Kapitel 14

2.1K 46 1
                                    

Felix
„Das war aber auch bescheuert von dir, merkste selber, oder?" fragte mich Julian, als ich in die Parklücke vor dem Haus meiner Wohnung zum stehen kam. „Jaha, das habe ich auch gestern Abend schon verstanden." entgegnete ich ihm und stellte den Motor aus. „Ich weiß doch auch nicht, warum ich das gemacht habe." „Du lernst nicht aus deinen Fehlern." Julian schaute mich vorwurfsvoll auch. „Is' egal jetzt, ich regele das schon." versicherte ich. Mein Bruder und ich stiegen aus dem weißen Benz und ich zündete mir vor der Haustür eine Zigarette an. „Hast du ihr schon geschrieben?" fragte er mich. „Nein. Ich will das persönlich klären." Antwortete ich, während ich routinemäßig in meinen Briefkasten schaute und hoffte, nichts darin zu finden. Je älter du wirst, um so mehr wird dir klar: nur ein leerer Briefkasten ist ein guter Briefkasten. Mir fiel ein weißer Umschlag entgegen und landete auf der Treppe vor dem Haus. „Was ist da drin?" fragte mein Bruder verwirrt. Ich hob den Umschlag auf, öffnete ihn und holte daraus meinen Schlüssel für die Ferienwohnung, in der Emilia grade wohnte und mit ihm einen kleinen Zettel und 50 Euro. Ich schaute Julian ungläubig an. „Oh oh..." war alles, was er sagte.
Danke, dass ich in deiner Wohnung schlafen durfte und danke, für die vergangenen Tage. Mach's gut.
„Sie ist weg." sprach ich, mehr zu mir selbst, als zu Julian, der mir gegenüber stand und neugierig auf den Zettel schaute. „Du hast es so richtig schön verkackt." bemerkte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie geht." sagte ich, immer noch ganz perplex. „Die Kleine lässt sich wohl nichts gefallen." er lachte kurz auf, verstummte nach einem bösen Blick von mir aber sofort wieder. „Schade eigentlich, ich mochte sie." fügte er nach kurzer Stille ein, während ich noch immer gedankenverloren auf den Zettel starrte. Ja, ich auch.

Emilia
NÄCHSTER HALT: DETMOLD
Ich starrte auf die Anzeigetafel des Zuges. Ich wollte nicht hier sein. Ich wusste, dass es nun an der Zeit war, mich meinem Leben zu stellen. Eine Emotion entsteht aus einer Menge chemischer Reaktionen und neutronaler Signale, die Mustern folgen. Unser Gehirn ist das Ergebnis der Evolution erlernter Verhaltensmuster. Ich dachte an das Zitat von Antonio Damasio. Meine Gefühle waren nur eine chemische Reaktion. Wie schwer könne es schon sein, dieses erlernte Verhaltensmuster abzulegen, oder zumindest zu ignorieren? Ich schaute zurück auf mein Handy. Diesen Kontakt löschen? Ich seufzte. War es dumm, einfach abzuhauen? War es feige? Hätte ich die vergangene Nacht vergessen und die restlichen Tage mit Felix genießen sollen? Oder war es Selbstschutz? Weil ich gemerkt habe, was für eine Macht dieser Mann schon jetzt über mich und meine Emotionen hatte? Ich schaute aus dem Fenster und bemerkte, dass der Zug schon in den Bahnhof einfuhr. Ich packte mein Handy in meine Hosentasche, nahm meinen Koffer und stieg einige Momente später aus dem Zug aus. Willkommen in der Realität.

„Ich habe dich so vermisst!" Lena fiel mir auf dem Parkplatz des Bahnhofs um den Hals. Ihre langen, blonden Haare rochen nach ihrem Lieblingsshampoo. Sie löste sich von mir und schaute mich an. „Was ist passiert? Warum bist du wieder hier?" „Sei mir nicht böse, aber ich möchte da jetzt nicht drüber reden. Ich bin müde und möchte einfach nur nachhause." gestand ich ihr und war dankbar, als sie nickte und wir beide in ihr Auto stiegen. „Zu deinen Eltern?" fragte sie mich, als sie vom Parkplatz auf die Straße abbog. Ich nickte. Wohin sollte ich auch sonst? Ich war vor 2 Jahren mit Kevin in eine wunderschöne Altbauwohnung am Stadtrand gezogen und als ich mich vor 3 Wochen getrennt hatte, bin ich erstmal wieder zurück zu meinen Eltern, in mein altes Kinderzimmer, gezogen. Auf dem Weg dort hin war es im Auto still. Man hörte nur leise zwei Stimmen, die aus den Lautsprechern kamen. So leise, dass man sie kaum verstand. Plötzlich dämmerte mir, wessen Stimme das war. „Was hörst du da?" fragte ich Lena und sie schaute erschrocken. „Oh mein Gott, tut mir Leid. Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass du... das er... ich meine..." ich rollte mit den Augen. „Ich habe die Folge noch nicht gehört." entschuldigte sie sich kleinlaut. „Schon okay." versuchte ich sie zu beruhigen. „Hey Siri, stoppe die Wiedergabe." Befahl sie augenblicklich ihrem iPhone. „Die Wiedergabe ‚Gemischtes Hack' wird gestoppt." tönte es aus dem Handy. Lena lächelte mir unsicher zu. Das kann ja noch heiter werden.

Zu Dir (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt