Es war bereits abend, als ich noch immer auf der Suche nach dem perfekten Geschenk war.
Ich hatte mir schon jegliche Sachen angeguckt. Ketten, Armbänder, Parfüm. Aber was würde ihm Gefallen? Der Mann aus dem Schatten. Unwirklich musste ich an unser erstes Treffen denken. Zusammen im Regen hatten wir uns einen Joint geteilt. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen und unbewusst spielte ich wieder einmal mit dem Armband, welches er mir vor Wochen geschenkt hatte. Wie viel seitdem passiert war. Ich hatte neue Freunde gefunden und einen Jungen, der mir wirklich etwas bedeutete. Eigentlich war ich nie auf der Suche nach Liebe oder gar einer engeren Verbindung mit einem Jungen. Und jetzt schwirrte er mir Tag und Nacht im Kopf herum. Wie mein persönlicher Fluch. Ein Zauber der mir auferlegt wurde und mich ihn mit anderen Augen sehen ließ. Diese braunen Locken und die strahlend grünen Augen, welche mich jedes Mal wieder um den Verstand bringen. Sein Lächeln, welches in mir die Dunkelheit verschwinden ließ. Und seine Stimme, schöner als jede Musik dieser Welt.
Mit wachsamen Augen blickte ich auf und sah mein Spiegelbild. Wie konnte er so jemanden wie mich schon mögen? Neben mir war er wahrlich ein Model. Mein dunkelbraunes Haar fiel glatt und langweilig über meine Schultern, die blauen Augen leicht gerötet und glasig.
Waren meine Lippen schon immer so schmal gewesen? Und meine Augen so klein? Die Augenbrauen in unterschiedlichen Formen? Meine Wangen so dick, wenn ich lächelte?
Schnell blickte ich weg. Im Gegensatz zu ihm war ich nicht wunderschön. Ich hatte nie Komplexe mit mir selbst, aber Can hatte ein Mädchen verdient, dass ebenso wie er
Wunderschön ist.Ich lief weiter und guckte mir verschiedene Königsketten an. Sie würden ihm stehen. Leise seufzte ich auf. Wieso waren meine Gedanken so wirr und durcheinander. "Ich hätte gerne diese Kette hier" , sprach ich zu dem Verkäufer, welcher mich die ganze Zeit mit wachsamen Augen beobachtet hatte. "Einen Moment" , antwortete mir dieser. Er nahm die Kette und verpackte sie in einer Schatulle. Kurze Zeit später hatte ich auch schon bezahlt und machte mich weiter auf den Weg. Wohin nun? Ich fühlte mich so alleine, als hätte ich keinen Ort an den ich zurückkehren konnte. Widerwillig trugen mich meine Beine zur Bahn, welche mich zu dem Haus meiner Familie bringt. Müde schwiff mein Blick die ganze Zeit ab und ich konzentrierte mich auf nichts mehr.
"Wenn das nicht Can's kleine Hure ist"; lachte jemand spöttisch. Ich war gerade aus der Bahn ausgestiegen, als mich dieser Ansprach. Irritiert drehte ich mich um. Mit zusammengezogenen Augenbrauen guckte ich meinen Gegenüber an. Dilan. Seine Haare waren nach hinten gegelt und zwischen seinen Lippen brannte eine Zigarette. "Was willst du von mir?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Mittlerweile war es schon spät und nur noch benebelte Obdachlose waren hier am Bahnhof. Mit langsamen Schritten trat Dilan auf mich zu. Ich versuchte einen Eindruck zu machen, der vermittelte, dass ich keine Angst vor ihm hatte. Aber innerlich schlug mein Herz heftig gegen meine Brust und mein Atem ging schneller. Schweiß bildete sich in meinen Handflächen. "Ich will dich fallen sehen, du Schlampe", lachte er und warf die Zigarette zu Boden. Die Glut zerbrach und leuchtete noch kurz auf, ehe alles in einem Rauch verging. "Das wirst du aber nicht", knurrte ich ihm entgegen und reckte mein Kinn in die Höhe. Dilan war größer als ich und ich musste meinen Kopf anheben, so nah war er mir bereits.
"Und wie ich das werde. Du bist nichts als ein stückchen Dreck. Denkst du wirklich du würdest Can etwas bedeuten?", noch immer lachte er mich aus und griff unsanft nach meinem Kinn. Leicht quetschte er dieses und kam mit seinem Kopf noch näher. "Während du ihn anhimmelst fickt er mit anderen. Du bist ein niemand für ihn. Höchstens Zeitvertreib", spuckte er mir förmlich entgegen. Tränen stiegen mir in die Augen. Wütend entriss ich Dilan mein Kinn und trat ein paar Schritte zurück. "Ach ja, und woher willst du das wissen? Ihr scheint ja nicht besonders gut mit einander zu sein", verteidigte ich mich.
"Lass mich ihn anrufen", im selben Augenblick holte er sein Handy hervor und wählte seine
Nummer.
"Was ist Dilan?", fragte Can. Diese warme Stimme würde ich überall erkennen. Er klang zwar genervt, doch auch so fand ich sie wunderschön. "Was machst du grad Cano?" , fragte dieser und blickte mir siegessicher in die Augen. Kurz hörte ich, wie Can tief einatmete. "Bin grad mit Amalia fertig und jetzt verpiss ich mich", murmelte er und man hörte, wie er eine Türe hinter sich schloss. "Was habt ihr gemacht?", fragte mein Gegenüber weiter und ließ mich
nicht aus den Augen.Mein Herz hingegen pochte schmerzhaft gegen meine Brust. Ein Gefühl überkam mich, welches ich nicht beschreiben konnte. "Gebumst", sagte Can.
Kaum hatte er dies gesagt, lief mir auch schon eine Träne über die Wangen. "Also Aseyla, glaubst du mir jetzt, dass du ihm nichts bedeutest?", fragte er mich. Can wollte noch etwas sagen, doch Dilan hatte bereits aufgelegt und ließ sein Handy wieder in der Hosentasche verschwinden. "Lass mich in ruhe! Ihr seid alle widerliche Bastarde!", schrie ich ihn an und lief taumelnd Schritte nach hinten.
Zu meinem Glück blieb er stehen und verfolgte mich nicht weiter, als ich mich umdrehte und weg ging. Er grinste nur schelmisch vor sich hin.
Mühsam lief ich die Treppen nach oben und wischte mir immer wieder die Tränen weg. Ich fühlte mich so hintergangen. Ich hatte Can vertraut, mehr als jedem anderen. Ich hatte es ernst genommen, wenn er mir etwas erzählte und ich habe ihm geglaubt. Ich hing wirklich wie eine Nutte an seinen Lippen. Wie ein naives Stück.
Ein hysterisches Lachen überkam mich. Schnellen Schrittes lief ich die Straßen entlang und sperrte die Haustüre auf. Schnell trocknete ich meine Wangen und lief in das Wohnzimmer. Lediglich Jaco und Nour saßen auf der Couch und guckten sich einen Film an. Stumm schenkte ich mir ein Glas ein und wollte trinken.
Betrunken lallte Jaco auf. "Hallo sagen kannst du Schnepfe wohl auch nicht". Ich beschloss ihn zu ignorieren. Ich hatte heute schon genug. Ich hatte keine Kraft mehr, mich mit so etwas zu beschäftigen. "He, ich rede mit dir" , wurde er lauter und stand auf. Genervt drehte ich mich in seine Richtung. Er war mir näher als ich eingeschätzt hatte. "Ich will aber nicht mit dir reden", murmelte ich und stellte das Glas ab. Jaco mahlte mit seinem Kiefer und die Beine konnten ihn nicht mehr richtig tragen. Besoffene Menschen sind ja so erbärmlich.
"Was du willst interessiert niemanden. Zieh endlich aus. Keiner will so eine Nutte wie dich hier haben. Nicht einmal deine eigene Mutter will dich" , spottete er über mich und baute sich auf. Erneut durchfuhr mein Herz ein Schlag. Schmerzhaft pochte es. Eine unbändige Wut überkam mich. Ich konnte nicht mehr klar denken. "Halt einfach deine Fresse, du
Bastard", zischte ich ihm entgegen.Das nächste was ich merke, war das ziehen in meiner Wange und der Blutgeschmack der sich in meinem Mund ausbreitete. Schockiert blickte ich Jaco an. Er guckte verwirrt auf seine Hand. Verletzt lief ich die Treppe nach oben und versteckte mich in meinem Zimmer. Schnell öffnete ich das Fenster und spuckte das Blut aus meinem Mund. Wieder rannten Tränen über meine Wangen. Es war zu viel für mich. Viel zu viel. Ich sackte in mir selbst zusammen und ließ all den Schmerz raus. So viele Sachen mit denen ich alleine klar kommen musste.
Christina hatte ihren Spaß mit Sihan, Azra war auch beschäftigt. Can wollte ich nie wieder sehen. Sinan wohnte zu weit weg um jetzt zu ihm zu gehen. Lisa mochte ich nicht so gerne um ihr das anzuvertrauen.Alleine saß ich in mich gekauert und wusste nicht, wie ich mit diesem unerträglichen Schmerz in meinem Herzen klar kommen sollte. Ich war einsam.
Nur mit Can hatte ich mich wieder so lebendig gefühlt. Er war dieser eine Hoffnungsschimmer für mich. Mein Licht in der Dunkelheit. Und ich dachte, auch er könnte mich in der Dunkelheit lieben.
Zitternd richtete ich mich auf und setzte mich auf die Fensterbank. Ich baute mir einen Joint und zündete diesen an. Rauch und Weedgeruch umhüllte mein Zimmer. Nie wieder würde ich jemanden so nah an mich lassen.
Ein kurzer Blick auf mein Handy zeigte mir, dass Can mich versuchte anzurufen. Genervt verdrehte ich meine Augen. Kurz ging ich in unseren Chat und versuchte seine geschriebenen Nachrichten nicht zu lesen. Schnell tippte ich meine Nachricht ein.Lass mich für immer in Ruhe
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Let me love you in the dark
RomanceEin Mädchen welches in ihrer eigenen Dunkelheit versinkt. Ein Junge dessen Geschichte noch dunkler ist. Doch wenn sie aufeinander treffen fühlt sich alles an wie reines Licht, Glückseligkeit und Harmonie.