Kapitel 13

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„Emilia..." sprach Felix, plötzlich in einem so ruhigen Ton, dass mich die Situation nur noch mehr nervte. „Nee, nix ‚Emilia'!" Entgegnete ich und meine Stimme brach plötzlich ein. Ich merkte, wie mir Tränen die Wangen runter liefen, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. „Ich wusste doch nicht, dass dich das so fertig machen würde, man. Ich meine, wir -„ „Wir sind nicht zusammen, ich weiß. Will ich auch garnicht. Aber wir sind zusammen HIER." machte ich ihm klar. „Und das ist einfach nicht cool." ich drehte mich zu ihm um und schaute ihn an. „Hör auf zu weinen!" Felix erschrak, als er die Tränen in meinem Gesicht wahr nahm. „Ich weine immer, wenn ich sauer bin." Und das stimmte. Immer, wenn ich nicht wusste wohin mit meiner Wut, fing ich an zu weinen. „Flipse, richtiger Herzensbrecher!" hörte ich José von hinten rufen und ich warf ihm einen bösen Blick zu. Felix winkte ab, sein besorgter Blick immer noch auf mir ruhend. „Ich werde jetzt gehen." sagte ich zu ihm, wandte mich von ihm ab und ging schnellen Schrittes Richtung Straße. „War schön, euch kennengelernt zu haben." rief ich seinen Freunden zu, als Felix mich einholte. „Ich lasse dich nicht alleine gehen." sprach er. „Jungs, ich bringe sie schnell!"

Auf dem Weg zur Wohnung sagte keiner von uns etwas. Es war aber keine angenehme Stille, wie sie sonst manchmal zwischen uns herrschte. Ich wäre am liebsten vor ihm geflüchtet. Ich hörte ein Rascheln und ein Klicken und sah im Augenwinkel, wie Felix sich eine Zigarette anzündete. Er pustete den Rauch aus, so laut, dass man meinen könnte, er wollte die Stille damit unterbrechen. Dann räusperte er sich und ich sah ihn erwartungsvoll an. Was kommt jetzt? „Es tut mir Leid." sprach er langsam und ruhig und schaute mich dabei nicht einmal an. Er starrte nur noch vorne. „War nicht cool von mir die Aktion. Es ist nur so, ich bin-„ „schnell gelangweilt." unterbrach ich ihn. Es war keine Frage, es war eine Feststellung. „Nee, das ist es nicht." verteidigte er sich. „Ich bin es nicht mehr gewohnt, dass da jemand ist... Ach keine Ahnung, man." ich schaute ihn mit einem skeptischen Blick an. „Du bist mir keine Rechenschaft schuldig." beteuerte ich. „Ich will's dir aber erklären." sprach er. „Ich will nicht sagen, dass ich in den letzten 2, 3 Jahren jeden Tag ne Andere hatte. Aber die, die ich hatte, blieben halt nicht lange, so. Hab die ein- zweimal gefickt und das war's. Hätte die niemals bei mir pennen lassen, erst recht nicht mit mir zusammen auf dem Sofa. Ich hab' die nicht an mich ran gelassen, emotional." ich blickte ihn verwirrt an. „Man, ich hätte dich in Köln auch einfach nach Hause fahren lassen können, weißt' wie ich mein'?" fragte er. Ehrlich gesagt nicht, nee. Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe vor ein paar Jahren ziemliche Scheiße gebaut. Richtige, riesengroße Schweinescheiße einfach. Der Hype stieg mir zu Kopf, dann waren da plötzlich die ganzen Weiber und keine Ahnung. Lief nicht cool einfach. Und heute war wieder so ein Moment. Das Weib hat mich erkannt, mir gesagt, wie toll sie mich findet, bla. So und dann habe ich nicht darüber nachgedacht." er blieb stehen und ich drehte mich zu ihm. Er rieb seinen linken Unterarm, auf dem 4:44 tätowiert war. Ich seufzte. Wo bin ich hier nur rein geraten? Ich wollte doch nur von dem Stress Zuhause abgelenkt werden und plötzlich bin ich hier irgendwie in neuen Stress verwickelt. Und was meint er überhaupt mit der riesengroßen Schweinescheiße? „Ich hätte nach Hause fahren sollen." sagte ich schließlich. Er sah auf den Boden. „Ich schütte dir hier mein Herz aus und das ist alles, was du dazu zu sagen hast?" fragte er leicht gereizt. „Dann red' doch mal Klartext!" befahl ich ihm. „Warum hast du mich denn nicht nach Hause fahren lassen? Warum wolltest du unbedingt, dass ich mit nach Berlin komme? Warum war es mit mir plötzlich okay, kuschelnd auf dem Sofa zu schlafen, wenn du das sonst nicht tust?" fragte ich ihn fordernd. „WEISS ICH NICHT!" fuhr er mich an, atmete dann tief ein und aus. „Ich weiß es nicht." wiederholte er, diesmal in einem ruhigeren Ton. „Ja, dann weiß ich es auch nicht, Felix." sagte ich und ging weiter. Er folgte mir, blieb aber immer zwei Schritte hinter mir. Vor dem Haus, in dem sich seine Ferienwohnung befand, angekommen, drehte ich mich noch einmal zu ihm um. Ich schaute ihn erwartungsvoll an. Ich wusste nicht mal genau, was ich erwartet habe, aber es kam sowieso nichts. Er blickte einfach nur auf den Boden und wippte mit seinen Füßen hin und her. „Gute Nacht." sagte ich zu ihm, machte kehrt und öffnete die große, massive Haustür. „Gute Nacht." hörte ich Felix noch murmeln, bevor ich die Tür hinter mir schloss.

Ich komme nach Hause. Schrieb ich Lena, als ich mit meinem großen Koffer im Flur stand und noch einmal durch die Wohnung schaute. In der Hand hielt ich einen Briefumschlag, mit einem kleinen Zettel und 50 Euro darin. „Danke, dass ich in deiner Wohnung schlafen durfte und danke, für die vergangenen Tage. Mach's gut." stand auf dem Zettel. Ich konnte die Nacht über kaum schlafen. Immer wieder durchlief ich den letzten Abend und das Gespräch mit Felix. Ich fühlte mich wie ein Fass, das kurz vor'm explodieren war. Das war einfach alles zu viel. Auch hatte er sich seit gestern Nacht nicht bei mir gemeldet.

Ich bog in Felix Straße ein, schaute hoch und vergewisserte mich, dass er nicht auf seiner Terrasse stand. Ich schaute wieder nach vorne und sah, dass sein Auto nicht vor dem Haus stand. Gott sei dank. Ich hätte ein Gespräch mit ihm jetzt wirklich nicht ertragen. Noch weniger hätte ich es ertragen, in seiner Nähe zu sein. Ich vermisste ihn schon jetzt, aber ich musste gehen, bevor es noch komplizierte wurde. Ich warf den Wohnungsschlüssel und den Briefumschlag in den kleinen Briefkastenschlitz auf dem "Lobrecht" stand. Schnellen Schrittes, und bevor ich es mir anders überlegte, ging ich zurück Richtung Kotti, um mit der U-Bahn zum Bahnhof zu fahren.

Zu Dir (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt