38. Die Bedrohung

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"She remembered who she was, and the game changed" - Lalah Deliah

Ich hatte versucht, mich den Tag über abzulenken, nicht zu sehr darüber nachzudenken, was richtig und was falsch war.

Im Prinzip war es leider nicht so leicht.

Ich fühlte mich schlecht dafür, dass ich heimlich so eine tiefe Bindung zu Reed hatte, war immer noch leicht unschlüssig darüber, was zurzeit los war, was ich tun könnte, um dieses ganze Dilemma zu lösen. Es wäre schlau, sich da herauszuhalten. Mit meinem Verstand auf dem Spiel sollte ich mich ganz zurückziehen und einfach die anderen alles machen lassen. In deren Augen war ich sowieso nur ein Kind, das sich da heraushalten sollte. Es wäre besser, wenn ich das auch wirklich würde, nur leider spielte mein Gewissen da nicht ganz mit. Ich schuldete es allen, die Wahrheit zu berichten, zumindest sollten all meine Freunde Bescheid wissen, wie verzwickt ich mit Reed wirklich war. Sie hatten keine Ahnung, wie tief unsere Bindung reichte, wie unglaublich verloren ich doch war. Ich wollte etwas so Wichtiges nicht vor ihnen fernhalten müssen, nicht in Zeiten, wo jeder log, wo jeder Geheimnisse hatte. Vor meinen Freunden wollte ich diese nicht haben müssen. Ich wollte Ehrlichkeit, wenigstens in einem Bereich meines Lebens. Den ganzen anderen wollte ich nichts davon erzählen müssen. Sie alle verbargen so viel vor mir und ich wollte mir nicht den Ärger anhören dafür, wie nahe Reed und ich uns standen.

Meine Familie verheimlichte genug vor mir, sicher waren im Quartier auch nicht alle ganz ehrlich, war es so schlimm, ein paar eigene Geheimnisse zu haben? Ich wollte ihnen gern allen vertrauen, aber sie vertrauten mir offenbar auch nicht zu hundert Prozent und wenn jemand wie Mr Spencer, der meine zweite Kraft gesehen hatte und es niemanden erzählte, meinte, es wäre so besser, musste es dafür wohl auch irgendeinen Grund geben. Vielleicht reimte ich mir da was ganz falsch zusammen, aber so war es nun einmal.

Heute war Montag und nachdem ich den schrecklichen Schultag irgendwie durchstehen konnte, fing ich Hayden ab, bevor es auf den Weg nach Hause ging. Ich wollte mit ihm über all das reden, reinen Tisch machen.

„Also, was bedrückt dich?", fragte er und ich verzog das Gesicht, wusste gar nicht, wie ich das alles am besten ausdrücken sollte. Mir war es unangenehm, zugeben zu müssen, dass die Sorgen von ihnen allen berechtigt waren, dass Reed einen stärkeren Einfluss auf mich hatte, als ich es je hatte wahrhaben wollen. Ich würde nach wie vor nie die Seiten wechseln, doch das, was ich hier tat, all die Geheimnisse, dass ich ihm so blind vertraute, es war kaum besser.

„Du weißt ja über alles Bescheid, was derzeit los ist", begann ich zu sagen, saß neben ihm auf unserer Bank vor der Schule, sah nicht zu ihm auf, „nur habe ich dir ein wichtiges Detail verschwiegen, sowie den anderen allen auch." Naja, allen außer Elin. Ihr hatte ich aber nie viel sagen müssen, sie kannte mich zu lange und zu gut und wusste einfach, wie ich zu Reed stand und dass das mit ihm und mir gefährlich wurde.

„Oh, das klingt, als würde das alles noch abgefuckter werden", sagte er noch erheitert und meine Mundwinkel zuckten leicht. So witzig war es leider nicht.

„Ja, wird es, denn ich wurde von den Reitern entführt, als ich mit Reed unterwegs war", gestand ich, sah unsicher zu ihm und er wirkte kurz ganz verblüfft von meinen Worten.

„Mit meinem Bruder?"

„Wem sonst?", fragte ich, lächelte bitter. „Und das war nicht das erste Mal, dass ich mit ihm Zeit verbrachte. Im Grunde haben er und ich ständig was miteinander zu tun in letzter Zeit, besonders seit dieser verdammte Bann zwischen uns aufgehoben worden ist."

„Und das sagst du keinem?", fragte er fassungslos und wirkte wirklich nicht glücklich hierüber.

„Ich weiß, dass ich das früher hätte machen sollen, aber ich konnte es einfach nicht."

Avenoir| Band 2 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt