9 Aussprache

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Die Weihnachtsferien hatten begonnen. Wie George es mir gesagt hatte, war ich in Hogwarts geblieben und es zwar ziemlich ungewohnt, die Adventszeit ohne meine Familie zu verbringen, der ich Anfang der Woche einen Brief geschrieben hatte, in denen ich ihr eine schöne Weihnacht gewünscht hatte. Morgen war Heiligabend und die Erinnerung, das ich ihn mit dem noch immer wütenden Fred verbringen würde, gefiel mir, behagte mir allerdings zugleich gar nicht.
Es fiel mir so verdammt schwer, jeden Tag mit ihm am Tisch zu sitzen und ihn auch nun, da ich die Nächte bei Ginny und Hermine verbrachte weil ich im Ravenclaw Turm sonst vollkommen alleine gewesen wäre, jeden Morgen zu sehen und zu wissen, das ich es vergeigt hatte.
Natürlich war mir das vorher auch bewusst gewesen, doch nun, da die sonst so gewohnten Schülermassen bei ihren Familien Zuhause waren und es nur eine Handvoll Schüler waren, die noch im Schulgebäude wohnten, fiel jeder einzelne natürlich noch einmal mehr auf. Obwohl ich nicht gedacht hätte, das meine Gedanken es schaffen würden, noch mehr um Fred zu kreisen als zuvor.
Besonders schlecht ging es mir, als ich beobachtete, wie Fred mit George lachte. Es tat mir weh zu sehen, wie gut es ihm ging. Ohne mich. Wieso hatte er so ein Drama aus der ganzen Sache gemacht, wenn es ihm sowieso nicht schwer fiel, mich gehen zu lassen?
Oder war seine Taktik die Verdrängung? Schaffte er es, die ganze Sache so gut zu überspielen, das man ihm nichts von seinem womöglichen Kummer anmerkte?
Ich wusste es nicht. Das erste Mal, das es mir bewusst wurde. Das mir bewusst wurde, das ich Fred vielleicht doch nicht so gut kannte, wie ich gedacht hatte.
Ich hatte immer gewusst, wie es ihm ging und was er nun tun würde. Er und ich, wir waren zwar nicht so sehr seelisch verbunden wie Fred und George, aber wir verstanden uns auch sehr gut und es kam ja von selbst, wenn man viel Zeit miteinander verbrachte, dass man den anderen besser kennenlernte.
Doch nun hatte ich das Gefühl Fred gar nicht mehr zu kennen.
Ich schluckte schwer, denn diese Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag in die Magengrube.
Ich sprang ruckartig auf und verließ, fast schon fluchtartig, ohne ein Wort den Raum.
Ich versuchte den Kloß hinunterzuschlucken, versuchte meine Tränen zu verdrängen, bis ich am Astronomieturm war.
Immer wenn ich verzweifelt war und es mir schlecht ging, lief ich wie von selbst zum Astronomieturm. Vorher hatte ich dies immer mit Fred getan, der immer einen Rat oder ein Mittel mich aufzuheitern gewusst hatte, doch nun stand ich hier alleine am Geländer und überlegte, wie es nur so weit hatte kommen können, während mir die Tränen über die Wangen liefen.
Ich sah hinauf in den Himmel, hoffend, das mich der Anblick der Sterne beruhigen könnte, doch das tat er nicht. Im Gegenteil, er erinnerte mich daran, wie Fred mir jedes einzelne Sternbild gezeigt und benannt hatte, nachdem ich ihm gesagt hatte, wie toll ich die Sterne fand.
Meine Brust wurde von einem stechenden Schmerz durchzuckt, als ich mich daran erinnerte, wie er dabei seinen Arm um mich gelegt hatte, weil ich gefroren hatte. Damals hatte ich noch nicht solche Gefühle für ihn gehegt, doch was wenn er es getan hatte?
Was, wenn er schon von Anfang an in mich verliebt gewesen war und ich zu doof war es zu bemerken und es jetzt dadurch vergeigt hatte?
Ich seufzte tief.
„So schwer ohne mich? Oder hat dir Malfoy wehgetan?" vernahm ich eine Stimme von der Treppe. Eine Stimme, die ich in diesem Moment hier so gar nicht erwartet hätte und die mir direkt wieder die Tränen in die Augen trieb, obwohl ich versuchte sie wegzuwischen.
„Wenn es Malfoy war, dann haue ich ihm eine rein, das er nicht mal mehr weiß wie er heißt. Hatte ich sowieso vor" fügte die Stimme hinzu.
Ich konnte nicht antworten. Ich schaffte es einzig und allein mich umzudrehen und in die Arme der Person zu fallen, die dort hinter mir stand. Und dann weinte ich gegen seine Schulter, bis keine Tränen mehr übrig waren. Und er hielt mich fest. Ich stellte mich auf Zehnspitzen um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.
„Danke, Freddie" flüsterte ich.

George hatte mir gestern erzählt, wie er Jane tränenüberströmt im Korridor angetroffen hatte, nach unserem Streit auf dem Astronomieturm. Er hatte nur angedeutet, das sie etwas über ihre Gefühle preisgegeben hatte, doch über mehr hatte er geschwiegen.
„Ich will nicht alles ausplaudern, weiß ja nicht ob Jane das will" hatte er gesagt. Irgendwie konnte ich es verstehen, ich hätte schließlich auch nicht gewollt, das George ihr über meine Gefühle berichtet, doch gleichzeitig war ich so neugierig, das ich doch noch zehnmal nachgefragt hatte.
Als ich dann eben beobachtet hatte, wie Jane fluchtartig die große Halle verlassen hatte und gesehen hatte, wie Malfoy Pansy Prakinson geküsst hatte, wäre ich am liebsten zu ihm hinüber gegangen und hätte ihm mal die Fresse poliert. Doch dann hatte mir George gesagt, das es vermutlich mehr bringen würde, hinter Jane herzulaufen. Und deswegen stand ich jetzt hier. Auf dem Astronomieturm, mit ihr in meinen Armen, die immer noch nichts gesagt hatte.
Plötzlich löste sie sich von mir und stellte sich auf Zehnspitzen. Ihre Lippen streiften meine Wange.
„Danke, Freddie" flüsterte sie, während sie zu mir hinauf sah, mir ihren wunderschönen Augen. Wenn sie mich so ansah, wäre ich bereit gewesen ihr alles zu verzeihen.
„Ich will dir das alles erklären, wirklich. Wollte ich schon die ganze Zeit." fügte sie etwas lauter hinzu.
„Aber ich habe dich nicht gelassen, ich weiß" antwortete ich und zog traurig einen Mundwinkel hoch.
„Ist schon gut... ich kann dich verstehen, ich wäre auch sauer gewesen. Aber vielleicht könntest du mir ja jetzt zuhören?" bat sie. Ich nickte und sie fang an zu erzählen:
„Ich weiß, das das alles sehr merkwürdig auf dich gewirkt haben muss, mit Draco und mir, aber eigentlich ist die Sache zwischen ihm und mir geklärt."
„Das hab ich eben gesehen" unterbrach ich sie schmunzelnd.
„Wie jetzt?" fragte ich.
„Er hat Pansy Parkinson geküsst" erklärte ich.
„Hab ich nicht gesehen... Egal, ich erzähle weiter. Also, als wir zusammen nach Hogsmead gehen wollten, da haben wir ja Cedric getroffen und er hat mich quasi vor dir gewarnt. Und bevor du dich jetzt aufregst: ich hatte selbst schon Zweifel, habe aber alles zu rosarot gesehen als das sie mir aufgefallen wären. Cedric hat mir die Augen geöffnet und ich war plötzlich unsicher, weshalb ich auf Abstand gehen wollte. Aber als ich dann wieder in Hogwarts war, kam mir Malfoy entgegen und hat mich ohne Vorwarnung gegen diese beschissene Wand gedrückt und geküsst. So hatte ich mir meinen ersten Kuss ganz sicher nicht vorgestellt. Und dann in diesem Klassenzimmer, ich war so wütend, das du mir nicht zugehört hast, das ich rot gesehen habe und Sachen gesagt habe, die ich eigentlich nicht so gemeint habe." sagte Jane.
„Ich habe dich ja auch provoziert" gestand ich, während ich mich mit einer Hand beschämt im Nacken kratzte.
„Mag sein. Also, es geht ja noch weiter. Draco und ich haben uns ja hier noch mal getroffen. Er wollte mich treffen und ich wollte wissen, was das alles sollte. Und deswegen - nur deswegen - habe ich mich mit ihm getroffen."
„Und wieso hat er die ganze Scheiße abgezogen?" wollte ich wissen.
„Er dachte er sei in mich verliebt und wusste nicht wie er mich ansprechen sollte und dann hab ich ihm gesagt das einfach küssen der falsche Weg ist und weil ich ihm verziehen habe, hat er mich dann umarmt" erklärte sie.
„Also ist zwischen euch wirklich nichts gelaufen?" halte ich nach.
„Nein" antwortete sie und griff nach meiner Hand, bevor sie hinzufügte: „Egal, ob ich nicht wusste, ob du es ernst meinst oder ich einfach nur sinnlos Hoffnung hatte, mir einem anderen Jungen hätte ich trotzdem nichts angefangen"

Ich sah in Freds Gesicht, das er lächelte. Doch etwas fehlte. Auch seine Seite wollte ich hören. Ich wollte wissen, wie er das alles empfand.
Ich würde nicht nachhaken, wenn, dann musste er mir das freiwillig erzählen.
„Tut mir leid" sagte er leise.
„Wie?" hakte ich verwirrt nach, obwohl ich genau verstanden hatte, was er gesagt hatte.
„Tut mir leid, das ich mich so behindert benommen habe. Ich weiß, das das echt blöd war, aber ich habe auch versucht, zu überspielen, wie verletzt ich war. Deswegen habe ich so getan als wäre ich glücklich. Aber das war ich nicht." sagte er.
Statt einer Antwort lehnte ich mich ganz leicht gegen ihn. Es fühlte sich so gut an, wieder seine Nähe zu spüren und zu wissen, das wir nun wieder befreundet waren. Ob ich mir momentan eine Beziehung mit ihm vorstellen konnte, wusste ich nicht, doch wenn mich jemand gefragt hätte, ich hätte vermutlich verneint.
Nicht, weil ich Fred nicht mehr mochte, im Gegenteil, mein Herz klopfte doppelt so schnell wie sonst, als ich seinen Geruch einatmete, doch ich war mir noch immer unsicher, wie Ernst seine Gefühle wirklich waren. Klar, er war eifersüchtig gewesen, doch was, wenn das alles nur eine Phase von ihm war? Soweit ich wusste, war er noch nie verliebt gewesen und es war war bekanntlich oft so, das man Gefühle überschätzte und sie dann doch nur freundschaftlich waren, obwohl sie nach mehr wirkten.
Also blieb dann wohl alles beim alten. Fred und ich waren nur befreundet. Fürs Erste war ich damit auch zufrieden.

Wolves || Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt