Seit jener Party war nun eine Woche vergangen. Wieder einmal saß ich Zuhause und betete, so schnell wie möglich hier weg zu kommen. Laute Stimmen dröhnten von unten bis in mein Zimmer. Ich spürte, wie selbst meine Mutter am Ende ihrer Kräfte war. Ihre Stimme zitterte, das konnte ich bis hier merken. Jaco brachte erneut irgendwelche stichelnde Kommentare. Nour's Weinen hörte ich ebenfalls. Den genauen Grund für diesen Streit kannte ich nicht, doch meine Mutter war am Ende mit ihren Nerven. Mit einem Schwung fiel die graue Bettdecke zur Seite. Müde riss ich die Jalousien hoch und kniff meine Augen zusammen. Der plötzliche Lichtwechsel war zu viel. Mein Outfit bestand lediglich aus einem Jogginganzug, als ich nach unten humpelte.
Meine Mutter stand in der Küche, lehnte sich an der Arbeitsplatte ab und war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Jaco ihr gegenüber an dem braunen Holztisch. Nour hatte sich auf der Couch eingerollt und weinte Stumm vor sich hin. "Das ist aber eine schöne Stimmung hier. Brauchst du Hilfe Mama?", fragte ich an meine Schwarzhaarige Mutter gewandt, als ich mir ein Glas mit Wasser befüllte. "Möchtest du mit mir Einkaufen fahren?", ihr Blick war flehend. Ich war ihre Ausrede auch mal aus diesem Höllenhaus zu entfliehen. "Klar, ich zieh mich nur schnell um", ließ ich sie wissen und trampelte die Holztreppen nach oben. Die gelb gestrichene Wand stach unangenehm im Auge und ich hoffte, diese würde bald ein Make-over bekommen. Letztendlich trabte ich in Jeans und einem Top wieder nach unten. "Wollen wir los, Mama?", rief ich durch das Erdgeschoss und war dabei, mir meine weißen Tn's anzuziehen. "Mama wartet schon im Auto auf dich", schluchzte Nour mir entgegen. Verstehend nickte ich. "Wenn etwas ist, ruf mich an und versteck dich in meinem Zimmer. Schlüssel steckt innen", flüsterte ich meinen kleinen Bruder zu, sodass Jaco dies nicht hörte. Manchmal hasste ich Nour, doch ich wusste am Besten, zu was Jaco alles in der Lage ist.
Schnellen Schrittes lief ich auf den schwarzen BMW zu und stieg auf den Beifahrersitz ein. Angenehm fühlte sich das Leder unter meinen Oberschenkel an und schmiegte sich an mich. Meine Mutter schaute gespannt auf die Straße, als sie von unseren Hof fuhr. Auf ihrer Nase saß eine Leserbrille und ihre Lippen waren zu einem schmalen Spalt zusammengepresst. Leise sang Lady-Gaga im Hintergrund und ich musste mich bemühen, nicht mitzusingen. Die Frau neben mir war dazu nicht in der Stimmung. Schweigend verging die Autofahrt. Bäume zogen an mir vorbei und ich schenkte den Vögel am Himmel meine Aufmerksamkeit. "Ich glaube, es ist an der Zeit dass wir endlich reden", durchbrach die raue Stimme meiner Mutter die Stille. In ihrer Hand brannte eine Zigarette. Kurz musterte mich die ältere Frau. "Über was reden?", stotterte ich aus mir heraus. Dieses Gespräch kam so plötzlich. "Über unsere Situation Zuhause. Ich hab dir nie zugehört", murmelte sie schuldbewusst und sog tief an ihrer Kippe. Mit Leichtigkeit inhalierte die den Rauch, nur um ihn einen kurzen Moment später wieder auszupusten. Irgendwann wird das Rauchen uns allen zum Verhängnis. "Ich denke, ich habe meinen Standpunkt schon klar gemacht. Ich halte nichts von Jaco", murmelte ich. "Fühlst du dich Wohl bei mir?", fragte die Schwarzhaarige und versuchte meinen Blick einzufangen. Doch ich war nicht bereit in ihre strahlend blauen Augen zu schauen. Ich wollte meine Mutter nicht anlügen.
"Mama, ich habe die Hälfte des Jahres außerhalb verbracht. Ich hasse es nach Hause zu kommen", antwortete ich ihr Wahrheitsgemäß. Sie schluckte. Irgendwann hielten wir vor der Mall an, doch keiner machte Anstalten auszusteigen. "Ich wollte nie, dass unsere Familie so zerbricht. Ich wollte immer nur das Beste für euch", anhand des Zittern in ihrer Stimme, wusste ich, dass sie kurz davor war zu weinen. "Ich weiß Mama, aber manchmal ist dein Bestes nicht mein Bestes", flüsterte ich und knetete meine Finger, welche in meinem Schoß lagen. "Warum hast du nie mit mir geredet? Ich bin doch deine Mutter", es war kein Vorwurf, den sie mir machte. Eher eine Frage, ob sie als Mutter versagte. "Weil du blind vor Liebe warst und ich nur ein Kind. Du hättest mir nicht zugehört", murmelte ich, noch immer ihren Blick ausweichend. "Doch hätte ich, Aseyla!", versuchte sie mir klar zu machen. Ich hatte es doch so oft versucht. Es war, als hätte sie keines der Wörter gehört, die meine Lippen verließen. Sie wollte es lediglich nicht hören und in ihrer kunterbunten Welt weiterleben. Doch für mich war diese Welt grau. "Du hättest es aber nicht verstanden Mama. Du warst verliebt", endlich traute ich mich, ihr in die Augen zu sehen. Tränen rannen über ihre Wangen und hinterließen nasse Flecken auf ihrem pinken Shirt. "Es tut mir leid", warf ich schnell hinterher, als ich ihr Gesicht sah. Ich liebte sie doch über alles, konnte meine Gefühle aber nur schwer zeigen.
"Es tut mir leid Aseyla. Du bist mein Kind. Ich liebe dich über alles". Ich zog meine Mutter in eine Innige Umarmung, wir beide verloren Tränen. Doch es fühlte sich so befreiend an. Endlich hatte ich wieder einen Anhaltspunkt in meinem Leben. Endlich würde es besser werden. Egal wie klein der Schritt war, es war näher am Ziel. Meinem persönlichem Ziel vom Leben.
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Let me love you in the dark
RomanceEin Mädchen welches in ihrer eigenen Dunkelheit versinkt. Ein Junge dessen Geschichte noch dunkler ist. Doch wenn sie aufeinander treffen fühlt sich alles an wie reines Licht, Glückseligkeit und Harmonie.