Kapitel 57

355 10 0
                                    

"Du musst dich von Henry fernhalten, wenn diese Hochzeit rum ist. Wirklich, das was ihr zwei habt ist ein moralisches Desaster." Er drehte seinen Kopf zur Seite und wich meinem verärgerten Blick aus. "Es ist egal was es ist, es ist meine Sache. Mein Leben. Und wenn ich achtzehn werde, kann mir das auch niemand wegnehmen."

"Aber du bist noch nicht achtzehn, Emilie. Wach doch auf, das ist nicht für immer. Henry wird dir früher oder später weh tun. Er wird dir niemals das geben können, das du wirklich brauchst." North schien jetzt richtig in Fahrt zu kommen und bevor er explodierte und damit den Abend aller ruinierte, besänftigte ich ihn.

"Na schön, aber damit befasse ich mich wenn wir zurück in Deutschland sind.", murmelte ich leise. Dann trank ich meine Cola aus und stand auf. "Wenn du mich entschuldigst, ich hole mir jetzt einen Cocktail. Anders ist deine fehlplatzierte Väterlichkeit ja gar nicht auszuhalten."

Ich stapfte los an der Tanzfläche entlang und bat die Barkeeperin nach einem neuen Cocktail, der es in sich hatte. Während ich wartete warf ich einen Blick in Norths Richtung. Er saß an unserem Tisch und klammerte sich an sein Glas Cola, als könnte das seinen Frust in sich aufnehmen. Stattdessen sah es eher so aus, als würde es gleich zerbersten.

Schnell drehte ich mich wieder zur Bar. Die Barkeeperin stellte den Cocktail ab und schob mir eine winzige Schüssel mit Kirschen zu. Sie war hier scheinbar die einzige Person, auf die ich mich richtig verlassen konnte. Ich bedankte mich, grinste über die freundliche Geste und nahm beides mit hinter die Bar zurück in mein Versteck.

Wenn ich den Cocktail fertig getrunken hatte, würde ich Henry fragen ob er mit mir tanzte. Der Gin tanzte bereits in mir, meine Gefühle verstärkten sich, wie auch mein Mut. Der Tatendrang bäumte sich mit jedem Schluck mehr auf. Endlich. Ich zog mit den Zähnen eine Kirsche vom Stängel und ließ diesen in den Busch hinter mir fallen. Auch den Kirschkern spuckte ich ins Dickicht. Die Süße der Kirsche passte hervorragend zu dem Cocktail.

Und so wie ich mich kannte, schweiften meine beschwippsten Gedanken nicht zum üblichen Verdächtigen, sondern zu einer ganz anderen Person, die jetzt ganz überraschenderweise meine Aufmerksamkeit gewonnen hatte...

Die Tür zum Bereich hinter der Bar schwang mit einem Mal auf und heraus kam die Barkeeperin von vorhin. Sie bemerkte mich nicht, denn sie war in ihrem Schwung dabei sich die Zigarette anzuzünden, die zwischen ihren Lippen klemmte. Ihr Feuerzeug sträubte sich, doch beim zweiten Anlauf erhellte die kleine Flamme den kleinen Sitzbereich. Sie zog an der Zigarette und als sie diese sinken ließ um auszuatmen, erblickte sie mich endlich.

"Hey du." Ihre Stimme war ganz sanft. Sie wirkte gestresst, aber schien sich zu freuen, mich hier zu treffen. "Hi.", antwortete ich. Plötzlich war der angetrunkene Mut wie weggeblasen und mein Gehirn schien leer zu sein. Sicher war sie hier um ihre Ruhe zu haben. Sollte ich wieder gehen?

Um sie nicht anzustarren, ließ ich den Blick auf mein Glas sinken. "Ich kann dir gleich noch einen machen, wenn du möchtest.", bemerkte sie. Ihr Grinsen war kaum zu überhören. Beinahe fühlte ich mich schlecht, dass ich einen Cocktail nach dem anderen bestellte.

"Tut mir Leid, ich hab das Gefühl deine Cocktails sind das Einzige, was mir heute hilft. Ich wollte eigentlich mit meinem Freund auf diese Hochzeit gehen, aber daraus ist jetzt diese lächerliche Familienfeier geworden. Sogar meine Mom ist hier." Ich zuckte mit den Schultern und wunderte mich, wieso ich ihr das überhaupt erzählte. Sie setzte sich neben mich auf die Couch und zog an ihrer Zigarette, wie als würde sie mir Zeit geben wollen, noch mehr zu erzählen.

"Ich dachte wirklich, ich könnte Spaß haben, aber ich bin schon den ganzen Abend so angespannt wie noch nie.", gestand ich leise. Sie musterte mich eine Weile. "Klingt scheiße.", antwortete sie banal. Ich musste kurz lachen. "Ja. Super scheiße."

Wir redeten solange, bis ihre Zigarette ausging. Doch dann steckte sie sich einfach eine Neue an und plauderte munter weiter, als müsste sie nicht wieder zurück hinter die Bar. Sie war seit drei Jahren jeden Sommer hier zum Arbeiten. Eigentlich studierte sie auf Sri Lanka Hotelmanagement, doch von ihrem Ferienjob wollte sie sich nicht trennen lassen. Sie war zwar in Berlin geboren, doch beide Eltern kamen ursprünglich aus Sri Lanka. Gerade, als sie mich nach meinen Eltern fragen wollte, kam einer der beiden anderen Barkeeper zu uns und blickte verärgert auf Haleemas Zigarette.

"Ich komme ja schon.", meinte diese locker und stand auf. Sie warf beide Zigarettenstummel in einen Aschenbecher und drehte sich kurz vor der Tür nochmal zu mir um. "Lass uns später weiter quatschen. Und bestell deine Cocktails bei mir, ich mach sie dir extra stark!" Haleema zwinkerte und ich wurde mit Sicherheit rot. Zum Glück war es fast ganz dunkel. Ich winkte bloß unbeholfen und sie schloss die Tür hinter sich.

Wie durch ein Wunder war ich gar nicht mehr angespannt. Während ich zurück an den Tisch ging, stellte ich mir vor, wie sich jeder fragte, warum ich so ein breites Grinsen auf dem Gesicht trug.

Fruit Punch Lips | Sugar Daddy 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt