ich alleine sein. Musste das verarbeiten, was ich gesehen hatte.

Doch je länger ich es versuchte, umso wütender wurde ich. Wütend auf Callum und wütend auf mich. Was hatte ich mir denn gedacht? Er und Jolien hatten eine Vergangenheit. Ich wusste ganz genau, wie sehr er sie geliebt hatte. Solche Gefühle verschwanden nicht so einfach. Jolien war nun mal sein Schwachpunkt. Für sie hatte er so vieles getan. So vieles geopfert. Und ich? Ich war nun mal nur seine beste Freundin. Ich hätte nie gegen diese Frau ankommen können. Das war wirklich frustrierend. Und schmerzhaft noch dazu.

Wie ferngesteuert ging ich durch meine Wohnung. Schlenderte aus dem Wohnzimmer zum Bad, um dort unter die Dusche zu steigen. Danach ins Bett. Und erst als ich dort lag und alles auf mich niederprasselte, kamen die Tränen wie von alleine.

Ich wickelte mich in die Decke ein, wie in einen Kokon und weinte. Mein Körper bebte und ich konnte nichts dagegen tun. Ich wollte das alles nicht mehr. Wollte diese verdammten Gefühle nicht länger in mir haben. Ich wollte, dass es endlich vorbei war. Es zerbrach mich jeden Tag ein wenig mehr.

Die Türklingel ließ mich zusammenzucken. Ich wusste, dass er es war. Niemand sonst würde mich noch so spät aufsuchen. Außerdem hörte ich ihn nach einer Weile mehrmals nach mir rufen. Genauso, wie ich den Klingelton meines Handys hörte, den ich speziell für ihn eingestellt hatte. Doch ich nahm seine Anrufe nicht an. Das letzte, was ich jetzt brauchte war seine Stimme zu hören. Das und die Worte, die er mir zu sagen hatte.

Also blieb ich im Bett liegen und tauchte in meinem eigenen Selbstmitleid unter, bis ich Callum jenseits der Tür nicht mehr hören konnte und irgendwann im Schlaf versank.

-

Obwohl ich noch immer erschöpft war, konnte ich dennoch nicht länger schlafen. Ich war noch früher wach als gewöhnlich. Deshalb beschloss ich auch früher zur Boutique zu gehen. Es war immer noch besser als zu Hause zu sitzen und zu befürchten, dass mein Nachbar wieder mal an meiner Tür auftauchen würde. Ja, ich versuchte ihn zu meiden, denn ich wusste dass mir diese Konfrontation nur noch den Rest geben würde. Ich war feige.

Closer To You ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt