Kapitel 37

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Heiligabend

Nachdem ich mich mal wieder übergeben hatte, putzte ich mir schnell die Zähne und tapste leise zurück in's Bett. Ich schaute auf mein Handy. 9:30 Uhr. Ich schnuffelte mich zurück in's Kissen. „Guten Morgen." sprach Felix mit verschlafener Stimme und drehte sich zu mir. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag." grinste ich ihn an und gab ihm einen Kuss. „Danke Babe. Hast du dir schon die Zähne geputzt?" fragte er verwirrt. „Eh, ja. Ich musste auf's Klo, da hab ich das direkt schon mal gemacht." „Achso." sprach er und kuschelte sich an mich.
„Wie fühlt man sich so als alter Mann?" neckte ich ihn. „Ich zeige dir gleich mal, was der alte Mann noch so drauf hat." sprach er und grinste vielsagend. Vielleicht sollte ich ihm doch jetzt endlich sagen, was Sache ist, bevor das hier gleich ausartet.
„Schatz?" „Ja?" antwortete er, während er meinen Hals mit küssen übersäte. „Ich bin-„ *ding dong* die Klingel unterbrach mein Vorhaben und ich seufzte. „Alter, wer ist das denn?" fragte Felix genervt, schlüpfte aus dem Bett, zog sich eine Jogginghose an und ging zur Tür. „Happy Birthday!" hörte ich eine Stimme rufen. Becci. „Es ist halb 10 Morgens. Was machst du hier?" fragte mein Freund genervt. „Ich bin doch ab heute Nachmittag bei meiner Familie in Brandenburg. Ich hätte es anders nicht geschafft meinem Lieblingsschützling sein Geschenk zu bringen." hörte ich sie sagen. „Ich habe uns auch Brötchen mitgebracht." ich hörte eine Tüte rascheln. „Guten Morgen, Emmy." Streckte sie ihren Kopf in's Schlafzimmer. „Guten Morgen." lächelte ich sie an. Becci und Felix gingen ins Wohnzimmer und mein Kopf fiel zurück auf's Kissen. Es schien, als würde das Schicksal nicht wollen, dass ich es ihm erzähle.

Bis zum dem Besuch von Felix' Familie blieb nicht mehr viel Zeit. Becci hatte Ausdauer bewiesen und blieb länger als geplant. Nun hatten wir Zeitdruck. Das Essen musste pünktlich fertig sein und ich wollte mich zumindest ein bisschen schick machen. Felix kümmerte sich also um's Essen, nachdem ich ihm jeden Schritt detailliert aufgeschrieben hatte und ich verzog mich in's Bad.
Pünktlich um 16 Uhr stand das Essen auf dem Tisch und Familie Lobrecht vor der Tür. „Herzlichen Glückwunsch, Großer." sprach Fränki und umarmte seinen Sohn herzlich. „Danke, alter Mann." lachte Felix. „Du bist jetzt selber schon ein alter Mann." neckte ihn sein Vater und begrüßte mich. „Schön, dich zu sehen." er nahm mich in den Arm. „Gut siehst du aus." sagte er, als er zu mir runter schaute. „Dankeschön. Kommt rein." sprach ich. Ich begrüßte Heike, Julian, Sophie und Tante Ela ehe wir alle in's Wohnzimmer gingen. „Wow. Gut sieht das aus." freute sich Fränki über das Essen. „Hast du das gekocht?" fragte er mich. „Nein, ich habe nur die Anweisungen gegeben." antwortete ich. „Na da bin ich aber gespannt."

Das Essen schien allen zu schmecken und die Stimmung am Tisch war gut. Kurz war auch Felix Mutter Thema und alle wurden etwas ruhiger. Den Erzählungen nach muss sie eine tolle Frau gewesen sein und ich wurde kurz traurig darüber, dass ich sie nicht kennenlernen konnte. „Wie war das bei dir nochmal?" fragte mich Julian. „Dein Vater ist gestorben als du 6 warst, oder?" ich nickte. „Das tut mir sehr leid. Ein Kind sollte immer Vater und Mutter haben. Egal wie sehr das verbleibende Elternteil versucht, ein guter Ersatz zu sein, so ganz klappt es ja doch nie." sprach Fränki nachdenklich. „Du hast das aber gut hingekriegt." sprach Felix und lächelte ihm dankbar zu. Recht hat er.
„Wie alt wart ihr, als Felix geboren wurde?" fragte ich seinen Vater. „Ich war ungefähr in dem Alter, in dem Felix jetzt ist. Seine Mutter war 28." antwortete dieser. „War es geplant?" fragte ich weiter neugierig. „Naja, wir wollten schon irgendwann mal Kinder, aber der Junge war ein Unfall." lachte er. „Eigentlich hat es zu dem Zeitpunkt gar nicht gepasst. So ein Kind verändert alles. Du musst dein ganzes Leben umstellen und fragst dich permanent, ob du das überhaupt schaffst und dem Kind das bieten kannst, was es braucht. Aber ich sag dir mal was, für die Zukunft: das Größte und Wichtigste was du einem Kind geben kannst und musst, ist Liebe. Alles andere ist zweitrangig." Ich wusste nicht, ob es die Hormone waren, oder weil Weihnachten war, oder weil das was er sagte, grade genau in's Schwarze getroffen hatte. Vielleicht auch alles zusammen. Meine Augen füllten sich mit Tränen. „Tut mir leid, ich muss kurz an die frische Luft." ich stand vom Tisch auf und ging auf die Terrasse, um den kalten Winter auf meiner Haut zu spüren. Als wäre es so einfach. Als könne ich einfach ein Kind in die Welt setzen, diesem ein bisschen Liebe geben und der Rest klärt sich von alleine. Was ist mit meinem Studium? Mit Felix Karriere? Ich muss mit ihm reden.
„Weiß er es?" Franks Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Was?" fragte ich perplex. „Weiß Felix, dass du schwanger bist?" ich sah ihn schockiert an. „Pscht!" Signalisierte ich ihm und schaute in's Wohnzimmer. Keiner schien etwas gehört zu haben. „Nein, tut er nicht. Woher weißt du es?" fragte ich perplex. „Nenn es väterlichen Instinkt." zwinkerte er mir zu. „Warum hast du es ihm noch nicht gesagt?"
„Weil ich Angst habe. Ich habe Angst davor, wie er reagiert. Angst, dass er sauer wird oder sich vielleicht sogar von mir trennt. Und außerdem." ich machte eine kurze Pause „außerdem weiß ich nicht, ob ich das Kind behalten möchte."
„Er würde sich niemals von dir trennen, diese Angst kann ich dir nehmen. Wenn ich bei dem Jungen auch nur ein kleines bisschen was richtig gemacht habe, dann wird er dir das nicht antun. Wahrscheinlich wird er erstmal geschockt sein, aber das warst du bestimmt auch. Dann musst du ihm die Zeit geben, das zu verarbeiten." ich nickte. „Aber die Entscheidung, die kann er dir nicht abnehmen. Wenn du meine bescheidene Meinung hören möchtest, solltet ihr das aber gemeinsam entscheiden. Oder gib ihm zumindest die Möglichkeit, etwas dazu zu sagen."
„Ich weiß, Ich werde es ihm sagen. Morgen." beschloss ich. „Morgen werde ich es ihm sagen."

Felix saß wie ein kleiner Junge unter dem Weihnachtsbaum und packte seine Geschenke aus. Von Tante Ela gab es ein neues, selbstgestaltetes Bild für seine Wohnung, Fränki und Heike schenkten ihm einen teuren Whiskey und passende Whiskeygläser dazu, Das Geschenk von Julian und Sophie war ein neuer Staubsaugerroboter, weil sein Alter vor kurzem den Geist aufgegeben hatte, nachdem Julian ihn jede Nacht mehrmals von sich zu Hause aus angestellt und durch die Wohnung gelotst hatte. Als letztes war ich dran. Ich reichte ihm eine mittelgroße Schachtel. Wochenlang hatte ich überlegt, was ich ihm schenken könnte bis mir einfiel, dass vor einigen Tagen der rechte Arm von Micha, dem Kuscheltier von seiner Mama, nur noch an einem kleinen Faden hing, weil er ihn aus Versehen beim Koffer packen für das Charity Event in Hamburg im Reißverschluss eingeklemmt hatte und ihn ohne starkes Ziehen nicht mehr befreien konnte. Dadurch war er stark in Mitleidenschaft gezogen worden, was Felix ziemlich traurig machte. „Du hast Micha geflickt?" fragte er mit großen Augen, als er den kleinen Stoffteddy aus der Kiste zog. „Flicken lassen. Heike hat mir geholfen." ich lächelte ihr dankbar zu und sie nickte mit breitem Grinsen. Ich war mir nicht sicher, ob es die Spiegelung des Lichts in seinen Augen war, aber ich meine kurz Tränen in seinen Augen gesehen zu haben. „Danke Baby." sagte er und zog mich in einen langen, liebevollen Kuss.

Zu Dir (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt