Matheprüfung

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Ich hasse mein Leben. Genau mit diesem Gedanken stand ich auf. Auch heute entschied ich mich wieder für eine schwarze Jogginghose und ein bauchfreies Top. Dazu glättete ich meine Haare und legte mir Ohringe an. Das Armband von Can hatte ich noch kein einiges Mal abgelegt. Es bedeutete mir viel. Vor allem weil es von Can war. Er schwirrte oft in meinem Kopf und mir gefiel das nicht ganz so sehr.

Nicht, dass ich ihn nicht mag, aber ich weis eben genau auf was dies hinauflaufen könnte. Und das wollte ich eben nicht. Mürrisch und genervt verzog ich mein Gesicht. Ich wollte es nicht dazu kommen lassen. Ich würde am Ende nur verletzt sein. Vielleicht sollte ich etwas Abstand zu Can halten. Ich betrachtete mich im Spiegel und fand meinen Gedanken augenblicklich wieder kindisch. Wer sagt dass er etwas von mir will. Wenn ich ihn näher kennenlerne dann ist er vielleicht gar nicht so toll wie ich jetzt dachte.

Erneut fand ich meinen Gedanken dumm. Can ist toll. Er ist wirklich ein toller Mensch. Die Art wie er mit Azra umging sagte doch schon alles. Und die tatsache, dass er sie damals als erstes nach Hause fuhr, nur um mit mir Kiffen zu können bezauberte mich immer noch. Ob er es machte, damit er Zeit mit mir verbringen konnte, oder ob er Azra da nicht mit rein ziehen will war mir egal. In beiden Fällen zeigte es wie toll er war. "Arghh", zischte ich und konnte mein Spiegelbild nicht ansehen. Zu viele Gedanken kreisten in meinen Kopf.

Mit schnellen Schritten lief ich nach unten zu meiner Familie. Nour, mein kleiner Bruder, guckte mich angeekelt an und es dauerte nur eine weitere Sekunde, bis er wieder anfing mich schlecht zu machen. "Du siehst so scheiße aus", murmelte er und trank weiter aus seiner Kakao Tasse. Es verletzte mich, doch ich zeigte dies nicht nach außen. "Hab ich wohl von dir", zickte ich zurück und wollte gerade meine Schuhe anziehen und gehen, als Jaco, mein Stiefvater in das Wohnzimmer kam. "Aseyla, hör auf deinen Bruder zu provozieren", zischte er mich an, ohne zu wissen was überhaupt vorgefallen war. "Was zum. Der Teufel hat doch angefangen", bellte ich förmlich und zeigte mit dem Zeigefinger auf das Gesicht von Nour.

"Was beleidigst du mich jetzt, du Arschloch", knirschte mein Bruder. "Halt die Schnauze oder ich bring dich dazu", drohte ich ihm. "Warum packst du nicht einfach deine Sachen und ziehst endlich aus? Sowas sagt man nicht zu seinem kleinen Bruder", Jaco kam bedrohlich nah auf mich zu, doch ich hatte weder Respekt noch Angst vor ihm. "Wie wär's wenn du wieder in dein Loch kriechst aus dem du gekommen bist?", fragte ich daher provozierend. Aus dem Augenwinkel sah ich nur noch wie Nour ein Bild von mir und meinem leiblichen Vater in der Hand hielt. "Ich mach das jetzt kaputt", lächelte er falsch und begann das Bild aus dem Rahmen zu nehmen.

Es war eine der letzten und einzigen Sachen die ich jeh von meinem Vater erhielt und daher reagierte ich auch dementsprechend emotional. Ich rannte auf Nour zu und riss ihm das Bild aus der Hand, etwas zu grob, denn er schnitt sich den Finger an dem Metall, welches Glas und Holz zusammenhielt. "Verdient", zischte ich und drückte das Bild fest an mich. "Aseyla, keiner will dich hier. Verschwinde endlich", kam wieder Jaco dazwischen. "Kannst du endlich mal deine drecks Schnauze halten", entfuhr es mir ohne darüber nachzudenken was ich getan hatte. "Jetzt werd ich dich so schlagen", drohte er mir und ich ging in mein Zimmer, er hinterher. Irgendetwas traf mich am Kopf und kurz darauf sah ich, wie ein Spielzeugauto von Nour auf den Boden fiel.

Aus Reflex drehte ich mich um und schlug mit dem Bild auf Jaco, sodass das Glas zerbrach. Geschockt stand ich da. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an als alles in Zeitlupe verging. Ich vernahm keine Geräusche, sah lediglich wie das Glas langsam zu Boden fiel. Ich ließ alles auf den Boden fallen und versteckte mich in meinem Zimmer. Fuck, was hatte ich nur getan? Doch irgendwie bereute ich es auch keines Weges.

"Was ist den hier los?", fragte die geschockte Stimme meiner Mutter. "Deine drecks Tochter hat psychische Probleme", zischte Jaco. "Mein ganzer Arm blutet wegen der Schnepfe", beleidigte er mich und ich hörte, wie er die Stufen nach unten ging. Meine Mutter schwieg. Dieses Schweigen tat mehr weh als alles andere. Ich lehnte mich gegen die Türe und ließ mich an dieser hinunter gleiten. Tränen sammelten sich in meinen Augen zusammen und fanden ihren Weg nach unten. Erst eine, dann die nächste und irgendwann war meine ganze Wange nass. In meinen Händen das Bild von mir und meinem Vater, welches meine Mutter mir zuvor unter die Türe geschoben hatte. Es zeigte mich, wie ich meinen Vater umarmte. Meine Augen waren geschlossen und ich lächelte lieb, während mein Vater in die Kamera guckte und ebenfalls seine Arme um meinen kleinen Körper geschlungen hatte.

Let me love you in the dark Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt