Kapitel 39

567 13 0
                                    

"Samantha, richtig? Ich bin Henry, North's Bruder." Henry's strahlendes Lächeln ließ mich dahin schmelzen und Mom schien es nicht anders zu ergehen. "Oh, Hallo!", erwiderte sie verdutzt und ließ das Glätteisen in der Hand sinken. "Er hat mir von ihrem Salon erzählt und ich dachte, ich brauche mal wieder einen neuen Haarschnitt." Henry legte den Kopf schief und wandte sich dann das erste Mal an mich. "Hast du einen Termin frei?", wollte er von mir wissen. Bevor ich meinen Mund öffnen konnte, erwähnte Mom, dass ich noch in der Ausbildung war und sie ihn auch wann anders bei ihr eintragen konnte.

"Nein, schon gut. Ich bin gerne das Übungsobjekt.", konterte er sanft, aber bestimmt. Henry zwinkerte mir zu, ohne dass es jemand außer mir mitbekam, und setzte sich dann auf einen freien Stuhl. Ich sah in Mom's Richtung und zuckte mit den Schultern. Was konnte ich schon dafür? Wenn er wollte, dass ich ihm die Löckchen schnitt, würde ich das auch sehr gerne tun. Mom drehte sich zurück an die Kundin und glättete weiter. Bestimmt hatte sie Henry über North ausquetschen wollen und das entging ihr jetzt.

"Hey Kleines.", flüsterte er mir zu und sah mich im Spiegel an. "Was haben sie sich vorgestellt? Diese Locken sind doch viel zu schön um sie abzuschneiden!", meinte ich und sah ihn mit einem Blick an, der fragte: Was tust du hier? Und wehe du machst etwas Unüberlegtes.

"Ich möchte nur eine kleine Auffrischung. Einfach ein bisschen kürzen und vielleicht eine Kopfmassage oder sowas?" Er grinste breit und ich beugte mich vor über seine Schulter. "Soll ich dich auch mit Samthandschuhen anfassen?", flüsterte ich ihm ins Ohr und brachte ihn dadurch noch mehr zum Grinsen. "Nein, deine Hände sind mir viel lieber.", antwortete er schließlich und stand auf um sich von mir die Haare waschen zu lassen. Wir redeten beim Waschen nicht, doch es machte mir Spaß, zuzusehen, wie er sich fallen ließ und sich entspannte. Nach dem ganzen Stress mit North und der Tatsache, dass ich ihn über mein Alter angelogen hatte, verdiente Henry ein wenig Wellness.

Ich massierte die Haarkur ein und beobachtete Bea, die am Tresen saß und etwas im Computer eintippte. Ob sie etwas bemerkt hatte? Mom war am anderen Ende des Raums und sehr damit beschäftigt die Kundin fertig zu stylen. Da der Fön recht laut war, hatte sie das Gespräch zwischen mir und Henry sicher nicht mit angehört.

Als ich Henrys Haare trocken rubbelte und wir zurück zu dem Sitz gingen, war Mom's Kundin dabei, gut gelaunt zu zahlen. Bea war ins Hinterzimmer gegangen und ich schnitt Henrys Locken, so wenig wie möglich. Mom kassierte ab und als die Kundin gegangen war, war es plötzlich still im Salon. Nur das metallische Geräusch der Schere war zu hören und vermutlich mein Herz, das mir im Hals klopfte.

"Ich wusste nicht, dass North einen Bruder hat, er hat mir noch gar nichts erzählt.", fing Mom schließlich an und betrachtete uns im Spiegel. Ob sie Henry musterte oder meine Arbeit wusste ich nicht, denn ich war darauf fokussiert, Henry gut aussehen zu lassen.

"Wir sind sogar drei Brüder. Er ist der Jüngste und der älteste Bruder heißt Samuel. Keine Ahnung, wo sich der gerade herumtreibt.", erzählte Henry gelassen und kniff die Augen zusammen, als ihm eine Haarsträhne nach vorne über's Gesicht fiel.

"Ah.", machte Mom nur und lächelte verkrampft. Was war los mit ihr?

Sie ging nach hinten ins Zimmer, wo sie gedämpft mit Beatrice redete. Ich schüttelte den Kopf über diese Situation und schnitt zu Ende. Henry beobachtete mich. "Was?", fragte ich gereizt. "Nichts. Tut mir Leid. Ich dachte, dass das die Sache einfacher macht, wenn deine Mom mich kennt." Die Musik im Hintergrund spielte ein Lied, das heute schon drei Mal gespielt worden war. Ich seufzte und steckte den Fön ein. Als Henry fertig war und zufrieden in den Spiegel guckte, hatte ich mich wieder etwas beruhigt. Wir gingen beide zum Tresen und ich kassierte ab, wobei mir Henry ein großzügiges Trinkgeld gab. Ich warf ihm wieder einen wissenden Blick zu. Das war wohl seine Art Entschuldigung zu sagen.

Bevor Mom zurück kam, verließ er den Salon und fuhr davon. Ich sah seinem Auto nach und faltete den Schein, damit ich ihn in meine Hosentasche stecken konnte.

"Was für ein attraktiver Mann. Vielleicht hat sich deine Mom für den falschen Mann entschieden." Bea stand hinter mir. Ich drehte mich zu ihr, um in ihrem Gesicht zu lesen, ob sie etwas witterte. Es war nichts zu erkennen.

Der restliche Tag verlief ruhig und als ich endlich zuhause in mein Bett fiel und entspannen wollte, klopfte North an die Tür. Er klopfte ganz anders als Mom. Nicht so sanft, nicht so, als würde er nicht stören wollen.

Ich verdrehte die Augen und umarmte mein Kopfkissen. Er war der Letzte, den ich heute noch sehen wollte. Die Dielen vor meiner Zimmertür knarzten, als er sein Gewicht verlagerte.

"Ich schlafe!", rief ich laut und beobachtete die Tür. North lachte leise.

"Ja, hört man. Deine Mom ist einkaufen, bitte lass uns kurz reden."

Er klang etwas besorgt, weswegen ich aufstand und ihm die Tür öffnete. Mit großen Augen sah ich ihn erwartungsvoll an. "Und?"

"Sag deinem Freund er soll nicht einfach so in Sam's Leben platzen. Sie war verwundert, dass sie ihn so kennenlernen musste." North betrat mein Zimmer und sah sich während dem Reden um. Ich trat zur Seite.

"Es war unüberlegt von ihm, er macht sowas nicht nochmal.", meinte ich leise. Natürlich hatte sich North das anders gewünscht. Wenn er meine Mom wirklich liebte, würden sich die Familien ohnehin früher oder später kennenlernen. Henry sollte darin nicht herumpfuschen. Doch wollte ich North wirklich in meiner Familie? Das würde heißen, dass ich immer eine Verbindung zu Henry haben würde. Und er war sicherlich nicht der Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen würde. Henry war mein Spiel, mein Zeitvertreib, meine Rettung. In ein paar Monaten, Jahren, war ich selbstständig und hatte mir selbst etwas aufgebaut.

Henry war lediglich meine Starthilfe, mein Zündstoff, um groß hinaus zu kommen.

Fruit Punch Lips | Sugar Daddy 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt