30. Geheimnisse

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"Sometimes truths are what we run from, and sometimes they are what we seek." — R.D. Ronald

Ich erwachte erst wieder daheim in meinem eigenen Bett, wo meine beiden älteren Brüder meinten, dass ich vermutlich einfach noch zu geschwächt von meiner Wunde gewesen war, dadurch wohl zusammengeklappt bin. Ich hatte dem nichts beizusteuern gehabt, wusste, dass nicht die Wunde schuld war, mehr dahintersteckte. Ich konnte und wollte niemandem von Scott Harvey erzählen, dass ich Rowan in einer Art Halluzination gesehen hatte, die mich völlig verstörte. Ebenso wollte ich nicht daran denken, wie wenig locker Dawson und Chris lassen werden, und mein Kopf dröhnte von dem ganzen Chaos. Mir war es peinlich, dass ich einfach mitten in der Schule ohnmächtig geworden war, hatte so nur mal wieder neue Aufmerksamkeit auf mich gezogen und ich hasste es. Ich sollte die Schule wechseln oder einfach gar nicht mehr hingehen, es war sowieso alles zwecklos mit mir. Meine Noten waren schlecht, ich fehlte ständig, meine Motivation war im Eimer, das konnte doch nur schlecht enden.

Erschöpft lag ich im Bett, sah Dari neben mir zu, wie er auf seinem Nintendo irgendein Spiel spielte, jeder seiner Züge dabei kommentierte, und ich strich ihm dabei gedankenverloren durch sein wirres Haar. Es war süß, dass er seine freie Zeit hier neben mir verbrachte, mir Gesellschaft leisten wollte. Es war unnötig, doch er bestand darauf, also blieb ich still, genoss seine Nähe.

Ich war kaputt von dem Tag, hatte Glück, dass Hayden mich wohl hatte halten können und somit verhindert hatte, dass ich mir irgendwas breche oder mich sonst irgendwie verletzte bei dem Sturz. Er und Sam waren beide außer sich vor Sorge, Reyna soll mich laut Acyn sogar bis ins Auto begleitet haben, als dieser mich abholte, und Dawson und Chris haben alle Leute verscheucht, die das unterhaltsam gefunden hatten. Mein Leben kam mir manchmal vor, wie ein Witz, doch ich hatte nun damit zu leben, dass ich mich in der Schule wohl ständig zum Affen machen werde. Schien so, als würde ich in dieser Stadt all die Aufmerksamkeit nachholen, die ich an meiner alten Schule nie bekommen hatte, dabei wollte ich sie doch gar nicht haben.

Ich horchte auf, als ich ein Knarzen hörte, sah mich in meinem Zimmer um, versuchte Daris Kommentare auszublenden. Das hatte geklungen, als ob jemand auf eine lose Diele getreten wäre. War irgendwer im Flur und lauschte an der Türe? Es wäre fragwürdig, nur woher kam das Geräusch denn sonst?

„... irgendwie springt er nie so hoch, wie ich es gern will, aber wenn Tommy es versucht, schafft er es jedes Mal und..."

„Psht, sei mal kurz still", unterbrach ich meinen Bruder und verwirrt sah er mich an. „Was ist?"

„Psht!", mahnte ich ihn erneut, lauschte in die Stille und hörte ein dumpfes Geräusch, als ob jemand etwas fallengelassen hätte. Es klang so nahe, fast als wäre es im Zimmer geschehen, doch hier war niemand, außer uns beiden.

„Was war das?", fragte Dari, der das wohl auch gehört hatte. Puh, ich hatte schon Angst, nur wieder verrückt zu werden.

„Ich weiß es nicht, woher kommt es?"

„Klingt, als wäre es in meinem Zimmer, aber da kann keiner sein", sagte er, sprang schon auf und rannte aus dem Raum und ich setzte mich aufrecht hin, sah zur Türe, als er gleich wiederkam.

„Nö, da ist keiner und Acyn und Riley sind auch nicht hier oben."

„Aber...", begann ich, hörte erneut ein Geräusch und ahnte böses, so wie mein kleiner Bruder auch. „Glaubst du, jemand ist in dem Dienstbotengang?", fragte er mich ehrfürchtig, hatte ein Funkeln in den Augen vor Aufregung bekommen und ängstlich zog ich meine Knie an die Brust. Es klang wirklich stark danach und ich wusste nicht, was mir mehr Angst machen sollte: die Tatsache, dass ein Mensch dort wäre oder eher die Tatsache, dass kein Mensch dort wäre?

Avenoir| Band 2 [18+] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt