Kapitel 45

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Bevor die Tränen, die ich durch das Husten verursacht hatte, meine Wangen hinunter laufen konnten, wischte ich sie mit zwei Fingern weg. Ich beobachtete meinen Vater, der am Esstisch saß und die Arme verschränkte, bevor er anfing zu reden.

"Ich hab einen Job, es läuft ziemlich gut und ich habe mich gefragt, wie es euch geht." Seine Stimme war leise, so wie immer. Er wollte, dass man ihm sehr gut zu hörte, weshalb er leiser sprach, als alle anderen. Dad stand auf und ging einen Schritt auf mich zu. Auf einmal roch ich diesen unverwechselbaren Duft. Er trug schon immer diesen einen Männerduft, schon damals, als ich auf die Welt kam. Und dieser war gekoppelt mit erkaltetem Zigarettenrauch und einem Hauch von süßlicher Chemie. Es wunderte mich, dass ich ihn nicht sofort gerochen hatte, als ich die Küche betreten hatte.

"Bitte geh, bevor Mom zurück kommt. Wir können uns nächste Woche sehen, Dad. Aber Mom möchte nicht, dass du hier reinkommst." Ich versuchte den flehenden Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken, doch die ansteigende Panik in mir siegte.

"Ich hab das Haus hier gekauft und renoviert, ich denke es ist in Ordnung, wenn ich hier in meiner Küche sitze und mit meiner Tochter spreche." Mein Herz klopfte schneller.

"Ich wollte trotzdem nicht länger bleiben als nötig.", fügte er dann aber schnell hinzu. Offenbar hatte er meine Verspannung bemerkt. Er stellte sich vor mich hin und sah mich an. "Schreib mir bitte, wann du nächste Woche kurz Zeit für ein Gespräch hast. Es ist wichtig."

Dad klopfte mir irgendwie unbeholfen auf die Schulter und verabschiedete sich, als er den Flur verließ. Er ging die Abkürzung zum Spielplatz, die er mir mal gezeigt hatte, und verschwand aus meinem Blickfeld. Dad war zwei Monate nicht aufgetaucht. Was das mit mir machte konnte ich selbst nicht sagen. Er hatte zwei Monate nicht um Geld gebettelt oder Mom geschlagen. Aber er war immer noch mein Dad. Zwei Monate wollte er seine Tochter nicht sehen und nicht wissen, wie es ihr geht. Heute war er ungewöhnlich sanft gewesen. Ob er die Wahrheit gesagt hatte? Vielleicht hatte er es endlich geschafft.

Ich stellte die leere Flasche in ihren Kasten zurück und ging ins Bad, wo ich in der Dusche all den Schweiß und restliches Makeup von mir wusch. Erfrischt und mit kühlem Kopf schlüpfte ich in eine lockere Sommerhose und ein einfaches Top. Um neben Abby nicht all zu unperfekt auszusehen, trug ich Mascara und Blush auf. Als ich fertig wurde, kam Mom nach Hause. Sie lachte und war vermutlich mit North angekommen.

Ob ich ihr von Dad erzählen sollte? Ich ließ die Mascara zurück in meinen Makeupbeutel fallen und sah mein Spiegelbild an.

"Egal wohin du gehen wirst, Chaos haftet an dir. Wie Spinat... zwischen den Zähnen, wenn man gerade auf einem Date mit einem Millionär ist.", flüsterte ich leicht passiv-aggressiv und ging aus dem Badezimmer.

"Hey meine Süße, gehst du noch aus?", fragte Mom. Sie stellte ihre Tasche im Flur ab und setzte sich auf den Platz am Esstisch, an dem Dad saß. Bevor ich den Mund zum Antworten öffnen konnte, rümpfte sie die Nase und lächelte dann ungläubig.

"Wenn lädst du denn hierher ein, der so billige Zigaretten raucht.", meinte sie, scheinbar ahnungslos, und wischte ein paar Krümel vom Tisch. Mein Herz klopfte wie wild, sodass ich dachte, es würde in den nächsten Sekunden zerplatzen.

"Hast du Hunger?" Wieder eine Frage, bevor ich die letzte beantworten konnte. Mir war das Recht, denn meine Antworten fehlten mir.

Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin mit Abby weg.", murmelte ich. Auf einmal kam North ins Esszimmer geschneit.

"Tut mir Leid, ich musste noch einen Anruf annehmen. Em, hi, wie geht's dir? Bist du schon bereit für die Ferien?"

North sah mich lächelnd an und ich versuchte noch immer, Antworten zu suchen.

"Klar." Ich zwang mich zu einem Lächeln. Alles was in Ordnung.

"Wir uns auch. Ich bin jetzt schon dabei, meine Klamotten zu waschen und wegzupacken, die ich für Mauritius brauche." North zwinkerte Mom zu und diese lächelte zurück.

Bevor mir schlecht wurde, gab ich an, dass ich jetzt weg war und dass man nicht auf mich warten sollte, ich nehme einen Schlüssel mit. Mom nickte bloß, wünschte mir viel Spaß und fügte hinzu, dass ich bei Abby bleiben und keine Alleingänge unternehmen solle. Ich musste die Augen verdrehen, aber versicherte ihr wie üblich, dass ich vorsichtig sein würde.

-

"Das größte Glück soll ja sein, zum richtigen Zeitpunkt zu sterben."

Meine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, bevor ich an der Zigarette zog und meinen Arm so ausstreckte, dass er über die Netzschaukel herausragte. Ein lauwarmer Luftzug umspielte meine Finger, als die Schaukel sanft hin und her schwang. Ich schloss die Augen.

"Meinst du nicht?" Abby's Flüstern ließ mich die Augen aufschlagen. Es war fast ganz dunkel, die Straßenlaternen auf der anderen Straßenseite gingen gerade flackernd an. Der Spielplatz versank in Schatten.

"Keine Ahnung. Über Glück mache ich mir später Gedanken, wenn ich mit Dad gesprochen habe und das auch noch überlebe. Und dann denke ich über Glück nach, wenn ich irgendwo am Strand liege und jede Menge Pina Coladas schlürfe."

Zufrieden beim Gedanken an den bevorstehenden Sommerurlaub zog ich nochmals an meiner Zigarette, bevor ich sie ausdrückte und in den Kies unter uns fallen ließ.

"Was denkst du will dein Dad von dir?", fragte Abby. Ihre Schulter berührte meine. Sie lag direkt neben mir, wir beide auf dem Rücken in der Netzschaukel. Wir sahen in den Himmel, der heute wolkenlos war.

Ich zuckte mit den Schultern. "Geld wette ich. Wobei er irgendwie... anders war. Als sonst, meine ich."

Nachdem ich zu Ende gesprochen habe, war es unheimlich still. So spät fuhren in diesem Wohngebiet selten Autos herum. Ich konnte die leere Flasche Lillet hören, die neben uns umher rollte und leise klimperte.

"Vielleicht möchte er sich für alles entschuldigen. Vielleicht hat er eingesehen, was er euch angetan hat. Wäre das so unvorstellbar?"

Fruit Punch Lips | Sugar Daddy 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt