11. Der Ball

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"It's okay to live a life others don't understand." — Jenna Woginrich

Nervös begutachtete ich mich in meinem Badezimmerspiegel, hielt nach Makeln an meinem Makeup Ausschau, doch Elin hatte mich so perfekt geschminkt, wie ich es vermutlich nie selbst hinbekommen hätte. Es wirkte aufdringlich, ziemlich aufdringlich sogar, aber mir gefiel es, man konnte immerhin nicht jeden Tag so herumlaufen, außer man wollte auffallen. Es war etwas Besonderes und dieser Ball war besonders genug für so knallige Farben im Gesicht. Ich kam mir anders vor, mystischer, erwachsener, selbstsicherer.

„Hast du genauso eine scheiß Angst wie ich?" Elin trat hinter mich, sah sich ihr eigenes Spiegelbild an und ich nickte. „Ich habe keine Ahnung, was uns erwarten wird, aber einwandfrei wird es sicher nicht verlaufen", sagte ich, doch ein Ball von den Reitern, wie sollte das gut enden? Am liebsten würde ich das alles abblasen, hierbleiben und mit meinen Großeltern den Silvestercountdown zusammen anschauen und ein Glas Sekt anschließend trinken, doch stattdessen würden wir auf den Ball gehen, wir müssten es, wir müssten einfach herausfinden, was es noch zu wissen gab und wie sonst sollten wir es schaffen? Uns blieb vermutlich nichts anderes übrig und auch wenn es riskant war, so wären wir zusammen und ich bezweifelte, dass die Reiter uns so offen angreifen würden, es wagen würden. Zu welchem Zweck auch? Klar hassten sie uns, aber würden sie sich all die Mühe machen, um ausgerechnet uns zu beseitigen? Gab es nicht wichtigere Personen, auf denen ihr Fokus liegen sollte? Würden sie mir wirklich nur wegen Reed schaden wollen, wäre das schon ein extrem großer Aufwand.

„Nein, niemals, aber wir bleiben zusammen und kriegen das hin und werden den Abend und das Jahr somit erfolgreich enden lassen!"

„Deinen Optimismus hätte ich gern", lachte ich trocken und verließ das Bad, sah an mir herunter das Kleid an, das ich trug und das ich erst gestern mit Elin gekauft hatte. Es war dunkelgrün, bodenlang, lag bis zur Taille eng an, ehe es etwas breiter und lockerer wurde. Es war langärmlig, besaß keinen Ausschnitt und war schlicht, dennoch hübsch in meinen Augen. Elin trug ein schwarzes Kleid, enganliegend, zeigte etwas Ausschnitt und sah wunderschön aus mit ihrer kunstvollen Hochsteckfrisur. Mir wäre so etwas zu extrem gewesen, weswegen ich einfach meine Haare geglättet hatte und als ordentlichen Mittelscheitel trug. Es sah vermutlich langweilig aus, doch besser als das Vogelnest, das ich sonst auf dem Kopf mit mir trug.

„Ich gebe dir gern was davon ab. Wann wird Hayden da sein?"

„Gleich, denke ich, wir sollten also mal runter", antwortete ich, schnappte mir meine kleine Handtasche, in der mein Handy sicher verstaut war, ebenso ein Pfefferspray, nur für den Fall, und zusammen liefen wir nach unten.

Meinen Eltern hatte ich erzählt, dass wir auf einer Feier von einem Schulkameraden wären, Dawson, um genau zu sein, das hatte auch Daisy ihren Eltern erzählt, da sonst nur die unangenehme Frage aufgekommen wäre, wo wir bitte hinwollten. Da meine Eltern Dawson nicht kannten, könnten sie auch nicht nachfragen, ob das der Wahrheit entspricht.

„Oh, ihr seht wundervoll aus", schwärmte meine Großmutter, als wir in der Eingangshalle ankamen, ich unsicher meine Familie anlächelte, es hasste, so angestarrt zu werden, als ob wir nichts als kleine Kinder wären, die zum ersten Mal ausgehen wollten, uns ja so erwachsen dafür benahmen.

„Ich hole die Kamera", sagte mein Großvater sofort und lief nach oben, vermutlich in sein Arbeitszimmer und ich widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen.

„Ihr seht wirklich hübsch aus", stimmte mein Vater meinen Großeltern zu und ich lächelte verlegen.

„Danke", sagten Elin und ich fast gleichzeitig, mussten fünf Minuten lang es ertragen, dass mein Großvater hunderte Bilder von uns schoss und ich war froh, dass der Rest meiner Familie außer Haus wäre, sonst wären wir gewiss niemals weggekommen.

Avenoir| Band 2 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt